Skuriller Streit: Vom Zebrastreifen in den Gerichtssaal

28.3.2015, 16:00 Uhr
Der Angeklagte beteuert, er sei mit 1,5 Promille über den Zebrastreifen gelaufen - der beteiligte Autofahrer tischte eine andere Version auf,

© dpa Der Angeklagte beteuert, er sei mit 1,5 Promille über den Zebrastreifen gelaufen - der beteiligte Autofahrer tischte eine andere Version auf,

"Ich habe gesehen, dass er sehr betrunken war und getorkelt ist, deswegen bin ich langsamer als normal gefahren“, sagte der Angeklagte, der 36-jährige Timo L. (Namen geändert), der in dieser Nacht im letzten Dezember mit seinem Fahrzeug von der Nürnberger Straße in den Lohweg einbog, vor Gericht. "Auf einmal rannte er einfach so auf die Straße und blieb gut eine halbe Minute regungslos vor meinem Auto stehen. Seine Freundin hat ihn dann weiter auf die andere Straßenseite gezogen." Er selbst habe vor der Schranke des Parkhauses angehalten und sei ausgestiegen. "Er hat mir nachgemault - ich habe aber nicht verstanden was - deshalb wollte ich nur fragen, was los ist. Sonst habe ich nichts gemacht."

Der 28-jährige Peter W. und seine Freundin Miriam D. schilderten den Ablauf des Konfliktes anders: So seien sie nicht quer über die Fahrbahn gelaufen, sondern über den Zebrastreifen. Deshalb hätte der Angeklagte bremsen müssen. Anschließend habe er vor der Tiefgarageneinfahrt angehalten, sei ausgestiegen und habe angefangen zu schimpfen. "Ich wusste überhaupt nicht, was los war. Es kann sein, dass ich etwas langsamer über den Zebrastreifen gegangen bin als normal - immerhin hatte ich ja einiges getrunken - aber ich bin weder vor das Auto gelaufen noch stehen geblieben."

Stattdessen habe der Angeklagte grundlos gedroht, sich sein Gesicht zu merken und ihn "kaputt zu schlagen", wenn er ihn erwische. "Ich muss mich nicht von fremden Leuten auf der Straße grundlos so bedrohen lassen, deswegen habe ich die Polizei gerufen." Die Beamten nahmen die Aussagen aller Beteiligten auf, die sich gegenseitig wegen Nötigung anzeigten. Das Verfahren gegen Peter wurde jedoch eingestellt - er stand, wenn überhaupt, nur sehr kurz vor dem Fahrzeug und hatte zudem einen Alkoholpegel von 1,5 Promille. Weil ihn deshalb nur eine sehr geringe Strafe erwartet hätte, bestünde kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung, heißt es in der Begründung. Gegen Timo jedoch wurde ein Strafbefehl über 800 Euro erlassen, gegen den dieser Einspruch einlegte.

Schlug der Angeklagte zu?

Richterin Anja Grammel fand in der Fallakte jedoch etwas seltsames: Ein Schreiben von Peter, in dem er die Anzeige zurückziehen wollte. "Ich wurde bedroht", erklärte er. "Timo hat versucht, herauszufinden wo ich wohne und wie meine Telefonnummer ist." Eines Abends habe er angerufen. "Er wollte, dass wir uns mit ihm an der Tankstelle an der Ostbahn treffen und ein Dokument unterschreiben, dass die Aussage bei der Polizei nicht stimmt", sagte Miriam vor Gericht. "Wir sind natürlich nicht hingegangen."

Allerdings seien sie Timo in einer Bar noch einmal begegnet, in der er Peter geschlagen haben soll - allerdings ohne äußerliche Zeichen zu hinterlassen. "Am nächsten Tag habe ich bei der Polizei einen Gewaltschutzantrag gegen den Beschuldigten gestellt", so der Geschlagene. "In der Verhandlung haben wir uns dann aber geeinigt, deshalb wurde der Antrag aufgehoben."

Über soziale Netzwerke hatten ihn mehrere Leute darauf hingewiesen, dass Timo mit "Vorsicht zu genießen sei" und er die Anzeige "lieber zurückziehen" solle, weil er "sonst in Hersbruck nicht mehr sicher sei". Mit einem Bild von Peters Facebook-Seite versuchte Timo auch dessen Adresse herauszufinden. Screenshots verschiedener Chat-Verläufe bestätigten dies. Dem 28-Jährigen wurde von gemeinsamen Bekannten mitgeteilt, dass sich Timo die 800 Euro aus dem Strafbefehl zurückholen wolle, "ganz egal, wie."

Nach kurzer Beratung mit seiner Verteidigerin zog Timo den Einspruch gegen den Strafbefehl zurück. "Das war haarscharf", gab ihm die Staatsanwaltschaft mit auf den Weg. "Viel hätte nicht gefehlt und Sie hätten einen Haftbefehl wegen Verdunkelungsgefahr bekommen."

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