Besiktas zwischen Himmel und Hölle

5.5.2016, 13:30 Uhr
Besiktas zwischen Himmel und Hölle

© dpa

Besiktas Istanbul ist unter den Fußballclubs in den Partnerstädten der international prominenteste – mit 13 Meister- und neun Pokaltiteln in der türkischen Süper Lig. Auch aktuell macht der Club Furore: als heißer Meisterschaftskandidat mit einer Mannschaft, gespickt mit elf Nationalspielern und einem Transfer-Marktwert von 118 Millionen Euro. Der Star des Teams ist hierzulande zur Zeit wieder sehr populär: Mario Gomez, bester ausländischer Torjäger aller Zeiten bei Besiktas. Drei Spieltage vor Schluss steht Besiktas an der Tabellenspitze, gefolgt vom Stadtrivalen Fenerbahce. Und am 8. Mai geht es gegen den Sechsten Galatasaray – mit dem deutschen Nationalspieler Lukas Podolski. In den letzten beiden Spielen warten als Gegner dann mit Osmanlispor und Konyaspor der Fünfte und der Dritte der Tabelle – also alles andere als leichte Brocken. Fenerbahce hat es da gegen Istanbul Basaksehir (4.), Genclerbirligi (9.) und Sivasspor (17.) – zumindest auf dem Papier – leichter. Den Titel hat Besiktas also noch lange nicht in der Tasche.

Deutsche Spuren

Das deutsche Element hat beim ältesten Sportverein der Türkei – wie die Spvgg Greuther Fürth im Jahr 1903 gegründet – tiefe Spuren hinterlassen. So führte Christoph Daum als Trainer den Verein 1995 zur Meisterschaft. Karl-Heinz Feldkamp, Hans-Peter Briegel und Bernd Schuster folgten ihm als Coach nach. Der ehemalige Hoffenheimer Andreas Beck spielt heute noch seinem deutschen Mittelstürmer die Pässe zu, aber auch der gebürtige Forchheimer und frühere Kleeblatt-Spieler Roberto Hilbert (heute Bayer Leverkusen) kickte drei Jahre in der türkischen Metropole.

Der zwölfmalige deutsche Nationalspieler hat „fast nur gute, tolle Erfahrungen“ in Istanbul gemacht. Hilbert: „Es war schon etwas Besonderes, diese Fan-Kultur zu erleben. Istanbul ist eine geile Stadt – und die ganze Arena eine einzige Fan-Kurve. Stimmung total – wie zwischen Himmel und Hölle. Eine andere Welt mit mehr Druck – von den Fans und von der Öffentlichkeit.“ Zuweilen schwappen die Emotionen über. So musste im September 2013 das Lokalderby gegen Galatasaray in der Nachspielzeit abgebrochen werden, weil Besiktas-Anhänger auf dem Spielfeld die Polizei mit Plastikstühlen bewarfen. Die Folge: Besiktas musste vier Heimspiele vor leeren Rängen bestreiten. Die Fans halten im Übrigen hinsichtlich der bei Fußballspielen erzeugten Lautstärke den Weltrekord von 141 Dezibel, gemessen beim Heimspiel im Mai 2013 gegen den Liga-Rivalen Genclerbirligi. Mit einem Kostenaufwand von 125 Millionen Euro ist die neue Vodafone-Arena am Ufer des Bosporus entstanden, die 41 900 Zuschauer fasst und am 11. April eingeweiht wurde. Schon werden Wetten darauf abgeschlossen, ob sich dort die Lautstärke noch steigern lässt . . .

Besiktas Istanbul ist ein Verein, der anders ist als andere. Das zeigt sich zum einen im sportlichen Bereich. So erreichte Besiktas als einziger türkischer Verein in der Süper Lig eine Meisterschaft ohne eine einzige Niederlage. Und Besiktas ist auch der bisher einzige Club, der es geschafft hat, mit seinem Kader allein die türkische Nationalmannschaft in einem Länderspiel (am 16. Mai 1952 gegen Griechenland) zu stellen. Der nationale Fußballverband verlieh deshalb dem Verein die türkische Flagge auf dem Emblem. Doch auch politisch setzte Besiktas Zeichen. So war die Fan-Gruppierung Carsi eine der treibenden Kräfte bei den Protesten gegen Recep Tayyip Erdogan am Istanbuler Taksim-Platz.

Der auch in Erlangen durch mehrere Besuche bekannte frühere Bürgermeister Ismail Ünal war vor seiner Amtsübernahme Generalsekretär des Fußballclubs gewesen. Auch er repräsentierte die Opposition: Bei der letzten Wahl haben nur 15,3 Prozent der Wahlberechtigten aus dem Stadtteil Besiktas der Regierungspartei AKP ihre Stimme gegeben. Tumulte gab es übrigens auch im Rahmen der Einweihung des neuen Stadions. Ausgerechnet Präsident Erdogan nahm die Zeremonie vor – allerdings vor leeren Tribünen, nur im Beisein ausgesuchter Prominenter und Honoratioren. Am nächsten Tag warfen Tausende von wütenden Fans Flaschen auf Polizisten – und die setzten Wasserwerfer und Tränengas ein.

Skandale und Finanzen

Nicht unterschlagen werden dürfen die dunklen Zeiten des Vereins. Wegen finanzieller Schwierigkeiten und wegen eines Manipulationsskandals – was eine zeitweilige Inhaftierung des damaligen Trainers Tayfur Havutcu nach sich zog – verhängte die Kontroll- und Disziplinarkammer der UEFA über Besiktas ein Startverbot für den europäischen Wettbewerb in den Jahren 2012/13 bzw. 2013/14.

 

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