DFB ermittelt: Chaos-Club TSV 1860 München in Trümmern

31.5.2017, 18:25 Uhr
In der 80. Spielminute eskalierte die Situation in der Allianz Arena völlig.

© Andreas Gebert, dpa In der 80. Spielminute eskalierte die Situation in der Allianz Arena völlig.

Randale, Rücktritte, Ratlosigkeit: Der einst so stolze Fußball-Traditionsverein TSV 1860 München liegt nach dem von schlimmen Fan-Ausschreitungen überschatteten Absturz aus der 2. Liga in Trümmern. Eine ohnehin chaotische Saison endete mit skandalösen Begleitumständen und Rätselraten über den schwierigen Neubeginn. Im Mittelpunkt der Spekulationen steht der unberechenbare und mit seinen kühnen Visionen krachend gescheiterte Investor Hasan Ismaik.

"Unsere erste Aufgabe ist es jetzt, einen konkreten Plan für die Zukunft zu machen", teilte der Verein mit und versicherte: "Mit dem Fall Dritte Liga haben wir uns bereits befasst." Aber wer setzt die Planungen fort und um? Präsident Peter Cassalette trat direkt nach dem beschämenden 0:2 (0:2) im Relegations-Rückspiel gegen den aus der vierten Liga nach oben durchmarschierten SSV Jahn Regensburg zurück. Geschäftsführer Ian Ayre war schon vor dem Spiel geflüchtet. Und der mit großen Ambitionen angetretene Trainer Vitor Pereira erklärte sein ambitioniertes "Projekt" für gescheitert und hielt im Pressesaal eine Art Abschiedsrede - freilich ohne klares "Servus".

Die Schlussbilder waren besonders beschämend für jene 1860-Fans, die dem Verein stets die Treue halten, gemäß dem Motto: "Einmal Löwe, immer Löwe." Über 60.000 Zuschauer füllten am Dienstagabend die Allianz Arena. Sie sahen die Tore der klar besseren Regensburger von Kolja Pusch und Marc Lais. Ein gewaltbereiter Teil der Anhänger versuchte nach 80 Minuten, einen Spielabbruch zu provozieren. Stangen und Sitzschalen flogen auf das Spielfeld.

Ismaik will weitermachen - und die Fans?

Schiedsrichter Daniel Siebert (Berlin) unterbrach die Partie erst und brachte sie dann ohne größere Personenschäden über die Bühne. Zehn Polizisten wurden leicht verletzt. Der DFB-Kontrollausschuss nahm Ermittlungen auf, 1860 droht eine harte Bestrafung. Jahn-Torwart Philipp Pentke bezeichnete die Vorkommnisse ein "Unding". Er stand im Tor vor der 1860-Kurve, aus der immer wieder Gegenstände flogen.

Am Tag nach dem schwarzen Dienstag für 1860 warteten alle gespannt auf die Reaktion von Ismaik. Beim Abstieg war er nicht im Stadion, sondern auf Tauchstation. Der Jordanier hatte versichert, auch in der 3. Liga weiterzumachen. Ob das noch Jubel bei 1860-Fans auslöst?

"Auf allen Ebenen gescheitert"

Ismaik hat in den vergangenen Jahren Präsidenten, Trainer, Manager und Spieler verschlissen. Als Fußball-Laie hat er mit seinem vielen Geld keines seiner Märchenschlösser aus 1001 Nacht (Europapokal und ein eigenes Stadion) realisieren können. "Alles, was ich in den vergangenen Jahren unternommen habe, um den Verein voranzutreiben, ist auf allen Ebenen gescheitert", urteilte er selbst vor dem verlorenen Endspiel. "Grundlegende Änderungen" kündigte er an.

Der wild zusammengekaufte Kader wird auseinanderfallen. "Wir waren nie zu hundert Prozent die Mannschaft, die wir sein sollten", gestand Routinier Michael Liendl. "Wir haben heute gesehen: wir sind eine Mannschaft - und 60 nicht", sagte Pentke, ein ehemaliger Sechziger.

13 Jahre nach dem Bundesliga-Abstieg hat der deutsche Meister von 1966 einen neuen Tiefpunkt in seiner bewegten Geschichte erreicht. Nach 24 Jahren sind die "Löwen" wieder drittklassig. Das ganze Ausmaß des Desasters wird in einem Fünffach-Abstieg deutlich: Profis, U21, U19, U17 und U16 spielen künftig alle eine Klasse tiefer.

"Es ist schwer hier zu arbeiten"

Sogar der gefeierte Jahn-Coach Heiko Herrlich äußerte Worte des Mitleids. "Mir tut es im Herzen weh, was hier bei 1860 passiert", sagte der Ex-Nationalspieler. Herrlich fügte aber auch hinzu: "Es ist schwer, unter den Rahmenbedingungen hier zu arbeiten."

Der erst im April vom FC Liverpool gekommene Geschäftsführer Ayre begründete seine überraschende Kündigung im «Liverpool Echo» dann auch mit einem Richtungsstreit der 1860-Anteilseigner. Ismaik und der Verein hätten keine gemeinsame "Vision für den Verein" gehabt. Die Uneinigkeit hätte ihm eine Weiterarbeit unmöglich gemacht.

Die sportliche Verantwortung übernahm Trainer Pereira. "We go to the top", lautete sein Versprechen beim Amtsantritt im Winter. Wenige Monate später ist er mit 1860 ganz unten gelandet. "Bei mir bleibt ein großer Schmerz", sagte der ehemalige Meistercoach des FC Porto und sagte: "Ich habe ein gutes Gewissen, ich habe alles gemacht."

Den Neubeginn muss neues Personal bewerkstelligen. Ob 1860 auch in der 3. Liga Mieter in der riesigen Arena des ungeliebten FC Bayern bleibt, ist nur eine Frage. Das TV-Geld schrumpft auf eine Millionen Euro. Macht Ismaik frisches Geld locker? Klar ist: Die Zeit drängt. Die 3. Liga startet am 21. Juli. Dann heißen die 1860-Gegner FSV Zwickau oder SG Sonnenhof Großaspach.

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