Die Hockey-Hoffnung: Mach's noch einmal, Wesley!

4.8.2016, 12:34 Uhr
Die Hockey-Hoffnung: Mach's noch einmal, Wesley!

© Foto: Sportfoto Zink

Die sonore Stimme seiner Mutter Susa wird man aller Voraussicht nach auch in Rio hören. Mama und Papa Wesley ließen es sich nicht nehmen, zu den Spielen in der brasilianischen Metropole am Zuckerhut mitzufliegen. So etwas erlebt man schließlich nicht alle Tage, und schon gar nicht, dass der eigene Sohn bereits zum zweiten Mal hochdekoriert gefeiert werden könnte.

Noch ist diese Vorstellung von rauschenden Festen, vielen Autogrammen und einer um den Hals baumelnden Medaille für Wesley, seine Eltern und die daheim geblieben Freunde, Kumpels und Weggefährten vom Nürnberger HTC weit weg. Noch ist das erste Spiel nicht gespielt, noch lässt sich nicht erkennen, ob die deutsche Hockey-Nationalmannschaft einmal mehr pünktlich zu einem Großereignis zu Höchstform aufläuft. Überraschend wäre es nicht. Wesley und Co. ist alles zuzutrauen - in jeder Hinsicht.

Die Hockey-Hoffnung: Mach's noch einmal, Wesley!

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Dem Team um Kapitän Moritz Fürste, der seit Jahren mit Wesley das Zimmer teilt und als einer der wenigen wohl noch häufiger als der Nürnberger am Handy hängt und in den diversen sozialen Netzwerken zu Hause ist, stand auch vor den Spielen London vor vier Jahren nur im erweiterten Kreis der Favoriten. Das liegt daran, dass die Weltspitze im Hockey sehr eng zusammenliegt und deshalb häufig Tagesform, Glück oder Pech das entscheidende Zünglein an der Waage spielen. Zudem aber zeigt sich die deutsche Mannschaft zwischen den olympischen Wettkämpfen fast schon traditionell nicht immer auf der Höhe und verliert Spiele, die sie nicht unbedingt verlieren müsste.

Nun haben Hockeyspieler aber weit weniger Druck als etwa Profifußballer. Die Öffentlichkeit interessiert sich nur bei den Olympischen Spielen für sie. Wer in Deutschland den Krummstock schwingt, kann also locker aufspielen - und das entspricht Christopher Wesleys Charakter. Der Mann mit der adrett sitzenden Frisur ein Freigeist, auf und neben dem Platz. Wobei er sich verändert hat in den letzten Jahren.

Auf dem Platz trägt der seit Juni 29-Jährige als zentraler Mittelfeldspieler große Verantwortung, er ist der Denker und Lenker, er muss Situationen schneller als andere erkennen und Lösungen finden. Aus dem einstigen Partybiest und Feiermonster ist ein verlässlicher Verrückter geworden. "Christopher kann in jedem Spiel den Unterschied ausmachen, weil er eben unberechenbar ist", findet Bundestrainer Valentin Altenburg.

Ein Satz wie ein Adelstitel. Wobei Wesley, der inzwischen tatsächlich eine feste Freundin hat, seine Ziele ernsthaft und extrem engagiert verfolgt. In Vorbereitung auf Rio absolvierte er sein persönliches Fitnesstraining, ging mal laufen, mal in den Kraftraum. Und dafür war nicht einmal ein Tritt in den Hintern nötig. "Wer Leistungssport macht, muss davon überzeugt sein", hat er erkannt. Vor London war das noch ganz anders, da musste ihn sein Freund und Nationalmannschaftskapitän Max Müller anstacheln. "Ohne Max hätte das nicht funktioniert", sagte er damals in dieser rauschenden Sommernacht, als die beiden Nürnberger Gold-Jungs hochdekoriert aus der englischen Hauptstadt heimgekehrt waren und sich im Vereinsheim an der Siedlerstraße im Kreise ihrer Liebsten feiern ließen.

"Ich hätte nie gedacht, dass Olympia so etwas Großes ist", resümierte Wesley damals nach Gold und vielen magischen Momenten in London. "Das war Wahnsinn." Der kleine Christopher, der früher bei den Lehrgängen der Nachwuchsnationalteams als einer der wenigen aus dem Süden Deutschlands immer schief angeschaut worden war, hat sich längst etabliert in der großen Hockey-Welt. Es sind Erfahrungen, die ihn reifer gemacht haben. Sein Studium der Medizintechnik hat er für nicht wenige Menschen überraschend im April abgeschlossen, der Einstieg in die Berufswelt rückt näher. "Bewusster wahrnehmen als London" will Wesley die Eindrücke in Rio. Und natürlich mit einer Medaille zurückkommen. Seine Eltern wären sicherlich wieder die ersten Gratulanten . . .

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