Die Siebziger – als die Bundesliga ihre Unschuld verlor

23.7.2012, 12:32 Uhr
Die Siebziger – als die Bundesliga ihre Unschuld verlor

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Die Siebziger – das waren überaus bewegte Zeiten in der Fußball-Bundesliga. Die „Fohlen“ von Borussia Mönchengladbach gewannen in jenem Jahrzehnt fünfmal die Meisterschaft, Bayern München dreimal – ansonsten nur noch der 1. FC Köln (1978) und der Hamburger SV (1979) mit „Mighty Mouse“ Kevin Keegan, erster ausländischer Superstar der Liga.

International waren die Bayern top. Sie gewannen dreimal nacheinander den Europapokal der Landesmeister: 1974 im Wiederholungsspiel gegen Atletico Madrid, 1975 gegen Leeds United und 1976 gegen AS St. Etienne. Die Nationalmannschaft zeigte bei der WM 1970 in Mexiko Begeisterndes. Das 3:2 nach Verlängerung gegen England im Viertelfinale war nicht nur wegen Uwe Seelers Hinterkopf-Treffer phänomenal, das 3:4 in der Vorschlussrunde gegen Italien, ebenfalls nach Verlängerung, ging gar als „Jahrhundertspiel“ in die Annalen ein. Weltmeister wurde Brasilien, Deutschland Dritter, „Bomber“ Gerd Müller mit zehn Treffern Torschützenkönig.

Tonbandaufnahmen bringen Lawine ins Rollen

Als ein Jahr später, exakt am 6. Juni 1971, Horst-Gregorio Canellas als Präsident der tags zuvor abgestiegenen Offenbacher Kickers bei der Feier zu seinem 50. Geburtstag mit Tonbandaufnahmen den Bundesligaskandal ins Rollen brachte, verlor die Liga ihre Unschuld. Schiebereien, Bestechung, Bestechlichkeit – ein Desaster dieses Ausmaßes gab es nie wieder. In der ARD wurde gefordert, „den kriminellen Unsinn namens Fußball“ zu stoppen. Das geschah natürlich nicht, es wurde weitergespielt. Allerdings gingen die Zuschauerzahlen rapide nach unten.

In die Siebziger fielen auch andere kuriose Ereignisse. Im April 1971 ging beim Spiel zwischen Mönchengladbach und Werder Bremen der Pfosten zu Bruch. 1:1 lautete der Endstand, das Gehäuse konnte nicht repariert werden. Am „grünen Tisch“ wurde Werder zum 2:0-Gewinner erklärt, Meister wurden Hennes Weisweilers „Fohlen“ am Ende dennoch - mit zwei Zählern Vorsprung auf die Bayern und wohl auch deshalb, weil sich Duisburgs Michael Bella verhörte: Am 1. Mai vernahm er auf dem Bökelberg einen Pfiff, nahm im Strafraum den Ball in die Hand - Schiedsrichter Rudolf Schröck hatte indes nicht gepfiffen. Klaus-Dieter Sieloff verwandelte zum „Tor des Tages“ – und so verhalf Bella der Borussia indirekt zur ersten erfolgreichen Titelverteidigung in der Liga-Historie.

"Goldenes Jahrzehnt"

Es war, abgesehen vom Skandal, ein „goldenes Jahrzehnt“ mit den Höhepunkten des deutschen WM-Sieges 1974 in München gegen die Niederlande (2:1) und des EM-Titels 1972 beim 3:0 in Brüssel gegen die UdSSR. Die berühmte Bayern-Achse mit Sepp Maier, Franz Beckenbauer und Gerd Müller, Spielmacher wie Günter Netzer oder Wolfgang Overath waren die Top-Protagonisten jener Jahre.

Als erster „Millionen-Einkauf“ ging der Belgier Roger Van Gool in die Bundesligageschichte ein, als er 1976 für eine Million Mark vom FC Brügge zum 1. FC Köln wechselte. Seit den Siebzigern haben zwei statistische Daten quasi ehernen Bestand: Die 101 Tore, die Bayern München als Meister von 1972 in einer Saison erzielte, sind ebenso Bundesligarekord wie die 40 Treffer von Gerd Müller. „Kleines, dickes Müller“ nannte der einstige Bayern-Trainer Zlatko „Tschik“ Cajkovski den Burschen aus Nördlingen, der nach wie vor als einer der besten Stürmer in der Welt des Fußballs gilt.

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