Drama-Queen und Eitelkeiten: Zoff auf der Club-JHV

20.10.2018, 12:29 Uhr
Hanns-Thomas Schamel muss seinen Platz im Aufsichtsrat des 1. FC Nürnberg räumen.

© Sportfoto Zink/DaMa Hanns-Thomas Schamel muss seinen Platz im Aufsichtsrat des 1. FC Nürnberg räumen.

Es gab Phasen in der jüngeren Vereinsgeschichte, da waren die Aufsichtsräte des 1. FC Nürnberg bekannter als die Fußballer. Jedes Kind könnte die Aufstellung der fast schon legendären 2014er-Mannschaft im Schlaf vorbeten, die meist im 4-3-2 antrat: hinten mit Müller, Grethlein, Bisping und Schmitt, das Mittelfeld bildeten Gömmel, Maly und Peisl, im Angriff Koch und Zeck. Wobei sich der Bamberger bereits nach einem Dreivierteljahr aus persönlichen Gründen auswechseln ließ.

Beinahe im Wochentakt produzierte die äußerst heterogen besetzte Gruppe damals dicke Schlagzeilen, die eher an einen Kindergarten ohne Erzieherin erinnerte als an seriös wirkende Funktionäre. Es ging drunter und drüber und meistens auch noch hoch her, zumindest konnte man als Beobachter den Eindruck gewinnen.

Irgendwann kehrte wieder Ruhe ein; Entscheidungen drangen erst mit offiziellen Pressemitteilungen nach außen, es schien fast, als hätten sie verstanden. Am Mittwochabend allerdings, auf der Jahreshauptversammlung, feierte die Drama-Queen ein rauschendes Comeback.

Eine Indiskretion dürfte Hanns-Thomas Schamel seinen Platz gekostet haben. Der Unternehmer hatte in einer Mail an den Vorsitzenden kommuniziert, dass er nicht hinter Grethleins Bericht stehe, weil er ihn wie seine sieben Kollegen auch nicht gegenlesen durfte. Grethlein teilte das über 1100 Mitgliedern in der Meistersingerhalle mit, was auch der Versammlungsleiter als verbales Foul wertete. "Ich habe nicht taktisch gedacht", versicherte Grethlein auf Nachfrage.

Internas sollten aber schon Internas bleiben, wegen seines Misstrauens gegenüber Grethlein war fortan dennoch der Meerrettichkönig der Buhmann – und fiel bei der Abstimmung durch, obwohl ihm Günther Koch zur Seite gesprungen war. Die beiden hatten einen durchaus brisanten Antrag auf Satzungsänderung eingebracht, der mehr Kompetenzen für ihr Gremium einforderte. Neben der Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern sollte der Aufsichtsrat ihrer Meinung nach auch ein Leitbild "zur langfristigen Sicherung der Vereinsidentität" vorgeben dürfen. Nach Schamels Niederlage ließen sie ihren Vorstoß von der Tagesordnung streichen.

Sozi gewinnt Wahl

Wie in einem Teil der Auflage berichtet, konnten Oberbürgermeister Ulrich Maly ("Eigentlich ist es für einen Sozi wie mich im Moment ziemlich riskant, sich einer Wahl zu stellen") und Christian Ehrenberg ihre Plätze in der wichtigsten Vereinszweckgemeinschaft verteidigen, Neuling Peter Meier aus dem Konzernvorstand der Nürnberger Versicherung hatte in seiner Bewerbungsrede fast die Hälfte seiner Redezeit darauf verwendet, "die besonderen Highlights" seiner "Fan-Karriere" aufzählen, unter anderem den Aufstieg und 1978 und den möglicherweise letzten Sieg in München im März 1992.

Das genügte, um in den nächsten drei Jahren einer der neun Auserwählten zu sein, die im stillen Kämmerlein vor allem eine Kontrollfunktion ausüben sollen. An Michael Meeskes Arbeit hatte der Aufsichtsrat nicht viel herumzumäkeln, auch die meisten Mitglieder finden es offenbar ausgesprochen schade, dass er am 1. November zum VfL Wolfsburg weiterzieht. Seine letzte Rede quittierten sie am Mittwochabend mit lang anhaltendem Applaus, einige Hundert erhoben sich gar von ihren Stühlen, weil der Kaufmännische Vorstand einen für Nürnberger Verhältnisse spektakulären Geschäftsbericht hinterlässt. 2,7 Millionen Gewinn, daraus resultierend ein Abbau der Verbindlichkeiten um 3,4 auf 17,4 Millionen Euro.

Dass ihn viele Menschen mit größtmöglicher Sympathie verabschiedeten, ließ Meeske keineswegs kalt. "Berührend" sei das für ihn gewesen und "sicherlich auch dem Timing geschuldet, dass alles gepasst hat, mit dem Aufstieg, guten Zahlen und so weiter". Allerdings scheinen der Aufstieg, die guten Zahlen und so weiter nicht überall im Verein genügt zu haben, um persönliche (Macht-) Interessen und vielleicht auch Eitelkeit erst mal hinten anzustellen.

Den Blumenstrauß vom Verein, ein kleines Dankeschön für sein Ehrenamt, legte Hans-Thomas Schamel achtlos neben dem Podium ab. Vor über vier Jahren hatte er seinen Posten sogar freiwillig geräumt, "aufgrund unterschiedlicher Ansichten zur Ausrichtung des Vereins." Die legendäre 2014er-Mannschaft musste somit ohne ihn auskommen; dass er nicht immer einverstanden war mit der Philosophie und Politik des Aufsichtsrates, ließ er hin und wieder durchblicken, ohne die demokratischen Entscheidungen infrage zu stellen. Auch am Mittwochabend musste er sich der Mehrheit beugen.

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