Theresa, die Leseeule, und Huzaifa, das Sprachtalent

15.11.2016, 10:00 Uhr
Theresa, die Leseeule, und Huzaifa, das Sprachtalent

© Stefanie Goebel

Drei Gewinner stellen wir euch hier ausführlicher vor: Theresa Leikauf von der Dietrich-Bonhoeffer-Realschule Neustadt/Aisch (Kategorie „Kunst/Literatur/Musik“), Lukas Ott, ehemaliger Schüler der Johannes-Scharrer-Realschule Hersbruck (Kategorie „Naturwissenschaften/Multimedia“) und Huzaifa Sabir von der Veit-Stoß-Realschule Nürnberg (Kategorie „Besonderer Lebens- und Bildungsweg“).

Hier folgen alle weiteren Preisträger, sortiert nach Kategorien:

Kunst/Literatur/Musik:

Celina Schreiber von der Hermann-Stamm-Realschule Schwabach hat einen Roman für ein Theaterstück geschrieben, und Michel Jahn von der Veit-Stoß-Realschule Nürnberg bereichert als „DJ Gruf“ viele Veranstaltungen.

Naturwiss./Multimedia:

Die Bonhoeffer-Videogruppe aus Neustadt/Aisch hat den Spielfilm „Mord im Aischgrund“ geplant und produziert.

Schulische Leistungen:

Notenschnitt von 1,0: Julia Kraus von der Realschule Höchstadt, Katharina Weigel von der Veit-Stoß-Realschule Nürnberg, Julia Wuttke von der Wilhelm-von-Stieber-Realschule Roth, Christina Danzer von der Mädchenrealschule Schillingsfürst, Antonia Müller und Bernice Buortesch von der Markgraf-Georg-Friedrich-Realschule Heilsbronn.

Soziales Engagement:

Krystina Peine von der Hermann-Stamm-Realschule Schwabach engagiert sich in der Kirchengemeinde und leitet die Schülerfirma „Kostümverleih“, Sophie Beß von der Markgraf-Georg-Friedrich-Realschule Heilsbronn ist im Schulleben als Klassen- und Schülersprecherin aktiv und Adrian Taubmann von der Veit-Stoß-Realschule Nürnberg leitet dort den Sanitätsdienst.

Sport:

Maximilian Wild von der Johannes-Scharrer-Realschule Hersbruck ist erfolgreich in Karate, Florian Bremm von der Johann-Steingruber-Realschule Ansbach ist ein talentierter Läufer, spielt Golf und klettert. Sein Mitschüler Marco Fetz hat schon viele Siege im Motorradsport erzielt.

Lebens- und Bildungsweg:

Daniel Hack von der Markgraf-Georg-Friedrich-Realschule Heilsbronn hat wegen seiner Entwicklungsstörung (Autismus) eine schwierige Schulkarriere hinter sich.

Theresa, die Leseeule

Theresa sitzt auf dem Boden in ihrem Bücherzimmer und spricht in die Kamera. Ohne Skript, „frei von der Seele“, sagt die 14-Jährige aus Neustadt/Aisch. Theresa stellt in ihren Videos Bücher vor, sie sagt, worum es geht und wie sie ihr gefallen – wie die anderen Booktuber auch, die sich so auf YouTube tummeln.

Vor drei Jahren hat die Schülerin damit angefangen, damals nahm sie die Videos über ihre Webcam auf, groß geschnitten oder bearbeitet wurde das nicht. „Das war nur zum Spaß, heute arbeite ich professioneller“, erzählt sie. Mit richtiger Kamera und Stativ. Nach der Aufnahme schneidet sie das Video und fügt ein Intro hinzu, bevor sie es auf ihren Kanal „Leseeule Theresa“ hochlädt.

Etwa 250 Videos stehen da schon, und die über 6000 Abonnenten sprechen für die Schülerin. „Ich lese pro Monat etwa fünf bis zehn Bücher, meist am Nachmittag und Abend, an manchen Tagen lese ich aber auch gar nicht“, sagt Theresa, die ihre Bücher gebraucht über Internetportale kauft, aber mittlerweile auch von Verlagen zugeschickt bekommt.

Nach einer Weile sei sie darauf gestoßen, dass es Rezensionsexemplare gibt. „Ich habe da mal angefragt, und da sind Verlage und Autoren auf mich aufmerksam geworden“, erinnert sich die 14-Jährige. Theresa mag vor allem Jugendbücher und Fantasy, ab und zu liest sie auch schon Romane für Erwachsene. „Ich bekomme von den Verlagen Vorschläge per Mail und sage auch nein, wenn mir das Genre nicht gefällt.“

Ihre Zielgruppe sind hauptsächlich Schüler und Jugendliche, aber auch erwachsene Leute, die Jugendbücher lesen. „Wir Booktuber tauschen uns über Kommentare und Facebook aus, machen uns gegenseitig auf Videos aufmerksam und schlagen Bücher vor“, erklärt Theresa. „Die meisten Kommentare sind lieb und positiv, einige wenige sind beleidigend. Aber das ist eher selten, und ich ignoriere sie.“

Auch wenn es für Leseeule Theresa manchmal stressig wird, findet sie noch Zeit für Freunde und Hobbys. Sie spielt zum Beispiel Tischtennis im Verein, hört Musik, schaut Filme und Serien und trifft ihre Freunde. Eine ganz normale 14-Jährige also.

Allerdings hat sie schon einen Plan für ihre Zukunft: „Ich möchte Journalistin werden oder was mit Medien machen“, sagt sie. Vor YouTube hat sie versucht zu bloggen. Auf Dauer sei das nichts gewesen, sie spreche lieber vor der Kamera. Aber damals war sie ja erst zehn Jahre alt.

Um ihre Bücher alle aufheben zu können, hat Theresa voriges Jahr zu Weihnachten ihr eigenes Bücherzimmer auf dem Dachboden bekommen. „Aber selbst da wird der Platz langsam knapp“, gibt sie zu. „Also sortiere ich einige aus, verkaufe sie über Ebay oder verschenke Bücher.“

Möchtet ihr euch ein Buch empfehlen lassen? Dann klickt auf Theresas Kanal auf YouTube: „Leseeule Theresa“

Lukas Ott

Lukas Ott

Lukas, der Videojournalist

Lukas interessiert sich für Politik, vor allem für die Themen Europa und Flüchtlinge. Was der 17-Jährige darüber weiß, hat er unter anderem aus unserer Zeitung und der Süddeutschen Zeitung. Der Schüler aus Hersbruck gibt sein Politikwissen in seiner Webserie „LateMate“ auf YouTube weiter. Zusammen mit seinem Freund Arjen hat er bereits drei Videos erstellt.

Lukas schreibt den Text, kümmert sich um Licht und Kamera, sein Kumpel moderiert. „Zehn Minuten frei zu sprechen, ohne sich zu versprechen, sind ganz schön anstrengend“, erzählt der 17-Jährige. Deshalb haben die beiden aus alten Bilderrahmen einen Teleprompter gebaut, von dem Arjen ablesen kann.

In jeder Folge beleuchten die beiden ein Thema, zum Beispiel das geplante NPD-Verbot. „Wir erklären dann, was Parteiverbote sind, und erläutern die verschiedenen Standpunkte der Parteien“, sagt Lukas, der seit diesem Schuljahr auf das Geschwister-Scholl-Gymnasium in Röthenbach an der Pegnitz geht, um dort sein Abi zu machen. Da der Videodreh recht aufwändig ist, kümmert er sich momentan mehr um die Schule, aber er plant, mit „LateMate“ weiterzumachen.

An seiner alten Realschule in Hersbruck hat Lukas ein Videointerview mit Vittore Bocchetta gemacht, das morgen an der Schule bei einer Veranstaltung veröffentlicht wird – zum 98. Geburtstag des Zeitzeugen. „Ich habe ihn auf Englisch zur aktuellen Politik und zum Flüchtlingsthema interviewt“, erzählt Lukas.

Vittore Bocchetta aus Verona war zur Nazi-Zeit in der Außenstelle des Konzentrationslagers Flossenbürg, das sich in Hersbruck befand, untergebracht. Er kehrt noch manchmal an diesen Ort zurück. „Wir hatten bei dem Interview einige Sprachprobleme. Es war nicht ganz klar, was er meint und was er will“, erinnert sich der Schüler. „Aber ich hatte mich vorher gut in sein Leben eingelesen und konnte einiges interpretieren.“

Trotzdem sei er ganz schön aufgeregt gewesen, auf ihn waren schließlich drei Kameras gerichtet. Der Videojournalismus macht dem Gymnasiasten Spaß, erste Berührungspunkte damit hatte er vor einigen Jahren, als er das Video „Warum Hersbruck!“ gedreht hat, einen Film über seine Heimatstadt.

Nach dem Abi möchte er in Richtung Politikwissenschaften und Philosophie studieren. Vor kurzem ist Lukas SPD-Mitglied geworden, um sich politisch engagieren zu können. Das habe er vorher nicht bewusst gemacht. Seine Themen sind Bildung und Europa.

Wollt ihr euch Lukas’ Kanal anschauen? Gebt LateMate und Lukas bei YouTube ein.

Theresa, die Leseeule, und Huzaifa, das Sprachtalent

© Stefanie Goebel

Huzaifa, das Sprachtalent

Huzaifa hat einige Zeit nicht darüber gesprochen. „Ich konnte nur Englisch und stand unter Schock“, erzählt der 17-Jährige, der vor Terrorismus und Al-Kaida aus Pakistan nach Deutschland geflohen ist. Er war damals zwölf, mutterseelenallein und voller Angst.

Als Huzaifa im Juli 2012 vom Fußballspielen nach Hause kam, war im elterlichen Möbelladen alles kaputt, die Wohnung oben drüber durchsucht. „Meine Eltern waren weg, sie wurden gekidnappt, ich hatte Panik“, erzählt der 17-Jährige mit fester Stimme. „Ich habe im Telefonbuch die Nummer zu meinem Onkel rausgesucht, dieser kam dann sieben Stunden später zu mir und nahm mich mit.“

Eine Woche später sollte der Junge plötzlich mit fremden Leuten mitgehen. „Ich fragte sie immer: Wohin? Sie antworteten nur: Sei leise!“, erinnert er sich. „Wir sind zu Fuß durch den Wald, den Dschungel, durch die Wüste. Wir versteckten uns in Lkw.“ Huzaifa hatte Glück, dass er durchkam. „Falls man mich erwischt hätte, wäre ich am Arsch gewesen. Pakistanische Freunde haben mir von Schießereien an der Grenze erzählt.“

Der Zwölfjährige kannte sich nicht aus, ist immer wieder mit anderen Schleppern mitgegangen. „Ich weiß nicht, wer sie bezahlt hat, vielleicht mein Onkel?“, sagt Huzaifa. „In Deutschland haben sie mir 20 Euro gegeben und mich in Nürnberg an der U-Bahnstation Gostenhof rausgelassen. Dort sollte ich fünf Minuten warten.“ Als niemand kam, wartete er weiter. Nach Stunden traf er einen Mann, der in seiner Sprache telefonierte. Dieser brachte Huzaifa ins Jugendhilfezentrum in der Reutersbrunnenstraße.

Dort lebte der Jugendliche bis vor vier Monaten. Dort lernte er Deutsch und schloss Freundschaften. „Ich habe in der Zeit meiner Flucht gemerkt, dass ich mich durchbeißen muss und dass ich der Schwache bin, wenn ich mich auf andere verlasse“, sagt er.

Da sich Huzaifa meist auf Deutsch unterhalten musste, hat er die Sprache schnell gelernt und durfte nach fünf Monaten Übergangsklasse in eine normale 7. Klasse auf der Dr.-Theo-Schöller-Schule wechseln. „Ich bestand den Quali mit 1,6 sogar als Schulbester“, sagt er stolz. Nach dem Abschluss wiederholte er die 9. Klasse auf der Veit-Stoß-Realschule in Nürnberg, jetzt ist er in der 10.

„Je länger ich zur Schule gehe, desto größer ist die Chance, hierbleiben zu dürfen“, erklärt der 17-Jährige und zeigt seinen Duldungsausweis, einen richtigen Ausweis hat er nicht. „Pakistan ist mittlerweile ein sicheres Land, man würde mich abschieben, wenn ich einen Asylantrag stelle.“ Huzaifa möchte zwar irgendwann mal in seine Heimat zurück, um zu schauen, wie es dort ist. Aber seine Zukunft sieht er in Deutschland.

„Als Kind wollte ich immer Pilot werden, aber das kostet viel Geld, daher möchte ich im Büro arbeiten, zum Beispiel als Industrie- oder Bankkaufmann“, sagt er. Danach könne er immer noch auf die Berufsoberschule oder das Abendgymnasium gehen, um das Abi zu machen.

Seit ein paar Monaten lebt der 17-Jährige in seiner eigenen kleinen Wohnung, er kocht gerne, etwa sein Leibgericht Käsespätzle mit pakistanischen Gewürzen oder Kofte. Ein perfekter Hausmann, also? „Kann man sagen!“, meint er lachend. Der junge Mann hat viele Freunde „aus Pakistan, Deutschland, Indien, Bangladesch, multikulti“.

Nur mit Familie sieht es düster aus, zu seinem Onkel hat er keinen Kontakt, von seinen Eltern seit des Kidnappings kein Lebenszeichen gehört. „Ich habe mich mal beim Roten Kreuz gemeldet, um Hilfe zu bekommen. Ich habe ihnen meine Geschichte erzählt, aber es ist nichts passiert.“

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