Weite Strecken sind Mattis Leidenschaft

23.7.2016, 10:00 Uhr
Weite Strecken sind Mattis Leidenschaft

© Fotos: Heim Fotografie

Als 14. Fahrer geht Matti in sein längstes Rennen: 1100 Kilometer stehen zwischen ihm und dem Ziel in Garmisch. Wenn der 23-Jährige vom „Race Across Germany“ erzählt, hat man das Gefühl, als würde er die ganze Strecke in Gedanken noch mal abfahren. „In zwei Minuten Abstand sind wir 20 Einzelfahrer losgefahren, jeder mit Begleitfahrzeug. Das flache Land hinter Flensburg ist nicht so meine Stärke, trotzdem war ich nach 300 Kilometern schon unter den ersten fünf“, erzählt der Laufer.

Im Harz dämmert es, die Nacht setzt ein. Dort warten auf einer Strecke von 100 Kilometern 25 Anstiege. „Nachts fahren und Berge, das ist mehr meins. Ich sehe dann den Tacho nicht mehr und höre auf mein Gefühl“, sagt der 23-Jährige, der immer mehr Radfahrer überholt und sich auf den 2. Platz vorkämpft.

Pech nach Schlafpause

Doch der zehnminütige „Power-Nap“ im Wohnmobil verändert schließlich alles. „Ich bin beim Aussteigen mit dem Fuß umgeknickt, es hat sofort im Knöchel und in der Wade gezogen“, erzählt Matti und ärgert sich über dieses Missgeschick. Doch er möchte noch nicht aufgeben, er quält sich mit Schmerzen bis Ansbach, wo er entscheidet, das Rennen abzubrechen.

„Ich konnte kaum laufen. Da ich den Sport aber noch länger machen möchte, wollte ich kein Risiko eingehen.“ 250 Kilometer vor dem Ziel aufgeben zu müssen, ärgert den jungen Mann. Aber er sieht es nicht als Scheitern, nein, vielmehr ist ihm klargeworden: Ich kann das schaffen! Und allein das bringt ihn weiter – nach allem, was er in seinem Leben schon durchstehen musste.

Denn zum Radsport ist Matti erst nach einer langen Krankheitsphase gekommen. Dreimal war er in der 9. Klasse, weil er immer wieder aussetzen musste. Damals war er ständig mit dem Gesundwerden beschäftigt, er glaubte nicht, dass er mal solche Höchstleistungen vollbringen könnte. „Ich hatte immer Angst vor einem neuen Schub. Das Optimum war: den Schulabschluss und eine Ausbildung machen – und viel schlafen, um die Arbeit zu schaffen“, erinnert er sich.

Da Matti auch im Rollstuhl saß und seine Knie kaputt waren, empfahl sein Arzt, etwas Rad zu fahren. Und als sein Kumpel in der 10. Klasse von Lauf an die Ostsee radeln wollte, ist der damals 18-Jährige einfach mitgekommen – und wurde dabei vom Rennradfahren über lange Distanzen, dem „Ultra Cycling“, infiziert.

Weite Strecken sind Mattis Leidenschaft

Es folgten weitere Radmarathons am Arber oder das 24-Stunden-Rennen in Kehlheim – sein bis dahin größtes Ziel. Der 8. Platz überwältigte den mit Abstand jüngsten Fahrer, der 2. Platz im Jahr danach setzte noch mal eins drauf. Und das, obwohl Matti zu dem Zeitpunkt wieder etwas angeschlagen war. Acht Wochen vor den Rennen hatte er einen Asthmaanfall, der ihn sogar dazu zwang, seinen Beruf als Anlagenmechaniker aufzugeben.

Nach dem Erfolg in Kehlheim beschloss er, das „Race Across Germany“ anzugehen. Seit dem vergangenen Winter hat er dafür trainiert, diesmal professionell mit Trainer, Physiotherapeut und anderen Sponsoren. Fünf- bis sechsmal pro Woche fährt der 23-Jährige selten unter 100 Kilometer am Tag, dazu kommen Ausgleichs- und Stabilitätstraining im Fitnessstudio. Am Montag legt er immer eine Pause ein. „Viel Zeit für Freunde bleibt da nicht“, sagt er, „doch sie verzeihen es.“

Da Matti dieses Jahr noch „nicht gefinished hat, brauche ich noch ein gescheites Finish. Ich habe da ein 24-Stunden-Rennen in Österreich im Hinterkopf“. Mehr verrät er nicht. Sein Traum ist, beim „Race Across Germany“ ins Ziel zu kommen und sich für das Rennen in Amerika zu qualifizieren – das hätte er diesmal sogar geschafft, wenn er nicht aufgegeben hätte. Dafür braucht der 23-Jährige aber weitere Sponsoren.

Seine Träume möchte er jedoch langsam angehen: „Ich bin jung, und es gibt noch andere Ultrarennen.“ Im September beginnt Matti zudem ein Fachlehrer-Studium in Bayreuth.

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