Als "Eckes" in Hamburg die Kirsche in den Winkel knallte

2.12.2011, 16:07 Uhr
Als

© NN

Wie tief man in den Schubladen der Bundesliga-Geschichte auch kramt: Nürnberger Erfolge gegen den HSV haben Seltenheitswert. Von den zurückliegenden 20 Vergleichen in der Belétage des deutschen Profi-Fußballs entschied der Club nur zwei zu seinen Gunsten. Lediglich gegen den FC Bayern kassierte der FCN mehr Niederlagen (31), gegen keinen anderen Bundesligisten mehr Gegentore (118).

In der vergangenen Saison polierte der 1. FC Nürnberg seine Bilanz gegen die Hamburger zumindest etwas auf. Ende Januar 2011 kamen beide Offensivabteilungen in der Noris nur zögerlich auf Betriebstemperatur. Folglich ging es nach ausgeglichenem ersten Durchgang torlos in die Kabinen.

Simons trifft und assistiert - Cohen sagt Danke

Assistgeber Timmy Simons freut sich bereits. Almog Cohen drückt den Ball zum 2:0-Endstand über die Linie.

Assistgeber Timmy Simons freut sich bereits. Almog Cohen drückt den Ball zum 2:0-Endstand über die Linie. © Zink

Nach einer Stunde duschten die Hausherren die “Rothosen“ dann allerdings eiskalt ab: Markus Mendler schickte mit einem öffnenden Zuspiel Christian Eigler auf die Reise. HSV-Keeper Frank Rost brachte den Unterreichenbacher im Strafraum zu Fall, Timmy Simons den Club vom Punkt aus abgeklärt in Führung. Nur zehn Minuten später folgte die Vorentscheidung: Gojko Kacar musste mit Rot vom Feld. Er hatte den durchbrechenden Robert Mak mit unerlaubter Handarbeit als letzter Mann gestoppt. Den fälligen Freistoß schnippelte Hegeler auf den Gästekasten. Rost lenkte den Ball an den Querbalken. Im Anschluss war der Schlussmann jedoch machtlos: Simons passte die von der Latte zurückprallende Kugel zu Cohen, der aus Nahdistanz Danke sagte und zu seinem ersten Bundesliga-Treffer einschob. Die Club-Fans waren happy. Fast auf den Tag fünf Jahre, nachdem Stefan Kießling durch sein Tor zum 2.1 den letzten Sieg gegen den HSV bewerkstelligt hatte, war ein erneuter Dreier ihrer Lieblinge perfekt.

In der Hinrunde 2010/11 entführte der Club beim bislang letzten Duell an der Elbe immerhin einen Punkt. Nach etlichen vergebenen Großchancen in der ersten Hälfte zirkelte Eigler den Ball an die Latte. Ab der 61. Minute rannte der FCN nach Joris Mathijsens Führungstor zum 1:0 einem Rückstand hinterher. Doch der Club belohnte sich für seinen couragierten Auftritt im Volkspark in der Schlussphase: Julian Schieber wühlte sich durch, fiel im Sechzehner über Rosts ausgestreckte Hände - ein Pfiff, Hamburger Proteste, Elfmeter! Javier Pinola schnappte sich den Ball, verwandelte nervenstark und sicherte seinen Farben am 3. Spieltag den zweiten Zähler.

 

Oenning und Hecking gehen an der Elbe baden

Mit Ausnahme der Vorsaison sorgten jedoch meist die Hanseaten für positive, die Franken für negative Aha-Effekte: In der Spielzeit 2009 /10 geriet der Club gegen die Rauteträger zweimal böse mit 0:4 unter die Räder. Mitte Dezember 2009 stand noch der spätere HSV-Coach Michael Oenning für den Club an der Seitenauslinie. Er beobachtete wie Dennis Diekmeier auf der rechten Seite gegen Marcell Jansen kein Land sah und sein Team zuhause mit 0:4 baden ging. Diekmeier ist immer noch beim Bundesliga-Dino tätig, Oenning nicht mehr. Seinem Nachfolger in Nürnberg erging es in der Rückrunde keineswegs besser: Mladen Petric steuerte zwei Treffer zur herben 0:4-Auswärtsklatsche bei und brachte Coach Dieter Hecking damit unter massiven Druck.

Eine "Zaubermaus" alleine reicht nicht

Auch sonst gab es in der Hansestadt für den FCN meist nichts zu holen. Zum Auftakt der Saison 1993/94 zeigte sich Hamburgs wiedererstarkter Spielgestalter Thomas von Heesen zweimal zielsicher, auf der Gegenseite Sergio Zarate. Die “Zaubermaus“ kam besonders gut aus den Startlöchern. Keine 120 Sekunden waren absolviert, da erzielte Zarate die Gästeführung und den ersten Treffer dieser Spielzeit. Der Argentinier, der nach tollem Alleingang zwischenzeitlich zum 2:2 traf, war in Spiellaune. Seine Teamkollegen im Defensivvverbund waren hingegen von allen guten Geistern verlassen. Mit desolatem Abwehrverhalten lud der Club die Norddeutschen zum Toreschießen ein. So ging es bitter aus: Der HSV schickte den FCN mit einer schmerzhaften 2:5-Schlappe nach Hause.

Rund zehn Jahre zuvor hatte von Heesen ebenfalls getroffen: Diesmal in der Noris beim 6:1-Auswärtssieg des amtierenden Meisters gegen den späteren Absteiger. Die Club-Fans hatten die Demontage ihrer völlig verunsicherten Lieblinge geahnt: Aus Protest gegen die Leistungen der Höher-Truppe in dieser Saison blieb Block 4 im Städtischen Stadion leer. Übrigens: Mit 6:1 hatte der HSV die Franken bereits zwei Jahre zuvor in der Hansestadt verprügelt. Zweifacher Torschütze damals war ein späterer Club-Trainer: Felix Magath.

Als

© Herbert Voll

Sind Glücksmomente gegen den HSV ausgeschlossen? Nein, auch der FCN hatte im Nord-Süd-Duell der Traditionsvereine schon Grund zum Jubeln. Im Mai 1991 behielt er zuhause mit 3:1 die Oberhand. FCN-Angreifer Dieter Eckstein erzielte das 2:0, scheiterte aber in der Schlussminute mit einem Elfer an Hamburgs Keeper Richard Golz. “Eckes“ blieb so ein Doppelpack verwehrt.

Eckstein spurtet Beiersdorfer davon

Knapp ein Jahr später, im Frühjahr 1992, traf Nürnbergs Torjäger vom Dienst im Volkspark ebenfalls. Libero Rainer Zietsch brachte den Club nach einer Viertelstunde im Anschluss an einen Dittwar-Freistoß per Kopf mit 1:0 in Front. In der Folge präsentierten sich die Gäste mannschaftlich geschlossen und konnten sich in Druckphasen des einstigen Europapokalsiegers auf Schlussmann Andy Köpke verlassen. Nach Wiederanpfiff machte Eckstein alles klar: Der Blondschopf sprintete dem Franken Dietmar Beiersdorfer davon und knallte den Ball zum 2:0-Endstand aus Nürnberger Sicht in den Winkel. Die Clubfans jubelten: Es war der erste Sieg nach zuvor 25 unerquicklichen Jahren in Hamburg.

Einige Club-Offensivkräfte feierten gegen den HSV indes gerne Torerfolge in Mehrfach-Ausführung: Im Sommer 2004 reichte aber selbst ein Dreierpack von Marek Mintal nicht aus, um beim turbulenten 3:4 in Hamburg einen Zähler mitzunehmen. Max Morlock, Franz Brungs und Gustav Flachenecker ließen es jeweils zweimal krachen. Als der „Gustl“ 1965 doppelt zur Stelle war, wurde er beim 5:0-Heimsieg gegen die Mannschaft rund um Uwe Seeler nur von einem Mann getoppt: Goalgetter Heinz Strehl markierte alle drei weiteren Treffer des 1. FC Nürnberg im Alleingang.

Ein Endspiel in drei Akten

Das kurioseste Duell fand jedoch 1922 statt: Selbst zwei Partien samt Nachspiel außerhalb des Platzes reichten nicht aus, um im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft einen Titelträger zu küren.

In der ersten Final-Stadt Berlin wirkte das erste Tor der Hamburger als Wachmacher für den 1. FCN, der durch Heiner Träg postwendend mit dem Ausgleich zum 1:1 antwortete. Nach der 2:1-Führung im Rücken schien der dritte Meistertitel schon eingetütet, ehe sich der HSV kurz vor dem Ende der regulären Spielzeit noch in die Verlängerung rettete. Doch hier ließen nicht nur die Kräfte der Spieler extrem nach. Als der Schiedsrichter vor Erschöpfung zusammenbrach, wurde der Final-Fight nach 190 Minuten (!) abgebrochen.  Die Entscheidung sollte einen Monat später fallen - eigentlich ....

Als

© Zink

Bei der Wiederauflage in Leipzig waren keine 20 Minuten Spielzeit auf der Uhr, da stand der Club nach einer Roten Karte nur noch zu zehnt auf dem Platz. Doch nach 90 Minuten war erneut kein Sieger gefunden, sodass es beim Spielstand von 1:1 abermals in die Verlängerung ging. Hier nahm der Irrsinn seinen Lauf: Kugler verlor mehrere Zähne bei einer Kollision mit einem Gegenspieler, auch „Boitl“ Popp schied verletzt aus. FCN-Torschütze Träg wurde vom Platz gestellt. Ergo: Auf dem Feld standen nur noch sieben Club-Akteure, die Regeln schrieben jedoch acht als Mindestanzahl vor. Die logische Konsequenz: Spielabbruch. Auch das Nachspiel am grünen Tisch wogte hin und her, per Münzwurf  wurde der Titelkampf schließlich für Hamburg entschieden - doch der HSV verzichtete in diesem Fall auf die Meisterschaft.

 

 

Verwandte Themen


Keine Kommentare