Tiefenentspannte Kämpfer

13.4.2016, 10:00 Uhr
Tiefenentspannte Kämpfer

© Fotos: Michael Fischer

Um kurz vor sechs ist die Nacht für Deniel und Christian vorbei. Jeden Morgen. Wenn sich andere noch einmal umdrehen und ganz tief im Kissen versinken, heißt es für die beiden: laufen gehen. Knapp 40 Minuten sind sie täglich unterwegs – Ausreden zählen nicht. Anfangs sei das schon etwas hart gewesen, sagt Deniel, „aber man gewöhnt sich schnell dran“.

Ein Satz, der stellvertretend stehen könnte für das Leben der zwei Boxer aus Neustadt. Schon als Kinder blicken sie auf zu ihrem Vater Igor, der beim 1. FC Nürnberg boxt. Oft stehen sie am Rand, wenn der Papa in den Ring steigt. Anfangs war Christian, mit 19 der Ältere, noch ab und zu auf dem Bolzplatz. „Aber ich wollte unbedingt auch kämpfen. Mit sieben Jahren hat mein Vater mich dann zum Training mitgenommen.“

Christian

Christian

Ans Boxen, einem anderen Menschen wehzutun, gewöhnen sich die jungen Männer schnell. „Als Kind bemerkt man das auch nicht wirklich, da ist es eher ein Spaß, man sieht es sportlich“, sagt Deniel. Freilich sei es anders, wenn jemand erst viel später dazukomme. So aber bringt er es ganz einfach auf den Punkt: „Entweder ich schlage zu – oder der Gegner.“

Do or die. Schlagen oder geschlagen werden. Was für zwei Jugendliche doch ziemlich martialisch klingt, hat bei ihnen aber genau das Gegenteil bewirkt. Abseits des Boxens, beteuern die beiden, seien sie ruhig, gingen jedem Konflikt aus dem Weg. Warum auch den großen Hengst mimen, „ich muss doch niemandem etwas beweisen“, sagt Deniel. Denn für Furore sorgen die Halbbrüder lieber im Ring.

Alle Erfolge aufzuzählen, würde jeden Rahmen sprengen. Mit 16 Jahren hat Deniel schon 68 Kämpfe bestritten, davon 50 gewonnen, er wurde dreimal Deutscher Meister und bei der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr Fünfter. Christian hat von seinen 96 Kämpfen „auch den Großteil gewonnen“, wurde bei der Deutschen Meisterschaft dreimal Zweiter und war bei einer Europameisterschaft dabei.

Zufrieden sind die beiden Talente damit allerdings noch lange nicht. Beide streben eine Karriere als Profi-Boxer an und wollen damit auch irgendwann Geld verdienen. Christian hat schon eine genaue Vorstellung: 2020 will er sich für die Olympischen Spiele in Tokio qualifizieren. „Da kann man sich dann für ein Profi-Debüt empfehlen.“

Der Preis, den beide für ihren großen Traum zahlen, ist hoch. Zweimal täglich wird trainiert – morgens joggen, abends boxen. An sechs Tagen pro Woche, nur der Samstag ist frei. Partys, Fast Food, um die Häuser ziehen, was Jugendliche eben gerne machen – für die beiden ist das nur selten möglich. Ob sie damit ihre Jugend verschenken? Nein, beteuern sie. „Wenn man Erfolg hat, motiviert einen das, immer härter zu trainieren“, sagt Christian. „Dann weiß ich, wofür ich das alles auf mich nehme.“

Deniel

Deniel

Bei all der Hingabe für den Sport steht aber eines über allem: die Schule. Vater Igor achtet darauf, dass seine Söhne auch dort alles geben. „Man weiß nie, was passiert“, sagen auch die Brüder. „Mit einer Verletzung kann alles vorbei sein.“

Christian macht gerade auf der FOS sein Abi und will danach studieren. Deniel wird nach seiner mittleren Reife in diesem Jahr eine Ausbildung als Industriekaufmann beginnen. Klug wie er ist, hat er erst dort unterschrieben, wo der Arbeitgeber auch bereit ist, ihn für Wettkämpfe freizustellen.

Und dann sagt Deniel einen Satz, der zwischen tropfendem Schweiß und klatschenden Schlägen fast etwas philosophisch anmutet: „Beim Boxen gewinnt nicht der Stärkere. Es gewinnt der Schlauere.“

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