Der Kommentar: Heckings Abgang ist verständlich

22.12.2012, 21:51 Uhr
Arbeitet künftig in Wolfsburg: Dieter Hecking.

© dpa Arbeitet künftig in Wolfsburg: Dieter Hecking.

Vor exakt drei Jahren, am 22. Dezember 2009, hatte Hecking beim Club angeheuert, als Nachfolger für Michael Oenning. Drei Jahre - für einen Verein, der seit seiner Gründung nunmehr 65 Trainer verschlissen hat, eine tatsächlich außergewöhnlich lange Zeit. Mit seiner unaufgeregten Art hatte der Polizist aus Westfalen gut zu diesem ersten Fußballclub der Stadt gepasst. Der Club, der früher in Deutschland als Rekordmeister bekannt war, in seiner jüngeren Vereinsgeschichte aber eher durch Entlassungen, Skandale und rekordverdächtige Abstürze Schlagzeilen gemacht hatte.

Den fränkischen Pessimismus lehnte Hecking genauso ab wie die im Überschwang oft überbordende Euphorie seiner treuen Anhänger, zu der sich mitunter auch gerne der zwischenzeitliche Verlust jeglichen Sinnes für die Realität gesellt.

Doch eben diese Realität sah unter Hecking meist sehr gut aus: In seiner ersten Saison in Nürnberg verhinderte er aus fast schon aussichtsloser Situation den Abstieg, im zweiten Jahr schaffte er sensationell Rang sechs, im dritten Jahr wiederholte er diesen Erfolg mit einem ebenfalls erstaunlich guten Platz zehn. Gemessen am Kader und den Mitteln des chronisch klammen Club ist das eine Erfolgsbilanz – eine Bilanz, die direkt in Richtung des große Ziels weist: die Etablierung in der Bundesliga.

Enttäuscht? Zu Recht!

Sachlichkeit, Ruhe, Zuverlässigkeit, Stabilität – für diese Werte steht Hecking, und diese Werte waren es, mit denen Hecking den Club sicher durch diverse (Ergebnis)-Krisen führte – zuletzt im Herbst. Der plötzliche Abschied aus Nürnberg mag da so gar nicht ins Bild passen. Keine Frage: Einen mit 20 Punkten noch längst nicht gesicherten Verein mitten in der Saison im Abstiegskampf zu verlassen, zeugt nicht von Größe. Der Wechsel zu einem mit 19 Punkten knapp dahinter rangierenden Konkurrenten schon gar nicht. Die Enttäuschung vieler Fans ist verständlich.

Aber ist ihm die Entscheidung übelzunehmen? Trotz des Tabellenstands ist Wolfsburg kein Kellerkind der Liga, sondern dank VW einer der finanzkräftigsten Vereine in Deutschland. Der Konzern schießt schließlich Jahr für Jahr Millionen in diesen alles andere als attraktiven (Betriebssport-)Verein. Das ist nicht fair, in der sich aber sonst für ihren so fairen Wettbewerb rühmenden Bundesliga jedoch schon längst Realität.

Die Mittel, die ihm der Autokonzern zur Seite stellt, sind folglich mit denen des FCN nicht zu vergleichen. Jedes Jahr aufs Neue die besten Spieler abzugeben – das wird Hecking in Wolfsburg so schnell nicht passieren. Mit Klaus Allofs hat Hecking künftig zudem einen der besten Bundesliga-Manager an seiner Seite. Die sportlichen Perspektiven, die der VfL besitzt, sind deutlich höher als die des FCN, auch auf das monatliche Salär des Cheftrainers wird dies zutreffen. Und nicht zuletzt wohnt Heckings Familie unweit von Wolfsburg - summa summarum eine ganz Latte von guten Gründen für einen Wechsel, denn für just solch einen Fall hatte sich Hecking schließlich auch eine Ausstiegsklausel in seinen Vertrag schreiben lassen.

Martin Bader ist gefordert

Übelzunehmen ist Hecking der Abgang nicht. Das üble Spiel betreibt vielmehr der VfL Wolfsburg, der dank seines potenten Sponsors einem direkten Rivalen mitten im Spiel den Trainer wegschnappt. Lösungen für sportliche Probleme werden dort nicht mit Weitsicht, sondern mit Geld gelöst. Die Mär vom fairen Wettbewerb in der Bundesliga ist damit mal wieder ad absurdum geführt, die Herren in der DFL müssen sich fragen lassen, warum das Regelwerk einen solchen Deal - und die Existenz von Werksmannschaften trotz der "50-plus-eins-Regel" - überhaupt gestattet.

Und nun? Zurück bleibt der Club. Der mal wieder schmerzlich erfährt, wie es ist, wenn ein größerer Verein mit den Geldscheinen wedelt. Und der nun plötzlich statt ruhiger Weihnachten eine große Baustelle hat. Doch Heckings plötzlicher Abgang muss kein Tiefschlag, sondern kann auch ein Neuanfang sein – zum Beispiel in Richtung mehr spielerischer Glanz, den manch Fan gelegentlich vermisste. Alle Augen sind jetzt auf Sportvorstand Martin Bader gerichtet. In der Vergangenheit hatte er bis auf die Ausnahme Thomas von Heesen ein glückliches Händchen bei der Trainerfrage. Hoffentlich ist es dieses Mal genauso. 

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