Eiszeit beim Club: Die Pannen-Heizung am Valznerweiher

18.1.2017, 05:56 Uhr
Fußball zwischen Eis und Schnee: Club-Profi Dave Bulthuis beim Trainingsauftakt Anfang des Monats.

© Foto: Wolfgang Zink Fußball zwischen Eis und Schnee: Club-Profi Dave Bulthuis beim Trainingsauftakt Anfang des Monats.

"Der Club auf dem Weg in die Zukunft", titelten die Nürnberger Nachrichten im April 2001, nicht zum ersten Mal seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Mit einem humorlosen Spatenstich hatte Präsident Michael A. Roth den Ausbau des A-Platzes im Sportpark Valznerweiher offiziell für eröffnet erklärt, es sollte schon damals eine Art Ministadion werden, mit dem Clou darunter: der ersten elektrischen Rasenheizung Deutschlands.

"Der Umbau", frohlockte Roth im Überschwang der Gefühle seinerzeit, "wird ein besseres Umfeld für unsere A-Jugend und die Amateure schaffen", auch oder gerade, wenn es kalt wird, richtig kalt, also saukalt. Das Prestigeprojekt unter der Grasnarbe sei das Resultat ausgeklügelter Logistik, versicherte der Experte Paul Baader. Die unterirdischen Anlagen an anderen Standorten würden mit Warmwasser beheizt, seien aber unrentabel. Wegen der langen Vorwärmphasen und so.

Komfort für Köpke

Beheizbare Matten, die mit billigerem Nachtstrom betrieben werden, seien die Zukunft, hieß es, summa summarum etwa 300.000 bis 400.000 Euro kostete der ganze Spaß, finanziert über Sponsoren. Roth stellte klar: "Wir nämlich haben kein Geld."

Als Tabellenführer in der deutschen Rasenheizung-Liga fühlte man sich beim Club, endlich hatte der große Traditionsverein mal wieder einen triftigen Grund, richtig stolz sein zu dürfen. Als Erste profitierten die Torhüter um Andreas Köpke vom Komfort, stets auf weichem Boden üben zu können; auf einer etwa zehn mal zehn Meter großen Fläche etwas weiter hinten auf dem Gelände probierten die Ingenieure ihre technische Revolution erst mal aus. Auch Köpke staunte.

Mehrere Firmen aus der Region knöpften sich deshalb auch den A-Platz vor, mussten aber seit 2006 die eine oder andere Reparatur vornehmen. Besonders dauerhafte Minustemperaturen scheint die elektrische Rasenheizung des 1. FC Nürnberg überhaupt nicht zu mögen. Was nicht gerade hilfreich ist beim Versuch, Eis und Schnee einfach wegzuschmelzen.

Diverse Trainer schimpften schon wie die Rohrspatzen, auch dem aktuellen, Alois Schwartz, merkte man kürzlich seinen Unmut an, als er seine Fußballer auf ein knochenhart gefrorenes Feld hatte schicken müssen. Die elektrische Rasenheizung verweigerte mal wieder ihren Dienst und ließ eine geregelte Vorbereitung nicht zu. Mit der Konsequenz, dass der Zweitligist am Sonntag entgegen früherer Pläne doch ein sechstägiges und garantiert nicht ganz billiges Trainingslager an der Costa Blanca beziehen musste.

Elektrisierender Fußball

Dem Kaufmännischen Vorstand Michael Meeske sind die Probleme natürlich spätestens seit dem Trainingsauftakt der Zweitliga-Belegschaft Anfang des Monats geläufig, von heute auf morgen lösen kann er sie nicht, eher mittelfristig. Am Samstag, das bestätigt Pressesprecherin Luana Valentini, funktionierte die Rasenheizung immerhin stellenweise; weil der Aufwand in keiner Relation zum Nutzen gestanden wäre, verzichtete man darauf, die nach wie vor vereisten Gebiete abzusperren – und wich auf den Kunstrasenplatz aus. Der ist, falls geräumt, immer grün und immer elastisch, nur eben auch extrem stumpf.

Dass so eine elektrische Rasenheizung noch ganz andere Tücken hat, mussten im März 2006 gleich zwei komplette Mannschaften erfahren. "Spieler unter Strom", schrieben die Nürnberger Nachrichten; weil die Rasenheizung kaputt war, bekamen einige Spieler beim Bayernliga-Derby 1. FC Nürnberg II gegen die SG Quelle Fürth schmerzhafte Stromschläge ab. Club-Amateur Samil Cinaz lag plötzlich am Boden und schrie. Einige Zuschauer wunderten sich. Kein Foul, nicht mal ein harter Kontakt mit einem Gegenspieler. Cinaz’ Körper hatte vielmehr eine ordentliche Volt-Ladung erschüttert, er stand wirklich unter Strom, Krämpfe stellten sich ein. Und ein Schock.

Einem Spieler, der helfen wollte, standen ebenfalls die Haare zu Berge. Auch einige Gäste beklagten ein "Bitzeln in den Beinen", wie ihr Trainer Reinhard Hofmann schilderte. Höhere Dosen könnten sogar zu Herzrhythmus-Störungen und zum Atemstillstand führen, warnten Experten danach.

Nicht ganz dicht

Die Rasenheizung sei defekt, klärte Ex-Pressesprecher Martin Haltermann auf, genauer sei an etlichen Stellen die Isolierung nicht ganz dicht gewesen. Ein Fehler, der "von Anfang an da war", wie der damalige Platzwart Konrad Vestner behauptete, also seit Ende 2001. Cinaz muss "genau auf eine Stelle draufgefallen sein, die nicht isoliert war", meinte Haltermann, das Problem sei aber schon seit eineinhalb Jahren bekannt gewesen.

Auch ein paar Profis wie Raphael Schäfer hatten auf dem A-Platz schon heftige Stromschläge kassiert. Im Sommer, sagte Haltermann im März 2006, "wollen wir die Heizung sowieso austauschen, weil sie nicht durchgängig funktioniert". Nach einem Rechtsstreit folgte immerhin eine Modernisierung, sämtliche Gewährleistungsansprüche verfielen 2011. Mittlerweile ist das Produkt nicht mehr auf dem Markt. Es scheint sich nicht durchgesetzt zu haben.

Immerhin sparte sich der 1. FC Nürnberg seit Ende 2001 ordentlich Stromkosten. Am Tag kann so eine elektrische Rasenheizung bis zu 2000 Euro verschlingen, rechnet die Bild-Zeitung vor und bestätigt der Club auf Anfrage, viel Geld für einen hoch verschuldeten Verein. Die gute Nachricht liefert somit der Deutsche Wetterdienst. Nächste Woche soll es wärmer werden. Wer braucht dann noch eine elektrische Rasenheizung?

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