Wenn Goliath gegen David kämpft

15.4.2015, 10:00 Uhr
Wenn Goliath gegen David kämpft

© Foto: AFP

Etwas Gutes vorneweg: Staaten führen nur noch selten Kriege gegeneinander. Riesige Schlachten zwischen Armeen verschiedener Länder – das war einmal. Die Regierungschefs der (westlichen) Welt bemühen sich, Konflikte gar nicht erst zu groß werden zu lassen und sie diplomatisch zu lösen.

Frieden gibt es deshalb noch lange nicht: 13 Jahre Kampfeinsatz – immer noch sind mehr als 12 000 Nato-Soldaten gegen die Taliban in Afghanistan im Einsatz. Der Konflikt zwischen Israelis und der radikal-islamistischen Palästinenser-Organisation Hamas – seit Jahrzehnten ein Wechselspiel zwischen Gewalt und Waffenruhe. Im Osten der Ukraine: die ukrainische Armee gegen russische Separatisten, seit mehr als einem Jahr.

Experten nennen diese Konflikte „asymmetrische Kriege“. In ungleichen Auseinandersetzungen steht die eine Gruppe militärisch schwach dar. Sie besteht aus Rebellen oder Glaubenskämpfern. Die andere Partei dagegen hat moderne Waffen und gut ausgebildete, große Kampftruppen – meist die Armee eines Staates. David kämpft gegen Goliath. Bei offenen Gefechten steht der Gewinner fest.

Aber dazu kommt es gar nicht: Oft begeben sich die Armeen in ein fremdes Land, sind mit dem Einsatzraum wenig vertraut und kämpfen gegen aus dem Hinterhalt agierende lokale Gruppen. In Afghanistan etwa waren – und sind immer noch – die Nato-Soldaten zum großen Teil damit beschäftigt, sich selbst vor Anschlägen oder Sprengstofffallen der Taliban zu schützen. Zudem rekrutieren die Taliban immer wieder neue Kämpfer, Verluste in der eigenen Truppe sind für sie daher verkraftbar. Langfristig können solche Gruppen den überlegenen Gegner mit punktuellen Angriffen so zermürben, dass dieser sich zurückzieht – ohne dass der Konflikt gelöst ist.

Das Verständnis von Völkerrecht und Menschlichkeit ist bei vielen Auseinandersetzungen ebenfalls „asymmetrisch“. Während demokratische Staaten zivile Opfer möglichst vermeiden wollen, missbraucht die gegnerische Seite Zivilisten oft als menschliche Schutzschilde. Sie schießt zum Beispiel von Wohnhausdächern oder versteckt Waffen in Krankenhäusern. Die Bevölkerung wird so mitten in die Kriegshandlung hineingezogen.

Terrorismus steht bei den asymmetrischen Konflikten inzwischen im Mittelpunkt. Hier ist es für den Staat besonders schwer, eine Strategie zu entwickeln. Schließlich versuchen Terroristen nicht einmal, ihr eigenes Leben zu schützen und können auch mit wenigen Taten ein Land zutiefst erschüttern. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verbreitet seit Monaten mit furchtbaren Gewalttaten, Geiselnahmen, Selbstmordattentaten und der Inszenierung dieser Gräueltaten in Videos und im Internet Schrecken und großes Leid.

Zu lösen sind asymmetrische Konflikte für den Staat – den eigentlichen Goliath – nur schwer: Militärische Reaktionen bringen meist viele Opfer in der Bevölkerung, werden von der Öffentlichkeit oft als unverhältnismäßige Maßnahme gegen „David“ bewertet – und können in der Regel nicht mit einem Friedensvertrag beendet werden.

Politische Verhandlungen sind mit fanatischen und menschenverachtenden Gegnern wie den IS-Terroristen aber auch unrealistisch. In Friedensprozessen versuchen Politiker, die Konfliktparteien aufeinanderzuzubewegen, während der Krieg auf niedriger Flamme weiterköchelt. Aber nur wenige Konflikte konnten in den vergangenen Jahren beendet werden.

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