Schnapp sie dir alle!

20.7.2016, 10:00 Uhr
Schnapp sie dir alle!

© Fotos: Fridmann

Als ich es höre, kann ich es kaum glauben: Pokémon fangen in der realen Welt! Erinnerungen an meine Kindheit kommen hoch, durchzockte Nachmittage mit dem Gameboy Advance und der Pokémon-Smaragd-Edition. Damals habe ich schon fantasiert, wie es wohl wäre, wenn man mit Pokébällen bewaffnet durch die Straßen ziehen, die Wesen fangen, trainieren und gegeneinander kämpfen lassen könnte.

Und jetzt, etwas verspätet, passiert es wohl doch noch: Der Traum wird wahr. Einer ganzen Generation geht es so, uns Kindern der 1990er Jahre, die wir mit der Fernsehserie und den zugehörigen Videospielen groß geworden sind. Darum auch der Hype um das Spiel, den kein anderes hätte auslösen können.

Davon angesteckt, habe ich mir die „Pokémon Go“-App heruntergeladen, ganz kosten- und problemlos aus dem Play Store. Nach dem Erstellen meines virtuellen Pokémonjäger-Abbilds und der Auswahl eines von drei Start-Pokémons, sehe ich mich schon auf einer Karte stehen, deren Landschaft meiner Umgebung ziemlich ähnlich ist.

Schnell bemerke ich: Das ist kein Zufall. Mithilfe von GPS-Daten erstellt die Firma Niantec eine Abbildung meiner Wirklichkeit und versieht diese mit Pokéstops (Stationen für Pokébälle), Arenen (Muckibuden für Pokémon) und den Pokémon selbst. In der Bildschirmecke unten rechts sehe ich die Umrisse von Kreaturen, die in der Nähe sind.

Und tatsächlich: Ich gehe ein paar Schritte und schon vibriert mein Handy – ein Hornliu, ein wurmähnliches Wesen mit Horn auf dem Kopf, steht vor mir in der Küche. Ich tippe es einmal an und schon öffnet sich meine Handykamera. Ein wildes Hornliu krabbelt auf unserem Esstisch herum. Damit es mir gehört, muss ich es nicht – wie im Gameboy-Spiel – erst im Kampf besiegen. Es reicht ein Wurf mit dem Pokéball, dann ist es meins. Zwei habe ich jetzt schon. Es bleiben 149.

Um mehr von ihnen zu fangen, fahre ich nach Nürnberg ins Stadtzentrum. Wo viele Menschen sind, da tummeln sich auch viele Pokémon. Der Plan: Von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit flanieren und ganz nebenbei meinen Pokédex erweitern. Allerdings läuft es eher anders herum: Ich gehe von Pokéstop zu Pokéstop und schaue nur auf, wenn die App sich mal wieder aufhängt oder nicht starten will.

Nicht selten kommen mir dabei Spieler jeden Alters entgegen, die beim Laufen wie gebannt auf ihr Handy starren. Verschwörerisch lächle ich eine ältere Dame an, aber sie bemerkt es gar nicht, so fokussiert ist sie auf ihr Smartphone. Am Jakobsplatz angekommen, kann ich nicht mehr weiterspielen.

Akku leer

Schuld sind die technischen Probleme, die auf der ganzen Welt für Unmut sorgen. Mit der enormen Nachfrage können die Server nicht mithalten. Eine halbe Stunde schaue ich dem Männchen auf dem Ladebildschirm zu, wie es über eine Brücke läuft. Unten eine Warnung: Ich solle sicherheitshalber immer ein Auge auf meine Umgebung behalten. Als ich doch noch ins Spiel komme, laufe ich zwei Minuten, dann ist mein Handy-Akku leer. Ich setze mich in den Zug und fahre traurig heim.

Doch trotz dieser Enttäuschung bin ich mir sicher: Der Hype um „Pokémon Go“ wird so bald nicht verschwinden. Die technischen Möglichkeiten können ausgebaut und vermisste Funktionen wie das Tauschen und Kämpfen mit anderen Spielern können hinzugefügt werden. Und bis dahin heißt es: Gotta catch ’em all – schnapp sie dir alle!

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