Der Kapitän im Interview: Caligiuri spricht Klartext

10.10.2016, 11:35 Uhr
Mehr als 100 Spiele absolvierte Marco Caligiuri bereits für das Kleeblatt.

© Sportfoto Zink / WoZi Mehr als 100 Spiele absolvierte Marco Caligiuri bereits für das Kleeblatt.

NZ: Herr Caligiuri, eine Woche nach Stuttgart, ist das Debakel schon ver­daut, analysiert und abgehakt?

Marco Caligiuri: Jeder Spieler hat die­se Partie noch am gleichen Abend mit sich ausgemacht. Wir sind alle sehr selbstkritisch mit dem Spiel und unse­rem Auftritt umgegangen.

NZ: Hatte das Spiel zuvor, als man gegen Sandhausen quasi in letzter Sekunde den Ausgleich kassiert hat, doch mehr Spuren hinterlassen als zunächst angenommen?

Caligiuri: Es ist ein derber Tiefschlag, wenn man in der 93.Minute zwei Punkte verliert. Aber wir sollten auch nicht vergessen, dass wir in der zwei­ten Hälfte gegen Sandhausen sehr gut gespielt und zuvor in Nürnberg beim Derbysieg als Mann­schaft sehr gut funktio­niert haben. Das sollte uns einen in der Vor­bereitung auf das nächste Spiel gegen Heidenheim.

NZ: Bislang zeigte die Mannschaft stets eine gute Reaktion auf Schwä­chephasen. Braucht die Fürther Elf immer Negativerlebnisse, um gestärkt daraus hervorzugehen?

Caligiuri: Das ist schon sehr auffällig. Es geht darum, dass jeder Einzelne lernt, wie man als Mannschaft so etwas wie Boshaftigkeit an den Tag legt, gerade dann, wenn man ein gutes Ergebnis erzielt hat. Das ist ein The­ma, das wir bereits angegangen sind, es ist aber für jeden Spieler die nächs­ten Wochen, Monate, ja in der ganzen Karriere wichtig.

Chancenverwertung ein Manko

NZ: Der Kern des Kaders wurde im Gegensatz zu früheren Jahren diesmal beinahe komplett gehalten. Wie ist es da zu erklären, dass es derartige Leis­tungsschwankungen gibt?

Caligiuri: Es geht um kurz- und lang­fristige Ziele des Vereins und darum, darauf hinzuarbeiten. Ein gutes Ergebnis muss man genauso abhaken wie ein negatives Spiel. Dieses Thema begleitet jede Mannschaft im deut­schen Profifußball, außer vielleicht den FC Bayern, Dortmund und mit Abstrichen Leverkusen. Nachhaltig­keit gelingt im Fußball nur bedingt. Ein großes Ziel bleibt das trotzdem.

NZ: War der Auftritt in Stuttgart nicht ein großer Rückschritt?

Caligiuri: Ich war der Meinung, dass wir einen Schritt weiter wären. Natür­lich war auch ich da enttäuscht, dass es nun doch nicht so ausgesehen hat. Aber wir haben analysiert, aufgearbei­tet, und wir haben ja bereits bewiesen, dass wir es besser können.

NZ: Ebenfalls auffällig ist die schwa­che Chancenauswertung. Warum ist diese Inkonsequenz seit dem Amtsan­tritt von Stefan Ruthenbeck vor knapp eineinhalb Jahren nicht in den Griff zu bekommen?

Caligiuri: Es geht vorne, aber auch hin­ten um Konsequenz. Es hängt damit zusammen, dass wir als Mannschaft zusammen immer weitermachen müs­sen, die Gier behalten, eigene Ziele for­mulieren und die des Vereins zu verfol­gen. Nur so geht es.

"Egos muss man hintenan­stellen"

NZ: Klingt fast so, als wäre die Egos im Team etwas zu sehr ausgeprägt?

Caligiuri: Jeder hat seine eigenen The­men, die er mit sich selbst ausmachen muss. Wir können aber nur als Mann­schaft funktionieren, und nur gemein­sam kann auch jeder Einzelne seine Ziele erreichen. Egos muss man da hintenan­stellen. Jeder muss sich reinschmeißen, offen­siv wie defensiv. Jeder muss sich bewusst sein, dass wir nur als Mann­schaft erfolgreich sein können.

NZ: Zuletzt standen gerade auch die Führungsspieler in der Kritik. Sehen Sie sich da als dienstältester Profi in der Pflicht?

Caligiuri: Auf das Wort eines erfahre­nen Spielers wird immer Wert gelegt. Als letztes Glied in der Kette ist es für mich nur manchmal schwer, Spieler ganz vorne zu erreichen. Wenn jemand die Chance hat, in der zweiten Liga zu spielen, noch dazu vor so einer Kulisse wie in Stuttgart, muss sich jeder Spieler selbst in die Pflicht neh­men.

NZ: Gibt es in Fürth zu wenig Typen, zu wenig Charaktere, die auch mal dazwischenhauen?

Caligiuri: Ganz klar nein, das ist mir zu einfach. Warum müssen wir nach einem Spiel in Stuttgart die Frage stel­len, ob Führungsspieler zu leise sind? Nach Siegen wie gegen 1860, Aue und Nürnberg hat das auch niemand in Frage gestellt. Und jetzt soll es auf ein­mal nicht mehr so sein? Klar, das 0:2 kreide ich mir an. Ein Denkfehler, weil ich mir im Zweikampf zu sicher war, so etwas geht nach hinten los. Aber es ist ja nicht so, dass ich nicht mehr dazulernen darf.

Mittelmaß ist keine Option

NZ: Die Gegentorflut wollte man als ein Ziel in dieser Saison eindämmen. Warum ist Fürth dennoch noch immer eine der Schießbuden der Liga?

Caligiuri: Wenn man als Team vom Stürmer bis zum Torwart gut funktio­niert, einander unterstützt und aufop­ferungsvoll kämpft, kriegt man wenig Gegentore. Das können wir, das haben wir schon bewiesen. Sobald sich aber auch nur ein Spieler raus­nimmt, ob bewusst oder nicht, reicht es schon nicht mehr und führt zu so etwas wie Auflösungserscheinungen.

NZ: Muss man sich in Fürth womög­lich auch mal mit Mittelmaß abfinden?

Caligiuri: Jeder sollte zunächst nur auf sich konzentriert sein, auf das Training jeden Tag, auf den nächsten Gegner. Alles andere muss man als Profi ausblenden und sich nur damit beschäftigen, wie man den nächsten Gegner besiegt. Man holt nicht mehr Punkte, wenn man darüber spricht. Man muss es einfach machen. Zusam­men.

NZ: War Stuttgart insofern nur ein Denkzettel?

Caligiuri: Jeder ist sich doch bewusst, wie eng es in dieser Liga zugeht. Es kann schnell in beide Richtungen gehen. Wenn jeder für den anderen da ist, in jedem Moment des Spiels, dann hoffe ich, dass Stuttgart nur ein Warn­schuss war.

 

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