Roßtal: Die evangelische Lesart des Sündenfalls

7.7.2015, 06:00 Uhr
Roßtal: Die evangelische Lesart des Sündenfalls

© Foto: privat

Im Juni 1530 bekannten sich Landesfürsten und Patrizier vor Kaiser Karl V. in Augsburg zum evangelischen Glauben, Melanchthon formulierte dazu das Augsburger Bekenntnis, die Confessio Augustana. Den Inhalt derselben versuchten Maler dem Volk in anschaulichen Bildern zu vermitteln. Zwei solche Konfessionsbilder kehrten nun nach viermonatiger Restauration nach Roßtal zurück.

Untermalt wurde der Festakt von zahlreichen Vorträgen wie auch von phantastischen Violinensoli des Virtuosen Florian Meierott. Und auch der Roßtaler Kirchenchor zeigte Flagge mit „Ein feste Burg ist unser Gott“.

Eigentlich sind es sogar drei Bilder. Doch während das dritte Bild — ein Grabepitaph — den auferstandenen Christus zeigt, zeichnen sich die anderen beiden durch ein ausgeklügeltes Bildprogramm aus. Das Gnadenbild des Dürerschülers Hans Springinklee (um 1490-1540) entstand 1524, also noch kurz bevor sich Nürnberg der Reformation anschloss.

Es zeigt eine Architektur mit nicht ganz geraden Säulen (Springinklees Markenzeichen). In der Mitte prangt ein Gnadenstuhl mit Gottvater, dem gekreuzigten Christus und dem Heiligen Geist zu dessen Füßen. Die Ähnlichkeit zum Gnadenstuhl in Dürers Allerheiligenbild ist unverkennbar. Darunter befindet sich eine Abendmahlszene. Links vom Gnadenstuhl sind Adam und Evas Sündenfall zu sehen sowie die versuchte Opferung Isaaks. Rechts Moses mit der ehernen Schlange sowie das Volk im Höllenpfuhl, wie es auf Moses und die Gesetzestafeln starrt.

Ein merkwürdiges Bildprogramm, das Pfarrer Jörn Künne aus protestantischer Sicht entschlüsselt. Die Wurzel des Unglücks sei der Hang zum Bösen, zu Frevel und Untat. Der Versuch, dies durch Befolgen des Gesetzes und der Zehn Gebote einzudämmen, ist zum Scheitern verurteilt. Der Mensch schafft es nicht aus eigenem Antrieb. Ja, die Unbedingtheit der Gebote schreckt ihn, sodass jede kleine Sünde ihn der Höllenangst ausliefert. Dem tritt Gott persönlich entgegen. Einmal, indem er keine übermenschlichen Opfer (Isaak) mehr verlangt, zum anderen durch den Kreuzestod Christi. Der Mensch müsse dies erkennen und Gott nicht fürchten, sondern vertrauen. Dies geschieht im Unteren des Bildes dargestellten Abendmahl „in beiderlei Gestalt“. Soll heißen, dass Brot und Wein gleichermaßen den Gläubigen zuteil wird, während bei der katholischen Eucharistie nur der Priester den Wein trinkt.

Das zweite, später entstandene Bekenntnisbild des Nürnberger Malers Andreas Herneisen (1538- 1610) präsentiert evangelische Formen der Frömmigkeit: Im Mittelpunkt teilen Luther und Melanchthon das Abendmahl aus.

Im Hintergrund sehen wir eine Taufe, die Verkündigung von der Kanzel, ja sogar den Disput zweier Kanzelprediger. Denn konstruktives Streitgespräch macht fit für die Argumentation. Im häuslichen Kreis unterweisen sich die Familienmitglieder gegenseitig untereinander im Glauben, doch der Teufel lauert immer und überall. Also Vorsicht vor falschen Propheten! Eine Schar von Grafen, Kurfürsten und Patriziern der Reichsstädte samt ihren Wappen versinnbildlicht die Bekenner der Confessio Augustana.

Zahllose Retuschen

So eine Restaurierung bereitet ganz schön Arbeit. Die Restauratorin Jutta Minor und ihre Assistentinnen Cornelia Patterson und Bernadette Schramm erzählten bei der Enthüllung von endlosen Diskussionen, vom Entfernen zahlloser Retuschen und Firnisschichten, die sich im Laufe der Jahrhunderte angesammelt hatten.

Nun aber leuchten die Gemälde wieder im ursprünglichen Glanz und werden hoffentlich, mit neuem Speziallack versehen, auch die nächsten Jahrzehnte überstehen.

Freilich, wer die Gemälde bewundern will, muss sich nach der Rückkehr noch etwas gedulden, bedauert Pfarrer Künne. Bis die neue Beleuchtung und die Alarmanlage installiert sind, bleiben die Bilder weggesperrt. Aber in wenigen Wochen hängen sie wieder links und rechts neben der Kanzel.

Keine Kommentare