Dieter Hecking: Nürnbergs Ruhepol in allen Stimmungslagen

17.4.2012, 07:00 Uhr
Konzentriert zum Klassenerhalt: Club-Trainer Dieter Hecking.

© Zink Konzentriert zum Klassenerhalt: Club-Trainer Dieter Hecking.

Manchmal kommt es tatsächlich vor, dass es Fußballer nach Spielen ein wenig zu den Medien drängt – oder zumindest keiner versucht, unbemerkt zu entkommen. Am Samstag, nach dem Sieg in Kaiserslautern, war es so. Die Spieler des 1.FC Nürnberg suchten ein wenig Nähe, sie hatten ein Anliegen: Sie wollten ihrem Trainer danken.

Daniel Didavi, dem gerade sein siebtes Saisontor gelungen war – das vierte innerhalb der jüngsten drei Spiele – machte den Anfang, er geriet beim Dank an Dieter Hecking richtig ins Schwärmen. Drei Monate lang war er, kaum aus Stuttgart nach Nürnberg gekommen, verletzungsbedingt nur Zuschauer; Hecking habe ihn, erzählte Didavi, immer ermutigt und stark gemacht – nicht er sei der Mann der Woche, sondern der Trainer.

Javier Pinola sagte dasselbe. Vier Monate war der Publikumsliebling verletzungsbedingt ausgefallen; weil die Mannschaft auch diese Absenz verkraftete, musste sogar ein wieder gesunder Pinola noch etwas warten. Darüber, sagte Pinola jetzt, sei ja viel geredet worden; Hecking gegen Pinola, nach dieser Art. Unsinn, sagte Pinola, sei das gewesen, „jeder hier weiß, dass der Trainer das Richtige tut“ – und das, meint Pinola, verleihe der Mannschaft jene Balance, die ihm die Rückkehr erleichtert habe.

Die Stadt der Bedenkenträger

Martin Bader stand auch vor Mikrofonen. Gemeinsam mit Hecking hat er die Mannschaft(en) aufgebaut, die jetzt zweimal hintereinander frühzeitig den Klassenverbleib geschafft haben, aber dem Sportdirektor lag nicht daran, seinen Anteil am Erfolg herauszustreichen. „Es ist unglaublich“, sagte Bader, „welche Qualität wir im Trainerteam haben.“

Wie Didavi, wie Pinola, wie viele Leistungsträger – darunter monatelang Kapitän Raphael Schäfer, Vizekapitän Per Nilsson, Albert Bunjaku und Mike Frantz – war ja sogar Bader verletzungsbedingt ausgefallen: Eine Blinddarmoperation bescherte ihm eine kurze Zwangspause, das 1:2 am 5. November gegen Freiburg war nach sieben Jahren Amtszeit das erste Spiel, das Bader verpasste. Es war ein Tiefpunkt der Saison, aber Bader versprach noch im Krankenhaus, es werde bald besser gehen – er meinte nicht sich, sondern den Club. „Bei uns ist keiner naiv oder blauäugig“, sagte Martin Bader damals, „aber wir vertrauen in die Arbeit, die alle gemeinsam hier leisten.“



In Nürnberg ist das immer schwieriger als an Standorten wie Freiburg, wie Mainz, wie erst recht Augsburg. Es ist, beim Fußball, immer die Stadt der leidenschaftlichen Bedenkenträger, die sich reflexartig zur Kongressstärke versammeln, wenn passiert, was in Nürnberg normal ist – wenn also der Club immer wieder einmal verliert. Es gab in der zu Ende gehenden Saison natürlich Momente, in denen man sich sorgen konnte um den 1.FC Nürnberg – und es bedarf keiner besonderen prophetischen Gabe für die Prognose, dass sich daran in den nächsten Jahren nichts ändern wird.

In Nürnberg ist es dann immer so: Man staunt, wie ruhig und sachlich man zum Beispiel in Freiburg, Mainz oder Augsburg mit solchen Situationen umgeht – und wähnt den nächsten Untergang heraufziehen, sollte der Club auf die Idee kommen, Ruhe zu bewahren. Naiv, heißt es dann, sei das, und blauäugig und unverantwortlich und vieles mehr.

Mit sicherem Blick

Es gehört zu Dieter Heckings größten Stärken, sein Handeln völlig unabhängig von Stimmungen zu halten. Die internen Abläufe, erklärt Verteidiger Pinola, blieben davon unberührt. Hecking ist – unabhängig von einzelnen Resultaten – ein strenger, sehr fordernder Trainer, der Fußball gut analysieren und erklären kann und dabei einen enorm sicheren Blick für taktische Möglichkeiten und Grenzen hat. Weil er außerdem Disziplin ebenso strikt einfordert wie vorlebt, ist er im Team extrem glaubwürdig.

„Wir wussten die gesamte Saison über einzuschätzen, wie wir uns entwickeln, auch in Phasen, in denen die Ergebnisse fehlten“, erklärt Kapitän Schäfer, „deswegen konnten wir ruhig bleiben, das war wichtig.“ Nach einer Serie von sieben Spielen ohne Erfolgserlebnis gewann Nürnberg in der Hinrunde das Schlüsselspiel gegen Kaiserslautern und wenig später in Leverkusen; jetzt, im März, folgte einer Serie von vier Niederlagen die furiose abgelaufene Woche mit dem Höhepunkt eines 4:1-Erfolgs über Schalke 04 – obwohl derzeit mit Adam Hlousek, Alexander Esswein und Christian Eigler drei Leistungsträger fehlen.

Im Juli verändert sich die Mannschaft wieder. Philipp Wollscheid und Jens Hegeler wechseln nach Leverkusen, Didavi kehrt (höchstwahrscheinlich) zum VfB Stuttgart zurück. Man wird Nürnberg dann wieder, wie im Juli 2011, zu den Abstiegskandidaten rechnen. Bedenkenträger werden viele neue Chancen bekommen, sicher ist nichts. Aber die Idee, dass man selbst in Nürnberg ganz vernünftig an einem Club der Zukunft arbeiten kann, hat in zweieinhalb Jahren mit Dieter Hecking doch Konturen gewonnen.

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