Wohin soll es nach dem Abi gehen?

23.10.2017, 08:00 Uhr
Wohin soll es nach dem Abi gehen?

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Nina hat nach dem Abitur den klassischen Weg gewählt: Sie studiert an der Friedrich-Alexander Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg "Wirtschaftswissenschaften" mit Schwerpunkt "Wirtschaftsinformatik". Auf dem Stundenplan stehen zunächst viele wirtschaftliche Fächer wie Kostenrechnung, Buchführung oder IT und E-Business – wobei die Vorlesungen und Übungen teils auf Deutsch und teils auf Englisch gehalten werden. Ab dem 3. Semester kann man sich dann spezialisieren.

Genau darin sieht Nina auch den großen Vorteil eines Studiums: "Man beschäftigt sich theoretisch mit so vielen Aspekten der Arbeitswelt und kann sich in Ruhe seinen Weg suchen. Man ist nicht schon von Vorneherein auf einen Beruf festgelegt wie bei einer Ausbildung."

Doch was die Aussicht auf gute Karrierechancen mit einem Abschluss in "Wirtschaftswissenschaften" angeht, so sagt sie auch ganz klar: "Nur Studium reicht nicht." Die meisten Unternehmen verlangen von neuen Mitarbeitern möglichst viel Erfahrung. Das bietet ein rein theoretisches Studium nicht. Man sollte sich deswegen dringend um Praktika oder Werkstudentenstellen kümmern.

Nina hat einen Job als Werkstudentin in einem Innovationslabor. Die Arbeit macht ihr Spaß, außerdem kann sie sich Geld dazuverdienen. Denn so ein Studium ist trotz der abgeschafften Studiengebühren nicht billig. Es fallen pro Semester der Beitrag für das Studentenwerk und das Semesterticket an. Hinzu kommen noch Wohn- und Lebenshaltungskosten, wenn man nicht – wie Nina – weiterhin zu Hause wohnt.

Generell empfiehlt die 22-Jährige ein Studium "den Leuten, die Bock haben, nach der Schule noch zu lernen und noch nicht genau wissen, wohin es gehen soll". Bei Ninas Entscheidung für ein "normales" und gegen ein duales Studium spielt noch mit rein, dass ihr auch Freizeit wichtig ist und sie ihr Studentenleben ein bisschen auskosten will. Das funktioniert gut, da "mein Studium nur so anstrengend ist, wie ich es mir mache". Dual Studierende haben hingegen einen straffen Zeitplan.

Keine halbe Sache

Das kann Verena bestätigen. Die 24-Jährige hat ihren Bachelor in "Wirtschaftswissenschaften" in Verbindung mit einer Ausbildung zur "Kauffrau im Einzelhandel" absolviert. Auch für Verena steht nach dem Abitur fest, dass sie studieren möchte. Zunächst arbeitet sie ein Jahr lang, um sich Geld für die Finanzierung ihres Studiums zu verdienen.

Als es dann Zeit ist, sich für ein Studium einzuschreiben, will Verena gar nicht mit dem Arbeiten aufhören. Sie überlegt deswegen nicht lange, als sie im Kleingedruckten der Immatrikulationsunterlagen der FAU auf ein Angebot für den dualen Bachelorstudiengang "Wirtschaftswissenschaften" stößt. Als sie 2012 mit ihrem Studium anfängt, befindet sich das duale Konzept an bayerischen Universitäten allerdings noch im Anfangsstadium.

Zwar ist Verena von der Berufsschule befreit, aber ansonsten absolviert sie ein vierjähriges Vollzeitstudium wie alle anderen Studierenden und dazu eine normale dreijährige Ausbildung – mit Arbeitszeiten auch abends und am Wochenende. Für Freizeit und "das wilde Studentenleben" bleibt da nicht viel Zeit.

"Das ist nichts für wenig belastbare, schlecht organisierte Leute. Man darf auch keine halben Sachen machen", warnt die Studentin, die sich selbst auf die Unterstützung ihrer Familie und Freunde verlassen kann. Für diejenigen, die sich doch für ein duales Studium entscheiden, liegen die Vorteile klar auf der Hand: "Es ist praktisch die perfekte Verbindung zwischen Arbeit und Studium, Praxis und Theorie. Man kann in den Berufsalltag reinschnuppern und seine persönlichen Stärken entfalten."

Künftige Arbeitgeber sehen duale Studienabgänger gern, da sie die gewünschte Berufserfahrung mitbringen. Und finanziell steht man auch auf eigenen Beinen, da man monatlich eine Ausbildungsvergütung bekommt. Ein weiterer Vorteil: Die meisten Ausbildungsbetriebe bieten ihren Azubis auch eine Übernahmegarantie.

Der zweijährige berufsbegleitende Master im "Marketingmanagement" an der FAU in Nürnberg, den Verena nach dem dualen Studium anschließt, ist wesentlich entspannter. Die 24-Jährige arbeitet in Vollzeit bei einem Sportartikelhersteller und geht freitags und samstags in die Uni. Verena ist zufrieden mit ihrer Entscheidung, ihr Job macht Spaß, und im Betrieb erntet sie für ihr paralleles Studium viel Anerkennung.

Verantwortung übernehmen

Einen eher ungewöhnlichen Ausbildungsweg nach dem Abitur hat Marilena gewählt. Die gebürtige Hamburgerin will nach dem Schulabschluss und einem Au-pair-Jahr eigentlich auch studieren. Aber dann wird sie von Familienmitgliedern überzeugt, erst mal eine "bodenständige Ausbildung" zu machen.

Auf einer Jobbörse sucht sie einen passenden Ausbildungsbetrieb im wirtschaftlichen Bereich. Marilena schreibt viele Bewerbungen, unter anderem an ein Nürnberger Familienunternehmen, das mit Saatgut für die Nahrungsmittelindustrie handelt.

Da ihr das Gespräch und die Probearbeit gut gefallen, sagt sie zu und zieht nach Nürnberg. Um einen Platz in der Berufsschule kümmert sich der Betrieb. Nun hat Marilena schon einen Großteil ihrer zweieinhalbjährigen Ausbildung zur "Groß- und Außenhandelskauffrau" hinter sich.

Zwei- bis dreiwöchige Berufsschulblöcke wechseln sich mit der Ausbildung im Unternehmen ab. Die Arbeit macht der Hamburgerin Spaß, da sie schon relativ viel Verantwortung übernimmt und fast eigenständig Warentransporte organisiert.

Was ihr an der Ausbildung gefällt, ist die Möglichkeit, auf eigenen Beinen zu stehen und sich selbst zu organisieren. Die Ausbildungsvergütung reicht aus, um die Lebenshaltungskosten zu decken, und man bekommt "eine Idee vom Leben und vom normalen Arbeitsalltag".

Außerdem ist man vor allem in kleineren Firmen von Anfang an Teil eines Teams und kann die Ergebnisse seiner Arbeit sehen. "Im Studium hingegen muss man sich selbst motivieren" und weiß oft nicht, wofür der ganze Lernstoff gut sein soll.

Marilena empfiehlt eine Ausbildung deshalb allen "praktisch veranlagten Leuten, die die reale Welt kennenlernen wollen und Routine brauchen".

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