DTM-Champion Wittmann: "Ich genieße jeden Moment"

4.11.2016, 05:59 Uhr
Mit 26 Jahren kürte sich Marco Wittmann vor wenigen Wochen zum jüngsten zweifachen DTM-Meister aller Zeiten.

© Horst Linke Mit 26 Jahren kürte sich Marco Wittmann vor wenigen Wochen zum jüngsten zweifachen DTM-Meister aller Zeiten.

Herr Wittmann, der Champagner war in Hockenheim noch nicht getrocknet, da haben Sie schon an Ihren vollen Terminkalender in den kommenden Wochen gedacht. Hat sich die Erwartung erfüllt?

Wittmann: Nach meinem Titelgewinn 2014 wusste ich, dass einige Termine auf mich zukommen werden. Die letzten beiden Wochen waren tatsächlich stressig, zumal es neben vielen Medienterminen auch schon einen ersten Test mit neuen Fahrzeugteilen für die kommende Saison gab.

Den ersten Termin nach dem Titelgewinn haben Sie dann allerdings gleich verpasst, beim Morgenmagazin hat man vergeblich auf Sie gewartet.

Wittmann: Wir haben am Sonntagabend richtig Gas gegeben, da kam der Termin bei der ARD am Montagmorgen etwas zu früh, ich habe verschlafen. Das sollte nicht passieren, aber ich glaube, am Ende haben es alle mit einem zwinkernden Auge genommen.

Die logische Konsequenz, wenn am letzten Tag der Rennsaison der ganze Druck von einem abfällt?

Wittmann: Es hat ja schon Tradition, dass wir in Hockenheim feiern, egal, ob man nun gewonnen hat oder Dritter oder Zehnter in der Meisterschaft geworden ist. Es geht darum, dass alle von BMW, Audi und Mercedes noch einmal zusammenkommen und den Saisonabschluss feiern, vor allem mit den Mechanikern und Ingenieuren, die auch ihren Teil zum Erfolg beigetragen haben. Dann ist es glaube ich auch völlig in Ordnung, ein, zwei oder auch ein paar mehr Biere zu trinken.

Die während der Saison wahrscheinlich nicht drin sind?

Wittmann: Naja, natürlich haben wir auch da unsere Pausen und auch mal ein Wochenende frei, an dem man mit Freunden weggeht. Das finde ich auch sehr wichtig, weil man dann mal auf andere Gedanken kommt, aber gerade was die Ernährung betrifft muss man unter der Saison natürlich sehr diszipliniert sein.

Müssen Sie eigentlich noch bezahlen, wenn Sie in Fürth unterwegs sind?

Wittmann: Nein, ich muss meine Getränke immer noch selbst bezahlen und man wird auch nicht ständig erkannt, was gut ist, weil man sich dann noch frei bewegen kann. Ich glaube, ich würde einen Robbie Williams auch nicht in der Fußgängerzone erkennen – und erst recht nicht ansprechen.

In Hockenheim haben Sie gesagt, dass Sie vor allem die Wochen nach dem Titelgewinn genießen wollen. Sie können dem ganzen Stress offenbar etwas abgewinnen?

Wittmann: Man genießt jeden einzelnen Moment, auch die vielen Pressetermine. Es ist etwas Positives, wenn du gefragt bist, weil du weißt, du hast etwas erreicht. Vor zwei Jahren war ich bis Weihnachten fast nonstop unterwegs, habe zwei Monate lang aus dem Koffer gelebt, aber es war trotzdem eine schöne Zeit.

Das schlechteste ist also, direkt nach der Saison Urlaub zu haben, denn das bedeutet, man hat nicht viel erreicht.

Wittmann: Ob die anderen alle schon Urlaub haben, weiß ich nicht. Die meisten Termine habe aktuell sicher ich, aber nachdem wir in der kommenden Saison ein neues Auto und ein neues Reglement haben, sind wir als Fahrer auch im Winter diesmal wieder mehr gefordert.

Was treibt Sie an? Klar, Sie wollen heute der Beste und Schnellste in der DTM sein, aber wo liegen die Ursprünge dafür?

Wittmann: Es ist der Ehrgeiz, ganz vorne dabei zu sein. Bei mir ist dieser Ehrgeiz sehr ausgeprägt. Das kann allerdings auch eine Schwäche sein, wenn es zu extrem ist.

Zwischen Geduld und Ehrgeiz

Es soll Sportler geben, die nicht einmal bei einer Runde "Mensch ärgere dich nicht" verlieren können.

Wittmann: Ich will einfach immer alles möglichst gut machen. Ich war früher im Tischtennisverein, fahre im Winter leidenschaftlich Ski und versuche mich auch da immer weiter zu verbessern. Gleichzeitig kann ich auch sehr geduldig sein. Ich flippe nicht gleich aus, wenn ich bei "Mensch ärgere dich nicht" verliere. Man muss auch verlieren können, das gehört dazu im Leben.

In den vergangenen Jahren konnten Sie vor allem gut gewinnen. Um was geht es inzwischen: Anerkennung, Geld, einen Eintrag in die Geschichtsbücher?

Wittmann: Klar, ist das schön, wenn man sich jüngster Doppelsieger der DTM nennen darf und als bisher einziger BMW-Pilot zweimal den Titel holen konnte. Das sind Zahlen, die vielleicht auch noch in 20 Jahren irgendwo zu lesen sind und auf die man stolz zurückblicken kann.

 

Gerade in der Formel 1 scheint die Aufmerksamkeit nicht allen gut zu tun. Es gibt Fahrer, die meinen, sich nach den ersten Erfolgen mit Schauspielern und Popstars umgeben zu müssen. 

Wittmann: Die Formel 1 ist natürlich deutlich populärer und die Jungs dort verdienen viel, viel, viel, viel mehr, deshalb ist die Gefahr abzuheben auch deutlich größer. Wir normale Menschen können uns das gar nicht vorstellen, was in einem Kopf vorgeht, wenn man sich einen Privatjet leisten kann. Es ist wichtig, ein gutes Umfeld zu haben, dass einen in guten und schlechten Zeiten unterstützt, und im Zweifelsfall von dem hohen Ross auch mal herunterholt. Dass ich auch heute noch manchmal in der Karosseriewerkstatt stehe, hält mich mit den Füßen am Boden.

Die Jahre der Unsicherheit sind vorbei

Auch die schlechten Zeiten haben Sie in Ihrer Karriere erlebt.

Wittmann: Ja, ich habe oft genug Weihnachten und Silvester mit meiner Familie verbracht, ohne zu wissen, ob es im nächsten Jahr weitergeht; gerade in den Nachwuchsserien, wo man nie wusste, ob man die Sponsoren, Investoren und das nötige Geld zusammenbekommt.

Empfinden Sie heute Genugtuung gegenüber den Leuten, die Ihnen diesen erfolgreichen Weg nicht zugetraut haben?

Wittmann: Eine Zeit lang haben mich viele Leute als ewigen Zweiten abgestempelt und natürlich empfinde ich eine gewisse Genugtuung, ihnen das Gegenteil bewiesen zu haben. Meine Familie und ich haben aber immer daran geglaubt, dass es besser geht.

Und die selben Leute stehen jetzt ganz vorne in der Reihe, um ihnen zu gratulieren.

Wittmann: Bei meinem ersten Titelgewinn war das noch schlimmer, da kamen auch einige Leute auf mich zu, die mir den Erfolg nicht zugetraut hatten und die nun ein wenig neidisch waren, nicht mehr Teil des ganzen zu sein. Beim zweiten Erfolg hat es sich überwiegend um sehr ehrliche Glückwünsche gehandelt.

Im Nachhinein scheinen die Rückschläge Sie nur stärker gemacht zu haben.

Wittmann: Auf jeden Fall. Irgendwann wird es Rückschläge geben und dann ist es wahrscheinlich schwerer, damit umzugehen. Es braucht auch charakterbildende Jahre, so wie 2015, als wir ein ganz schwieriges Jahr hatten und ich meinen Titel nicht verteidigen konnte. Man lernt aus seinen Fehlern. Im Kartsport habe ich auch die ein oder andere Meisterschaft weggeschmissen, weil ich zu viel wollte und zu ehrgeizig war. In der abgelaufenen Saison hat mir das sehr geholfen.

Wie sind die Aussichten, dass es in der kommenden Saison mit der Titelverteidigung klappt?

Wittmann: Neue Autos, neues Reglement – da kann noch niemand abschätzen, wie es laufen wird. Aber es gibt ja noch den ein oder anderen Rekord zu brechen, insofern ist mein Ziel natürlich, möglichst schnell den dritten Titel anzuvisieren.

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