Göppingen ist da! Der Pokal soll Kräfte freisetzen

17.10.2017, 12:44 Uhr
Göppingen ist da! Der Pokal soll Kräfte freisetzen

© Sportfoto Zink / OGo

Es war die letzte Chance, Sohn Marcus einmal in der Bundesliga Handball spielen zu sehen, und deshalb waren die Eltern extra angereist. Oben auf die Tribüne hatten sie sich gesetzt, jeweils einen Schal des HC Erlangen um den Hals, inmitten von 2323 Mindener Anhängern. Die Partie war ja ohnehin zu einem Familientag erkoren worden, sonntags um 12.30 Uhr, vor der Halle gab es eine Hüpfburg und Bullenreiten.

"Wir kamen nie in Stimmung"

Doch was die Eltern Enström und die vielen Minderjährigen dann zu sehen bekamen, hätte eigentlich ein FSK-18-Prädikat verdient gehabt: Grausam wurden die armen Erlanger zerlegt wie im besten Horrorstreifen, die Gastgeber berauschten sich an der Wehrlosigkeit ihres Gegners, der sich phasenweise vorführen ließ. "Wir kamen nie in die Stimmung, dass wir hier den Fight liefern konnten, den wir eigentlich zeigen wollten", gestand Michael Haaß.

Nach einem phasenweise sehr ordentlichen Auftritt gegen Berlin gab es den größtmöglichen Rückschritt, ein 22:33. Schon im Bus auf den fast 500 Kilometern Heimreise wurde das Desaster analysiert, eine Partie, wie Trainer Tobias Wannenmacher gestand, "in der überhaupt nichts funktioniert hat". Ein Spiel, das vielmehr offenlegt, dass die Mannschaft offenbar noch viel mehr Probleme aufgestaut hat als man bisher annahm.

"Wir müssen unsere Grundeinstellung überdenken", fand etwa Kapitän Haaß. Gegen Berlin gelang es, ohne großen Druck frei aufzuspielen, vier Tage später in Minden verkrampfte der HCE völlig. "Wir müssen anerkennen, dass wir nicht mehr der stärkste Aufsteiger aller Zeiten sind, der jetzt wieder Rang neun angreift", forderte Haaß. "Wir sind ein Team, das versucht, sich in der Liga zu etablieren, das Punkte sammeln muss, um drinzubleiben. Wir müssen kämpfen, als hätten wir nichts mehr zu verlieren."

Genau das, der Kampf, der eigentlich das Mindeste sein muss an einem Tag, an dem nichts funktioniert, fand aber nie statt. "Wir haben ja nicht mal gefoult", wunderte sich Haaß, sich selbst eingeschlossen.

Wer führt das Team an?

Womit man beim nächsten Manko wäre: dem aggressiven Anführer. Der ist bei der Kaderplanung im Sommer offensichtlich durchgerutscht, das Kollektiv, hatte man angenommen, sei gut genug, um keinen extrovertierten Führungsspieler zu benötigen. Johannes Sellin, heißt es nun, könnte diese Rolle ausfüllen. Doch der fehlte in Minden verletzt. Nico Büdel, den Wannenmacher als Tonangeber in der Offensive auserkoren hat, ist noch nicht so weit, diese Rolle zu erfüllen.

Was ebenso deutlich wird, ist, dass das Team auf dem Zahnfleisch geht. "Eine Woche Erholung täte mal gut", meint Michael Haaß, doch am Dienstag (20 Uhr, Arena Nürnberg) steht ja schon wieder das Pokal-Achtelfinalspiel gegen FrischAuf Göppingen an. Das Team, so hört man, fühlt sich ausgelaugt und übertrainiert nach harten Wochen der Vorbereitung, immer wieder fallen Stammkräfte aus oder sind angeschlagen.

"Der Pokal kann die nötige Lockerheit bringen", sagt René Selke, der Geschäftsführer, kämpferisch. Mit einem Sieg stünde Erlangen nur noch eine Begegnung vor dem Final Four in Hamburg. "Das würde ungemein Kräfte freisetzen", so Selke. Nicolai Theilinger wird vermutlich fehlen, ebenso Uros Bundalo. Die Eltern Enström auch: Sohn Marcus soll heute Abend verabschiedet werden.

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