Hack: "Der Fußball in Deutschland wächst. Wir nicht"

21.12.2017, 06:30 Uhr
Nachdenklich: Fürth-Präsident Helmut Hack sorgt sich in doppelter Hinsicht um die Zukunft des Vereins.

© Sportfoto Zink / MeZi Nachdenklich: Fürth-Präsident Helmut Hack sorgt sich in doppelter Hinsicht um die Zukunft des Vereins.

Gut ging es Helmut Hack in den letzten Wochen und Monaten nicht. Die sportliche Misere nebst Entlassung des Trainers und des Sportdirektors, der mangelnde Zuschauerzuspruch und die stagnierende wirtschaftliche Entwicklung lassen den Motor des Kleeblatts stottern. Auf geht's, hier kommt das Interview!

NZ: Die wichtigste Frage zu Beginn: Wie steht es um Ihre Gesundheit?

Helmut Hack: Das war auch persönlich kein leichtes Jahr, aber mir geht es gut. Alles in Ordnung.

Sorgen und ein langer Weg

NZ: Hat die schwierige sportliche Situation der Spielvereinigung abgefärbt und Spuren hinterlassen?

Hack: Ich habe noch kein solches halbes Jahr gehabt, in dem ich mir so viele Sorgen machen musste. Wenn die Einigkeit nicht da wäre, nicht das Miteinander und nicht die Kraft, die ich spüre, müsste ich große Bedenken haben. Klar ist auch: Es wird ein langer Weg sein, aber ich habe keine Angst vor diesem Weg. Die Mannschaft rennt und kämpft füreinander.

NZ: In der Tabelle hat das aber noch keinen Niederschlag gefunden, das Team überwintert auf einem direkten Abstiegsplatz. Können Sie das ausblenden?

Hack: Ich habe das schon einmal gesagt: Fürth jetzt im 21. Jahr auf diesem Niveau zu halten, ist womöglich die größte Aufgabe im deutschen Profifußball. Es bedarf unglaublichen Engagements und natürlich manches Mal auch Glück, um mit Fürth über die Runden zu kommen. Bestimmte Dinge müssen auf einen guten Weg gebracht werden, damit die nächste Kraft daraus erwachsen kann. Aber Erfolg ist teils auch von Zufällen, von Kleinigkeiten abhängig.

Verwöhnen war gestern

NZ: Sehen Sie das Thema schon in und rund um Fürth angekommen?

Hack: Nein. Weil wir die Menschen lange verwöhnt haben. Wir haben, wenn man so will, die bestehenden Gesetzmäßigkeiten des Wettbewerbs über viele Jahre außer Kraft gesetzt und es gleichzeitig geschafft, die unbedingt nötige Infrastruktur aufzubauen.

NZ: In der Konsequenz bedeutete das wirtschaftliche Einschnitte . . .

Hack: Ja, da müssen wir uns ganz klar steigern. In Fürth müssen wir derzeit mit etwa 25 Millionen Euro über die Runden kommen, Zweitligisten wie Union Berlin oder der 1.FC Nürnberg und viele andere haben eine Größenordnung von 35 bis 40 Millionen Euro zur Verfügung. Wenn wir unseren Umsatz nicht dauerhaft auf 30 Millionen Euro steigern können, wird es noch schwieriger, uns in der Liga zu halten.

NZ: Das ist die wirtschaftliche Aufgabenstellung. Ist es daneben nicht wichtig, Fürths eigentliche Stärken in den Vordergrund zu rücken: Jugend und Ausbildung?

Hack: Wir müssen uns wieder mehr auf unser Kerngeschäft fokussieren. Unsere Leute müssen wieder präsenter auf den Fußballplätzen sein. Früher stand ich am Platz und hab mir Talente angesehen, als die anderen noch nicht so aktiv waren. Heute stehen da zehn Spielerberater und zwanzig Scouts.

NZ: Muss nicht entsprechend die Arbeit im mit drei Sternen versehenen Nachwuchsleistungszentrum hinterfragt werden?

Hack: Im NLZ haben wir ohne Frage eine schlechte Entwicklung. Wir haben gemeinsam sehr gründlich analysiert, um die Dinge wieder in eine andere Richtung zu bringen. Wir bewegen uns in einem umkämpften Markt, der Wettbewerb um junge Spieler wird immer größer.

Eltersdorf, Bamberg, Forchheim, Ansbach

NZ: Das heißt konkret?

Hack: Wir müssen unsere jungen Spieler in Eltersdorf sehen, in Bamberg, in Forchheim, in Ansbach. Wir müssen da Tag und Nacht unterwegs sein und unsere Denkwelten erweitern. Ein standardisiertes Programm vom Fußball-Lehrbuch ist gut. Aber wir brauchen besessene Menschen, Verrückte, die mit Leidenschaft unsere Sache verkörpern und draußen abbilden. Jeder muss spüren, dass es gut ist, in Fürth zu spielen und ausgebildet zu werden.

NZ: Zurück zur aktuellen Lage. Vertrauen Sie darauf, dass 2018 alles gut wird?

Hack: Unser Trainer Damir Buric hat ein Kollektiv geformt, viele Spieler haben sich gut entwickelt. Der Trainer hat sie mit unglaublich viel Einsatz zu einer Einheit verschworen. Was die Mannschaft zu Hause inklusive des Spiels gegen Darmstadt gezeigt hat, ist die Basis für alles weitere. Das kann nur eine Mannschaft annehmen, die an den Trainer glaubt, das Selbstverständnis entwickelt, und die Miteinander will. In der Mannschaft stimmt es.

"Das ist katastrophal"

NZ: Nur auswärts bleibt das Team ein Punktelieferant. . .

Hack: Ich kann die Auswärtsauftritte auch nicht erklären. Das ist katastrophal, da stimmen auch die Leistungen nicht. Da gibt es nichts schönzureden und das muss anders werden, am besten gleich in Bielefeld.

NZ: Wird in der Winterpause personell nachgebessert?

Hack: Mit diesem Thema müssen wir sehr, sehr behutsam umgehen. Was wir im Winter machen, ist sehr filigran zu betrachten. Wir dürfen da nichts zerstören, was sich gerade entwickelt.

NZ: Denken Sie darüber nach, auch die Gehaltsstrukturen den Mitanbietern anzupassen? Viel gibt es in Fürth ja nicht zu verdienen.

Hack: Es ist einfach so, dass hochdotierte Spieler nicht nur unseren finanziellen Rahmen sprengen, sondern auch die Hierarchie der Mannschaft durcheinander bringen. Grundsätzlich ist es so, dass wir nicht mehr Geld ausgeben können als wir haben. Und wie schon anfangs erklärt, haben wir zu vielen anderen ein Einnahmendefizit von 10 bis 15 Millionen im Jahr.

NZ: Sie präferieren weiterhin Sicherheit statt Risiko?

Hack: Ich muss mit den Realitäten leben. Wir müssen uns im Rahmen unserer wirtschaftlichen Möglichkeiten bewegen. Und Transfererträge zu erwirtschaften, wird in Zukunft eher schwerer als leichter.

"Die Toptalente kriegen wir nicht"

NZ: Spieler mit Potenzial, aber einer schwierigen Vergangenheit gehörten vermehrt zum Kader. Birgt das nicht zu viele Fragezeichen?

Hack: Das wird auch weiterhin der Fall sein. Wir müssen auch Spieler verpflichten, die risikobehaftet sind und keine Ablöse kosten, wenn wir uns zutrauen, den jeweiligen Spieler in seiner Leistung stabilisieren zu können. Die Toptalente kriegen wir nicht, also müssen wir das Risiko gehen, solange wir die Chancen mit mindestens 50 zu 50 bewerten.

NZ: Also zweiter Bildungsweg statt erste Reihe bei den Transfers?

Hack: Wir können uns Qualität am Markt nicht kaufen. Wenn wir eine Million Euro investieren und die dann abschreiben müssen, bewegen wir uns schon in Existenzfragen. Und ein Spieler alleine ist noch keine Garantie für mehr Erfolg. Der Hebel liegt woanders: Solange wir unseren Umsatz nicht erhöhen können, bleiben unsere Möglichkeiten begrenzt. Um es nochmal deutlich zu sagen: Wir brauchen höhere Einnahmen, um mehr investieren zu können.

NZ: Wäre die 3.Liga eine mögliche Heimat für die Spielvereinigung?

Hack: Ich will nicht Hellseher spielen. Wir haben unsere Anhänger über viele, viele Jahre verwöhnt. Aber ich vertraue darauf, dass die Fans klug genug sind, unsere Grenzen richtig einzuschätzen. Wir hatten am Sonntag gegen Darmstadt etwa 8000 Zuschauer, mehr als die Hälfte der Teams in der 3. Liga haben im Schnitt mehr als 10.000 Zuschauer. Es bleibt die Frage, wo wir wirtschaftlich hinrücken. Der Fußball in Deutschland und auch die zweite Bundesliga wächst. Wir nicht. Und das müssen wir ändern, wenn wir in der zweiten Liga dabei bleiben wollen. Das alles können wir nur gemeinsam schaffen.

"Eine brutale Zäsur"

NZ: Zurück zur Ausgangsfrage: Wäre die 3.Liga eine mögliche Heimat für die Spielvereinigung?

Hack: Alleine zehn Millionen Euro weniger TV-Gelder würden eine brutale Zäsur darstellen. Der Verein müsste sich völlig neu aufstellen. Aber damit will ich mich nicht intensiver beschäftigen. Wir bleiben in der zweiten Liga.

NZ: Sehen Sie die Gefahr, dass ein Abstieg ihr Lebenswerk rund um die Spielvereinigung zerstören würde?

Hack: Ich mag nicht in schwarzweißen Kategorien denken. Das Leben und auch der Fußball gehen immer weiter. In der Zeit, in der ich für den Verein arbeite, werde ich wie bisher alles tun, damit wir unseren Weg in der zweiten Liga fortführen können. Es war immer extrem schwer, wir haben es trotzdem immer hingekriegt. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir das auch weiterhin schaffen.

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