Doping-Report: Russischen Sportlern droht Kollektivstrafe

7.12.2016, 14:45 Uhr
Richard McLaren, Chefermittler der WADA, ist der Mann, der Licht ins Doping-Dunkel bringt

© dpa Richard McLaren, Chefermittler der WADA, ist der Mann, der Licht ins Doping-Dunkel bringt

Sollten sich die Vorwürfe von Staatsdoping weiter erhärten, stehen das Internationale Olympische Komitee (IOC) und dessen Präsident Thomas Bach erneut vor der grundsätzlichen Entscheidung: Dürfen Russlands Sportler überhaupt noch international antreten? Ist dieses Mal eine kollektive Strafe unvermeidlich?

Für Andrea Gotzmann, Vorstandsvorsitzende der Nationalen Anti-Doping-Agentur NADA, ist das natürlich eine Option. "Das muss zur Diskussion gestellt werden, wenn die Fakten auf dem Tisch liegen", sagte Gotzmann der Deutschen Presse-Agentur. Dass McLaren sich die Zeit genommen habe, um die Beweislage zu untermauern, sei ganz wichtig, "weil es zeigt, dass wir nicht wegschauen und nichts unter den Teppich kehren wollen".

In Lausanne, wo gerade die IOC-Führungsspitze tagt, hält man sich sehr bedeckt. Einzelheiten des zweiten Teils seien nicht bekannt, folglich sei dazu nichts zu sagen, hieß es. Auch der IOC-Präsident sei gespannt, was der kanadische Anwalt McLaren an Neuem zusammengetragen habe.

Nach dem ersten Report waren IOC und WADA recht heftig aneinander geraten. Die WADA musste sich anhören, nur zögerlich reagiert und den Bericht auf den letzten Drücker nur dreieinhalb Wochen vor den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro veröffentlicht zu haben. McLaren warf dem IOC vor, falsch über den Bericht zu informieren. Nun trafen sich Bach und WADA-Chef Craig Reedie und räumten das angeblich aus.

Wer sich auch immer an die Spitze der Bewegung im Fall Russland setzt, Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), warnt schon einmal davor, zu lasch zu reagieren. Immerhin stehen die Olympischen Winterspiele im südkoreanischen Pyeongchang schon im Februar 2018 an. "Was rund um das Staatsdoping in Russland passiert ist, ist inakzeptabel und verwerflich", sagte Hörmann. "Inakzeptabel war auch, dass viel zu viele russische Athleten in Rio an den Start gingen. Das war ein schwer verdauliches Szenario und darf sich mit Blick auf Pyeongchang nicht wiederholen."

Russischer Geheimdienst vertuschte Fälle

Thomas Bach und das IOC standen und stehen für die Entscheidung in der Kritik, nach Veröffentlichung von Teil eins des McLaren-Berichts am 18. Juli nicht energisch durchgegriffen, sondern die Verantwortung größtenteils auf die Sportverbände abgeschoben zu haben. Damals war die Sportwelt in Aufruhr. Vor allem, dass der russische Geheimdienst FSB offenbar Doping-Fälle bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi vertuscht hatte, machte fassungslos. Mindestens 15 russische Medaillengewinner waren nach den Erkenntnissen gedopt. Russland wies die Vorwürfe von Staatsdoping zurück.

Die WADA empfahl dem IOC angesichts der Schwere des Vergehens, Russland von den Sommerspielen komplett auszuschließen. Zuvor hatte schon der Leichtathletik-Weltverband IAAF russische Athleten wegen systematischen Dopings von den Spielen verbannt, der Internationale Gewichtheberverband IWF schloss sich später diesem Vorgehen an. Auch das Internationale Paralympische Komitee verhängte schließlich ein Startverbot für Russland.

Das galt Kritikern des IOC als die einzig richtige, weil angemessene Strafe. Doch das IOC setzte bekanntermaßen auf Einzelfallprüfungen, die aber von den Verbänden nur halbherzig durchgeführt wurden: Gut 280 russische Athleten kämpften um Gold, Silber und Bronze. Bach verteidigte immer wieder seine Linie, für die er im IOC nahezu völlige Rückendeckung hat, mit der Begründung: Russische Sportler müssten eine faire Chance haben, beweisen zu können, sauber zu sein. Er versicherte, dass IOC werde alles tun, um den Vorwürfen nachzugehen und Schuldige konsequent zu bestrafen. Enthüllt McLaren jetzt noch mehr Ungeheuerlichkeiten, dürfte ein Abwägen zwischen den Rechten russischer Athleten und einer Kollektivstrafe noch schwerer fallen als vor Rio.

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