Als "Hasi" das Kleeblatt in einer Minute verputzte

11.8.2014, 05:59 Uhr
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© Archivfoto: Friedl Ulrich

Es schneit in Fürth. Im schwül-heißen August 2014 unvorstellbar, im Februar 1963 Realität. Der Ronhof klirrt vor Kälte. Das 188. Frankenderby — das letzte vor Etablierung der Bundesliga — geht bei Gefrierschranktemperaturen über die Bühne.

2000 Mark hat das Kleeblatt investiert, um die heimische Spielwiese vom Schnee zu befreien. Doch der Himmel sorgt für reichlich Nachschub. Schiedsrichter Kurt Tschenscher pfeift die Partie trotzdem an. Zum Glück! Dieses Derby wird als eines der "schönsten und torreichsten in die lokale Fußballgeschichte eingehen".

Die Spielvereinigung startet zweikampfstark und couragiert, stürzt den FCN mit vehementen Angriffsanstrengungen von einer Verlegenheit in die nächste. Dass die Fürther ihr eklatantes Chancenplus nicht in die Führung ummünzen, rächt sich in der 40. Minute: Dachlauer bringt seinen bis dahin arg unterkühlten Club in Front.

Nur drei Minuten später geht der Jubel der Nürnberger Fans allerdings in eisiges Schweigen über: Schlussmann Wabra stürzt aus dem Kasten, fällt im Sechzehner Schmidt. Der Kleeblatt-Kapitän bleibt vom Punkt cool — 1:1 zur Pause.

Nach dieser wärmen gleich sechs weitere Tore die Zuschauer. Vier für die Gäste, zwei für die Spielvereinigung. Ausschlaggebend, dass der Club den Schlagabtausch mit 5:3 für sich entscheidet, werden die beiden nächsten Treffer. Erzielt binnen 60 Sekunden. Von einem jungen Mann, der es in dieser Saison regelmäßig klappern lässt.

In der 53. Minute nimmt Kurt Haseneder den Ball an der Strafraumgrenze an, jagt ihn aus der Drehung in den Winkel. Gegen schockgefrostete Fürther legt der stämmige Stürmer prompt nach — diesmal mit Köpfchen. Mit seinem dunklen Schopf verwertet er eine Hereingabe handlungsschnell. Für den kleingewachsenen Knipser — von Freunden und Kollegen "Hasi" oder "Muckl" genannt — ist es ein normaler Arbeitsnachweis. In der letzten Spielzeit der Oberliga Süd gelingt Hasenender fast alles. Vor der Endrunde wird er wie Sechzigs Brunnenmeier 24 Buden auf dem Konto haben, im Süden damit Torschützenkönig.

Auch beim einseitigen Frankenderby in der Hinrunde fackelt der gebürtige Nürnberger nicht lange. Im September 1962 — im altehrwürdigen Zabo also — fertigt der Vizemeister den viel zu passiven Lokalrivalen 5:1 ab. Haseneder ist es, der den FCN bereits in der fünften Minute ins Vordertreffen bringt. Nachdem Strehls Flugkopfball an einem Gegenspieler abgeprallt ist, staubt der in St. Johannis aufgewachsene Instinktfußballer zum 1:0 ab.

1963 stürmt der zweckige 21-Jährige das dritte Jahr für die 1. Mannschaft. Und es läuft. 1954 von Leo Leupold zur Club-Jugend gelotst, 1960 von Trainer Herbert Widmayer in die Erstvertretung befördert, braucht der durchsetzungsstarke Youngster fast keine Anlaufzeit. 1961 ist er Nürnbergs Benjamin, als sich der FCN den achten Meistertitel auf den Briefkopf druckt.

Im Finale gegen Dortmund platziert er in der sechsten Minute einen Flugkopfball sehenswert im Netz, bringt den Club damit auf die Siegerstraße. Auch ein Jahr später, als die fränkische Fußball-Macht im Pokal den nächsten Triumph folgen lässt, trifft Haseneder. Beim 2:1 im Endspiel gegen Düsseldorf verantwortet er den Ausgleich.

"Flucht" nach Augsburg

Hasi und der FCN: Nach der Sahne-Saison 1962/63 scheint die Verlängerung der Vorzeigebeziehung allenfalls Formsache. Doch es kommt anders. Völlig anders in diesem Sommer 1963. Mit 21 Jahren erteilt der Hochbegabte der frisch gegründeten Bundesliga eine Absage, wechselt, flieht fast schon zu Schwaben Augsburg — in die zweitklassige Regionalliga Süd.

Die Gründe sind nebulös: Die berufliche Perspektive, die Liebe, ein stolzes Handgeld sollen den Shootingstar in die Fuggerstadt getrieben haben, heißt es hier. Ein Zerwürfnis mit Widmayer, mit Club-Granden früherer Jahre, heißt es dort. Auch in Augsburg schießt sich Haseneder ins Kollektivgedächtnis einer ganzen Stadt.

1964 kann sich Franz Beckenbauer davon überzeugen. In diesem Jahr fährt der Vollblutstürmer mit dem jungen FCB-Strategen und seinen Spielkameraden in der Rosenau Schlitten. Beim 7:2-Pokalcoup lässt der heute 72-Jährige Bayern-Torhüter Sepp Maier viermal alt aussehen — in einem außergewöhnlichen Spiel.

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