Unnützer Schulstoff

4.7.2016, 16:30 Uhr
Unnützer Schulstoff

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Was ist denn für euch sinnloser Schulstoff, und was hättet ihr lieber gelernt?

Livia Hofmann: Nun ja, ich kann jetzt nicht behaupten, dass ich während meines bisher einjährigen Aufenthalts in der Arbeitswelt jemals Einsteins Relativitätstheorie gebraucht hätte. E=mc2. Aha, und jetzt? Das Ganze hat irgendwas mit der Erhaltung der Energie und der Masse zu tun.

Schlau bin ich nie daraus geworden. Lag vielleicht auch daran, dass mein Physiklehrer das auch nicht ganz verstanden hat. Was ist Zeit und wie messe ich sie? Zeitdilatation und Längenkontraktion, Lichtgeschwindigkeit, das klassische Beispiel eines am Bahnhof vorbeifahrenden Zuges.

Allein nur diese Begriffe zu hören, lässt meinen Kopf rauchen. Mehr als vier Punkte in der Physikklausur hat es mir damals nicht gebracht. Daher stelle ich mir nun die Frage: Warum zwingt man uns Schüler, diese mehr als komplizierte Relativitätstheorie zu kapieren, wenn wir sie den verbliebenen Rest unserer Schullaufbahn eh nicht mehr gebraucht haben?

 

Elisabeth Adam: Heute sollen Schüler vor allem in den sogenannten Mint-Disziplinen gefördert werden, also in Mathe, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Diese Fähigkeiten werden in der technisierten Berufswelt zunehmend gefordert.

Daher soll man an nicht naturwissenschaftlich-technischen Schulen zwei Jahre lang das Fach Informatik belegen, um den Umgang mit Computern zu lernen. Doch anstatt den Schülern beizubringen, wie man eine gute Power-Point-Präsentation erstellt oder sicher im Internet surft, steht „Robot Karol“ auf dem Stundenplan. Das ist ein kleiner 3D-Roboter, dem man mit einfacher Programmiersprache Anweisungen wie „Schritt“ oder „Block hinlegen“ oder „Suche Wand“ gibt.

Natürlich kann man jetzt argumentieren, dass es wichtig ist, Schüler mit solch einer abstrakten Programmiersprache vertraut zu machen. Aber ich verstehe einfach nicht, wie es mir in meinem späteren Berufsleben weiterhelfen soll, dass ich ein Jahr lang gezwungen war, einen animierten Roboter unseren Klassennamen „7b“ mit roten Bauklötzen  legen zu lassen. Damit er danach an die Wand geht, umdreht und dann alle Klötze wieder aufhebt. Ich finde diesen Lernstoff ziemlich unnötig und werde das unnütze Wissen bestimmt nie wieder brauchen!

 

Alena Weigand: Ich hatte Latein. Verpflichtend. Es gab kein Entkommen. Und mit der Zeit entdeckte ich sogar viele Vorteile: Man setzt sich mit der eigenen Sprache auseinander. Man kann sagen: Ich habe in Latein Deutsch gelernt. Heute kann ich mir Bedeutungen ableiten – wie Rezipieren von recipere, was aufnehmen oder empfangen bedeutet. Außerdem hatte ich in Latein keine mündlichen Prüfungen.

Trotz der vielen Vorteile, braucht man das Fach nicht so umfangreich, wie ich es hatte. Irgendwann lernt man Sachen, die man wirklich nicht braucht: Lateinische Texte skandieren. Was hat man davon, das Metrum bei einem Text von Cicero bestimmen zu können? Aus meiner Sicht gar nichts. Ich werde es auch nie mehr in meinem Leben brauchen. Wozu auch? Wie man die einzelnen Silben betont, ist mir herzlich egal. Man lernt mit dem Skandieren nichts. Möchte ich – poetisch gesagt – den Klang eines Gedichts besser nachvollziehen, bestimme ich das Metrum eines Gedichts im Deutschunterricht. Das reicht völlig. Zumindest plage ich mich dann mit einer lebendigen und von mir gesprochenen Sprache herum. Im Gegensatz zum Lateinischen: Das wird nicht mehr gesprochen. Die Sprache ist tot.

Daran ändern auch Striche, Kreuze oder andere Zeichen über den Buchstaben nichts. Also warum in der Schule skandieren? Will man die Lateinkenntnisse vertiefen, reicht das im Lateinstudium. Da machen es dann die, die das machen wollen.

Ich frage mich: Kommt Skandieren nur in den Lehrplan, damit der Stoff im Unterricht nicht ausgeht? Eine andere Erklärung habe ich nicht. Den Mist braucht niemand, der keine wissenschaftliche Lateinlaufbahn plant.

 

Aileen Gonda: Mit den Hauptfächern Deutsch, Mathe, Englisch hatte ich keine Probleme, aber die Nebenfächer waren manchmal gähnend langweilig. Vor allem Hausarbeit. Dieses Nebenfach war in meiner Schule aber sehr angesehen von allen Lehrkräften – es war eine Klosterschule.

Ich quälte mich zweimal wöchentlich in dieses Fach bei Frau Bayer, die stets im selben Dirndl antanzte. Stricken, häkeln, kochen, Faden in die Nadel zwängen oder Stoff zuschneiden, nichts davon konnte ich gut. Und auch bis heute interessiert mich das wenig. Hausarbeit mache ich eher aus Zwang und Notwendigkeit. Freude kommt auf, wenn ich zu Hause Möbelstücke aufbauen kann. Handwerkliche Arbeiten mit Holz oder Metall. Hätte ich die Wahl in der Schule gehabt, hätte ich auch sofort das Fach „Werken“ gewählt. Dies aber war nur für die Jungs in meiner Klasse gedacht.

Die Noten für Handarbeit bekam ich auf Schnelligkeit und Genauigkeit der Arbeiten: saubere Nadelstiche, gerades Zuschneiden, ordentliches Aufräumen und Putzen nach dem Kochen. In Handarbeit nähten wir eine Schürze, Kuscheltiere und Topflappen – ich war immer als Letzte fertig und bekam wegen der krummsten Stiche grundsätzlich schlechte Noten.

Und obwohl ich wusste, dass ich später beruflich nichts mit Handarbeit zu tun haben möchte, ärgerte ich mich immer unglaublich, wenn ich die schlechte Note für Handarbeit in meinem Zeugnis sah.

 

 

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