Senioren ohne Test nicht mehr ans Steuer?

23.10.2014, 16:10 Uhr
Autofahren darf man in Deutschland bis ins hohe Alter, regelmäßige Untersuchungen sind nicht vorgeschrieben. Oft wird Senioren der Führerschein erst dann entzogen, wenn sie bereits einen oder mehrere Unfälle verursacht haben.

© Thinkstock/Rendery Autofahren darf man in Deutschland bis ins hohe Alter, regelmäßige Untersuchungen sind nicht vorgeschrieben. Oft wird Senioren der Führerschein erst dann entzogen, wenn sie bereits einen oder mehrere Unfälle verursacht haben.

Am vergangenen Donnerstag verursachte ein 80-Jähriger bei einem Wendemanöver mitten auf der Staatsstraße zwischen Röthenbach und Lauf einen Unfall. Im sozialen Netzwerk Facebook wurde daraufhin hitzig debattiert, ob Senioren ihre Verkehrstauglichkeit nicht nachweisen sollten. Es war nicht die erste Diskussion zu diesem Thema. Führerscheine sind in Deutschland mittlerweile nur noch 15 Jahre gültig, sie verlängern zu lassen, ist allerdings nur ein Verwaltungsakt.

Laut Bernhard Zunner, dem Leiter der Straßenverkehrsbehörde des Landratsamts Nürnberger Land, steigt die Zahl der Senioren, denen die Fahrerlaubnis entzogen werden muss. Zunners Behörde lädt Autofahrer aus dem Landkreis vor, die laut Polizei nach Unfällen einen verwirrten Eindruck machen oder beispielsweise zwei, drei Mal in Folge geparkte Autos touchieren.

Freiwillig verzichtet niemand

Er hat es noch nicht erlebt, dass ein älterer Autofahrer seinen Führerschein aus Eigeninitiative beim Amt abgegeben hat. „Freiwillig kommt keiner zu uns. Wenn jemand seine Fahrerlaubnis abgibt, dann, weil ohnehin ein Entziehungsverfahren droht. Jeder Fall ist ein großer Akt“, sagt Zunner, „die Senioren wehren sich mit allen Mitteln gegen den Entzug des Führerscheins. Das geht selten ohne Rechtsanwalt“. Die Betroffenen seien schließlich ein Leben lang Auto gefahren. Entsprechend schwer fiele es ihnen, sich vom Führerschein zu verabschieden.

Laut Matthias Link von der Laufer Polizeiinspektion stellt die Generation 65+ statistisch keine Risikogruppe dar. Allerdings: „Wenn Senioren beteiligt sind, ist häufiger die Unfallfolge größer.“ Soll heißen: Oft gibt es schwere Verletzungen oder hohen Schaden bei Unfällen durch oder mit Senioren.

Im Ausland sind Tests üblich

Der Fahrerlehrer Hans Greifen­stein verweist darauf, dass Gesundheitstests für ältere Autofahrer im europäischen Ausland gang und gebe sind. In vielen Nachbarstaaten, von den Niederlanden bis zur Schweiz, sind ärztliche Untersuchungen ab einem gewissen Alter notwendig, wenn die Fahrerlaubnis verlängert werden soll. Greifenstein plädiert dafür, zumindest ab 65 Überprüfungen zu machen und dann Senioren im Abstand von etwa zwei Jahren jeweils ein Gesundheitszeugnis vorlegen zu lassen. „Das würde den Verkehr viel sicherer machen“, glaubt er.

Der Fahrlehrer erzählt von einem Fall, bei dem ein Mann in hohem Alter den Führerschein nicht abgeben
wollte. Nachdem dieser den Seitenspiegel eines geparkten Autos weggefahren hatte, wurde ihm die Fahrerlaubnis für einen Monat entzogen. „Er fährt dennoch weiter“, sagt Greifenstein.

Ob er selbst besonnener wäre, wenn es mit dem Fahren nicht mehr so gut klappt? „Die Frage ist, ob man mit 70 noch vernünftig genug ist, selbst aufzuhören, oder ob da schon der Altersstarrsinn durchkommt“, sagt der 58-Jährige. Im vergangenen Jahr habe er einer älteren Dame ein paar Fahrstunden gegeben. Sie habe schwere Fehler gemacht, doch das Autofahren verbieten könne er ihr nicht. Der Fahrlehrer riet der Seniorin aus Röthenbach, das Auto nur noch für kurze Einkaufsfahrten zu nutzen.

Greifenstein wird deutlich: „Alle, die sich gegen Fahrtauglichkeitstests im Alter aussprechen, sind nicht für Fahrsicherheit.“ Mittlerweile müsse man seinen Führerschein ja beim Amt verlängern lassen. Dies könne man doch einfach mit einem Tauglichkeitstest verbinden.

"Die Politik hat Angst"

Der Laufer ist Vorsitzender der Fahrlehrer im Kreis Hersbruck und sagt, er spräche für alle Mitglieder, wenn er sich für verpflichtende Eignungstest stark macht. „Unsere Verbände tun zu wenig“, sagt er, „und die Politik hat Angst, da geht es ja um große Wählergruppen.“ Das Problem sei die Selbsteinschätzung: „Jeder Deutsche denkt, dass er gut Auto fährt.“

Jürgen Dreyer ist seit Januar dieses Jahres neuer Vorsitzender des Motorsportclubs Röthenbach, der im ADAC organisiert ist. Für alle Vereinsmitglieder möchte er nicht sprechen, aber privat sagt er: „Prinzipiell würde ich es befürworten, dass der Führerschein nicht auf Lebenszeit gilt, sondern dass es Nachprüfungen gibt. Das ist aber auch für Jüngere mal nötig.“ Die wenigsten Autofahrer machten Fahrsicherheitstrainings, die Dreyer nur empfehlen kann. Problematisch findet er dagegen, dass öffentliche Verkehrsmittel gerade auf dem Land nur schlecht verfügbar sind. „Mobilität im Alter ist ein Thema, das man nicht wegdrücken darf“, so Dreyer.

Mancherorts geht es nicht ohne

Das sieht auch Wolfgang Stammler so. Er ist Seniorenbeauftrager der Gemeinde Neunkirchen am Sand. „Es gibt Gebiete, wo man ein Auto braucht“, sagt der 73-Jährige. Gegen Fahrtauglichkeitstests hat er generell nichts einzuwenden, als verbindliches Anfangsalter schlägt er 70 vor. „Alle zwei oder drei Jahre“ sei eine Überprüfung dann schon zumutbar. Stammler geht mit gutem Beispiel voran: Er hat sich im vergangenen Jahr einem Sehtest unterzogen und sich seine Fahrtauglichkeit auch vom Hausarzt attestieren lassen.

Bereits jetzt gilt: Wer Taxi, Bus oder Lastwagen steuert, muss alle fünf Jahre nachweisen, dass er weiterhin fahrtüchtig ist. Ab dem 60. Lebensjahr ist sogar eine verschärfte Untersuchung nötig. „Normale“ Autofahrer sind davon ausgenommen. Ein gutes Argument, das gegen Tests ab einem gewissen Alter spricht, fällt aber weder Greifenstein noch Dreyer oder Stammler ein.

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