Eine Eisschwimmerin macht die Kälte glücklich

27.4.2016, 10:05 Uhr
Eine Eisschwimmerin macht die Kälte glücklich

© Foto: privat

In eiskaltes Wasser steigen und dann auch noch losschwimmen zu müssen – für die meisten Menschen keine angenehme Vorstellung. Birgit Becher hat sich auf diesen Moment gefreut. „Ich war ganz arg gespannt“, erzählt die 49 Jahre alte Veitsbronnerin. Als sie zum ersten Mal drin stand, in einem zehn Grad kalten Weiher, war es ihr doch ein bisschen kühl. Sofort wieder heraus zu wollen, ist ein natürlicher Impuls. Doch sie blieb: „Ich hab gedacht, nix wie rein, schnell hinter mich bringen.“

Als sie los geschwommen war, traute sie sich sogar zu kraulen und dabei den Kopf ins eisige Nass zu tauchen. „Man kriegt erstmal eine Schnappatmung und muss stark schnaufen“, beschreibt Becher die ersten Momente im Eiswasser. Aber man gewöhnt sich daran, findet sie: „Mir hat es gar nicht viel ausgemacht.“ Seitdem hat sie das Eisschwimmen gepackt – mit ein bisschen Glück wird sie im kommenden Jahr vielleicht sogar an der Weltmeisterschaft teilnehmen.

Da wird das Wasser deutlich weniger als zehn Grad haben – denn als Eisschwimmen geht das offiziell noch nicht durch. Dafür muss die Wassertemperatur unter fünf Grad liegen. Inzwischen schwimmt Becher zwischen Oktober und März regelmäßig in zwei bis sechs Grad kaltem Wasser, im Rothsee trainiert sie zum Beispiel. Und jedes Grad mehr mache einen Riesenunterschied, findet sie. Ihr Minusrekord bisher: 0,9 Grad.

Hinterher fühlt sich das Ganze immer richtig gut an, nicht nur weil sie es geschafft und sich selbst überwunden hat. „Das Eisschwimmen setzt Endorphine frei und macht glücklich“, sagt Becher. Wenn man aus dem Wasser steigt, dann prickelt die ganze Haut, der Körper fängt irgendwann an zu zittern, so sehr, dass man kaum noch eine Kaffeetasse halten kann. Und doch: „Danach ist es schön.“ Man muss sich nur schnell in dicke Klamotten einpacken – oder einpacken lassen. Denn je länger man in der Kälte schwimmt, umso mehr braucht man hinterher einen Betreuer, der einen unterstützt. Alleine sollte niemand ins kalte Wasser gehen.

Auf die Idee, ins eiskalte Wasser zu springen, hat Becher Christof Wandratsch gebracht. Der Extremschwimmer, der die Straße von Gibraltar in Weltrekordzeit durchquert hat, stammt wie sie aus Veitsbronn. Mit ihm und anderen Sportlern bildete Becher bei den German Open, so etwas wie die Deutschen Meisterschaften, eine Veitsbronn-Staffel über 25 Meter. Man muss schon etwas aushalten können, wenn man in so kaltes Wasser geht: Neoprenanzüge sind verboten – geschwommen wird in Badeanzug oder -hose. Nur Badekappe und Ohrstöpsel - damit kein Wasser in die Gehörgänge fließt – sind erlaubt.

Sich überschätzen ist gefährlich

Für das Eiswasser hat Becher ihren Schwimmstil verändert, die Beinarbeit eingeschränkt. Die verbraucht zu viel Energie. Weil sich die Muskeln in der Kälte extrem langsam erholen, darf man längere Strecken nicht zu schnell angehen: „Wenn man mal platt ist, ist man platt.“

Ein Sport für Jedermann ist Eisschwimmen nicht: Schon für die 100 Meter-Distanz müssen Athleten ein EKG nachweisen, Ärzte und Taucher sind immer mit dabei. „Wichtig ist, dass man sich langsam steigert“, sagt Becher. Denn wer sich überschätzt, für den wird es gefährlich. Um sich für die WM zu qualifizieren, musste Becher 1000 Meter in weniger als 25 Minuten schwimmen.

Die größte Herausforderung ist dabei, überhaupt so lange drin zu bleiben. Langsam hat sie sich an diese Zeit herangetastet. Und beim letzten Wettbewerb der Saison, Ende März am Grundlsee in Österreich hat sie es in 24:49 Minuten geschafft. Jetzt steht sie auf der Warteliste für die WM, die im Januar 2017 in Burghausen stattfinden wird. Deutschland hat sechs Startplätze für die Frauen zugesprochen bekommen, Becher liegt auf Platz elf. Es ist aber gut möglich, dass noch Schwimmerinnen abspringen oder sich die Zahl der Plätze noch erhöht. Nach einem WM-Wettkampf aus dem Wasser zu steigen, wäre noch einmal ein besonderes Glücksgefühl.

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