Willkommen, ihr Flüchtlinge!

29.8.2016, 17:49 Uhr
Willkommen, ihr Flüchtlinge!

© Foto: Meingast

Stickige Luft, alle Plätze sind besetzt. Der Senatssaal des Erlanger Kollegienhauses platzt aus allen Nähten. 90 Minuten sind eingeplant für eine Podiumsdiskussion zum Thema „Integration und gesellschaftliche Verantwortung“.

Diese Veranstaltung zu Beginn des vorigen Sommersemesters markiert den Beginn der Vortragsreihe „Die Flüchtlingsfrage — interdisziplinäre Perspektiven“. Es geht um Wissensvermittlung, Aufklärung und Ursachenforschung.

Die Vorlesung soll wöchentlich stattfinden. Und sie ist öffentlich: Viele sind gekommen, Studenten und Professoren, Geflüchtete verschiedenster Herkunft, Menschen aus dem Helferkreis.

Doch nicht nur Gleichgesinnte sind anwesend, sondern auch jene, die ihre Ängste formulieren wollen, die kritisch hinterfragen. Es ist ein Querschnitt der Gesellschaft, der sich hier widerspiegelt bei einem Thema, das alle betrifft.

Soweit die Rückblende. Hinter der Reihe steckte „FAU Integra“. Eingerichtet wurde diese Koordinationsstelle aus Mitteln des interdisziplinären Master-Studiengangs „Ethik der Textkulturen“ am Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturgeschichte von Prof. Christine Lubkoll. Inzwischen wird das Integra-Team vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) finanziert. Es besteht aus Sina Fehr, Eva Knöferl und Timo Sestu, alle drei Absolventen des Master-Studiengangs.

Die „FAU Integra“-Aktivitäten sind vielfältig: Speziell für Geflüchtete, die ein Studium aufnehmen wollen, werden Abendsprachkurse und Tutorien zur Studienorientierung organisiert. Außerdem können Geflüchtete bei einem Schnupperstudium als Gasthörer an Vorlesungen teilnehmen.

Bisher haben mehr als 250 Teilnehmer einen Deutschkurs absolviert, 60 Prozent davon kamen aus Syrien. Zehn Flüchtlinge wurden gar schon so fit gemacht, dass sie seit dem Sommersemester regulär an der FAU eingeschrieben sind.

Zusätzlich wurde ein Tandem-Projekt ins Leben gerufen. Dabei helfen studentische Mentoren Geflüchteten im Alltag, zum Beispiel bei Behördengängen. Bisher konnten etwa 70 Tandempaare und -gruppen gebildet werden. Weitere studentische Initiativen: In der Medizin existiert schon seit 2010 eine Anlaufstelle für Flüchtlinge. Ihr Ziel: Geflüchteten und Asylbewerbern den Zugang zur medizinischen Versorgung erleichtern.

Ein Arbeitskreis „Hausaufgabenbetreuung“ unterstützt in Erlanger Flüchtlingsunterkünften nicht nur Kinder bei den Hausaufgaben, sondern auch Erwachsene beim Deutschlernen (weitere Beispiele für studentische Aktionen siehe Artikel unten).

Zurück zur Vortragsreihe: Im Lauf des Sommers ließ der Besuch stark nach, vor allem seitens der Flüchtlinge. Ein möglicher Grund: Es gab keine Materialien zu den Vorlesungen in den jeweiligen Muttersprachen. Das Alltagsdeutsch aus den Sprachkursen reicht für akademische Vorlesungen wohl vielfach noch nicht aus.

Im kommenden Wintersemester soll sich die Arbeit von „FAU Integra“ fortsetzen. Es gibt bereits jetzt fast 300 Anmeldungen von Flüchtlingen zum Integrationsprogramm „Sprachkurs — Tutorium — Schnupperstudium“. Und weitere 25 Integra-Schützlinge werden ein Studium ban der FAU beginnen.

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