Viele Wege führen zum Abi

2.11.2015, 09:14 Uhr
Viele Wege führen zum Abi

Amir (18) war sich seit der Grundschule sicher, dass er Ingenieur werden möchte – und ging daher auf ein Gymnasium. Nach einer gewissen Zeit wurden seine Noten immer schlechter. In seiner Freizeit stand nur noch Lernen an — und trotzdem war keine Verbesserung in Sicht.

Also ging er eine Schulart „runter“ auf die Realschule, erzielte wieder schulische Erfolge und wurde einer der Jahrgangsbesten. Sein Traumberuf ist ihm geblieben, und deshalb entschied sich Amir nach dem Realschulabschluss, auf die FOS zu gehen.

Inzwischen hat Amir sein Fachabitur geschrieben und kann Maschinenbau an einer Fachhochschule studieren. Das hat ihm die FOS stressärmer und mit mehr Spaß an der Schule ermöglicht als das Gymnasium.

An der FOS kann man sich für eine Ausbildungsrichtung entscheiden: Neben Technik, Wirtschaft oder dem sozialen Zweig bieten spezielle Fachoberschulen auch Gestaltung oder Agrar-, Bio- und Umwelttechnik an. Der Vorteil auf einer FOS ist, dass man im Laufe des 1. Schuljahres (11. Klasse) Praktika je nach Zweigwahl absolviert und Erfahrungen in der Arbeitswelt bekommt. Amir wählte die Ausbildungsrichtung Technik. „So konnte ich in das Berufsleben reinschnuppern. Das hätte mir das Gymnasium nicht geboten.“

Auch Linda (19) hat ihre Fachhochschulreife geschafft. Dass sie als ehemalige Waldorfschülerin einmal studieren kann, hätte sie anfangs nicht gedacht. Linda war auf dem sozialen Zweig, möchte aber nichts Soziales studieren. Auch das ist kein Problem.

Nach dem Fachabitur hängt sie noch ein weiteres Schuljahr dran, um das allgemeine Abitur draufzusetzen. Nach der 13. Klasse kann sie dann nicht nur an Fachhochschulen, sondern auch an Universitäten studieren.

Fremdsprache nachlernen

Dafür muss Linda allerdings eine zweite Fremdsprache nachlernen. Das heißt: zusätzlicher Nachmittagsunterricht. Schüler, die bereits vier Jahre lang eine zweite Fremdsprache hatten, müssen diese nicht mehr auf der FOS nachlernen. Natürlich gelangen Schüler an einer FOS erst später zu ihrem Abi als Gymnasiasten. Aber viele finden das nicht schlimm, denn für sie ist es dasselbe Programm wie früher auf dem G9.

Es gibt auch noch andere Gründe, auf eine FOS zu gehen. Viele fühlen sich noch zu jung zum Arbeiten. So auch Desiree (18): „Nach der Realschule hatte ich keine Ahnung, was ich mal machen will. Ich bin dann auf die FOS gegangen, damit ich noch mindestens zwei Jahre mehr zum Überlegen habe.“

Durch das erzieherische Pflichtpraktikum ist Desiree aufgefallen, dass ihr das Arbeiten mit Kindern Spaß macht: „Jetzt weiß ich wenigstens, dass ich später einmal etwas mit Kindern machen will!“

Für andere ist das Praktikum zu anstrengend. Linda hat ein pflegerisches Praktikum im Krankenhaus gemacht. Die Frühschicht dort begann schon um sechs Uhr morgens, und der Arbeitstag war nicht leicht. Jetzt weiß sie, was sie auf keinen Fall mal als Beruf machen will.

Auf jeder FOS verläuft die Praktikumsphase während der 11. Klasse anders. Manche Schulen bieten einen Blockunterricht an, bei dem man abwechselnd einige Wochen Unterricht und einige Wochen Praktikum hat. Der Nachteil besteht darin, dass man über eine längere Zeit keine Schule hat und dann plötzlich zurück in der Unterrichtsphase mit Lernstoff und Prüfungen bombardiert wird.

Desiree hatte keinen Blockunterricht. Bei ihrer FOS gab es jede Woche zweieinhalb Tage Schule und zweieinhalb Tage Praktikum. Stress mit Prüfungen? „Überhaupt nicht“, sagte Desiree, „im Gegenteil. Als ich in die 12. Klasse gekommen bin, musste ich mich wieder an fünf Tage Schule gewöhnen!“

Wer jetzt denkt, jeder Trottel könnte einfach zum Abitur kommen, ohne dafür viel tun zu müssen, denkt falsch. Denn anfangs muss man auf der FOS noch eine Probezeit bestehen. Erreicht man bis Weihnachten einen bestimmten Notendurchschnitt nicht, fliegt man von der Schule. Und auch wenn viele mit den Augen rollen, wenn sie das Wort Fachabitur hören — das (Fach-)Abitur gibt es nicht umsonst. Büffeln muss man auf der FOS genauso wie am Gymnasium.

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