Ergebniskrise beim FCN: Schwartz steht unter Druck

28.2.2017, 10:07 Uhr
Ernüchternd: Das Team von Alois Schwartz war gegen Bochum nicht so schlecht wie der Gegner, verlor aber dennoch.

© Sportfoto Zink / WoZi Ernüchternd: Das Team von Alois Schwartz war gegen Bochum nicht so schlecht wie der Gegner, verlor aber dennoch.

Was ist schon erklärbar? Auch der AC Florenz hätte es sich nicht träumen lassen, nach einem 1:0-Sieg im Hinspiel gegen die von Dieter Hecking trainierte Mönchengladbacher Borussia und zwischenzeitlicher 2:0-Führung im Rückspiel noch aus dem Wettbewerb auszuscheiden. Alois Schwartz, Trainer des 1. FC Nürnberg, zieht diesen Vergleich "auf einem ganz anderen Niveau" heran und will damit nur sagen, dass im Fußball immer alles möglich, nur nicht immer alles erklärbar ist.

"Der Trainer ist auch immer der Depp"

Sein Team hatte zuletzt eine nicht annähernd so gute Ausgangsposition wie die Fiorentina in der Europa League, hat aber ihr Momentum nach einem Remis und zwei Niederlagen verspielt und sieht sich trotz Verletzungssorgen und eingeleiteter Verjüngungskur großer Kritik ausgesetzt. Dass diese sich auf den Trainer kapriziert, ist auch Schwartz klar: "Wie sagt man hier immer? Der Club is a Depp, aber ich moch ’nern. Der Trainer ist auch immer der Depp. Ob die zweite Hälfte auch auf mich zutrifft, das weiß ich nicht."

Der 49-Jährige sieht sich Zweiflern und Besserwissern gegenüber. Im traditionell unruhigen Umfeld des Traditionsvereins stärken ihm gefühlt die wenigsten den Rücken. Die Kritiker stören sich am verpassten Aufstieg und sehen in Schwartz jemanden, der weder Aufbruchstimmung verbreitet, noch taktisch anspruchsvollen Fußball exerzieren lässt, noch besonders emotional und selbstbewusst rüberkommt. Wenn schon nicht von der Bundesliga-Perspektive zu träumen, dann wenigstens bestens unterhalten werden, lautet das Credo.

Ungeduldiger Anhang fordert Neuanfang

Während der FCN in der Tabelle den neunten Rang einnimmt, scheint Schwartz auf der Beliebtheitsskala auf einem Abstiegsplatz angelangt. Einem Rang also, der es dem Sportdirektor angesichts der sportlichen Stagnation womöglich erleichtern würde, den Trainer in Frage zu stellen. Ein Teil des ungeduldigen Anhangs, der seine Meinung in Foren, aber auch an Stammtischen publik macht, hegt genau diese Hoffnung. Ob es sich aber mehr um eine Trainer- oder doch nur eine Ergebniskrise handelt, ist einigermaßen unklar.

Sicher ist, negative Resultate werden von heftigen Stimmungsschwankungen begleitet. Fans dürfen sich von einzelnen Ergebnissen in ihrer Gemütslage beeinträchtigen lassen, Entscheidungsträger müssen das Spektrum ihrer Bestandsanalyse breiter bemessen.

Rückblick: Im Sommer war Sportvorstand Andreas Bornemann Cheftrainer René Weiler quasi über Nacht abhandengekommen. Ein Trainer, der den Club auf den Relegationsplatz geführt hatte. Wie ihm das gelungen war, spielte letztlich keine Rolle mehr. Dass sich später manche Spieler darüber beklagten, gerade vor der Relegation gegen Frankfurt taktisch nur mangelhaft vorbereitet worden zu sein und nur eine Ahnung von einer Spielidee vermittelt bekamen, spielt auch keine Rolle mehr. Weiler trainiert inzwischen den RSC Anderlecht, peilt die Meisterschaft an und ist wie Hecking mit Gladbach auch in der Europa League noch vertreten.

Die Belgier überwiesen 800.000 Euro für den Schweizer Coach an den Club, der in Schwartz auch angesichts der Umstände glaubt, einen adäquaten Ersatzmann gefunden zu haben. Dafür wurde in etwa die Hälfte der Ablöse an dessen Ex-Arbeitgeber SV Sandhausen weitergeleitet.

Guter Ruf in der Branche

Dass der Provinzklub knapp vor Nürnberg liegt, ist Wasser auf die Mühlen der Schwartz-Kritiker. Dem aber eilte in der Branche der Ruf voraus, aus überschaubaren Mitteln ein gutes Team formen zu können. Seine Bereitschaft, mit Talenten zu arbeiten, in Sachen Personalaufwand also auch keine großen Ansprüche an den klammen Verein zu stellen, waren im Vergleich zur üppigen Ablösesumme nicht hinderlich, sich auch in der Kürze der Zeit für ihn zu entscheiden.

So betrachtet dürfte er für Bornemann eine Art Ideallösung dargestellt haben. Ein Experiment mit einem Trainer-Novizen erschien als ein zu großes Wagnis und wäre der Öffentlichkeit wohl auch schwerer zu vermitteln gewesen. Wenngleich der Bundesliga-Absteiger VfB Stuttgart für genau diesen Mut, auf den erst 35-jährigen Hannes Wolf gesetzt zu haben, aktuell mit dem Spitzenplatz belohnt wird.

Schwankungen in Zeiten der Konsolidierung

In Nürnberg lautete die interne Zielrichtung nach der gescheiterten Relegation und dem personellen Aderlass, den Schuldenberg weiter deutlich abzubauen und die Mannschaft auf möglichst hohem Niveau in der Liga zu konsolidieren. Gleichzeitig musste gewährleistet sein, dass aus dem Club nicht plötzlich ein Abstiegskandidat wird, was nach einem veritablen Fehlstart zu befürchten war. Er fand aber unter Schwartz in die Spur und entwickelte sich in dieser Phase gemessen an den geholten Punkten zum zweitbesten Team der Liga. Diesen Status hat man nun wieder eingebüßt. Und der Trainer gleichzeitig sein letztes Standing?

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