Handball: Verletzungsmisere schreckt Vereine auf

12.2.2016, 17:09 Uhr
Handball: Verletzungsmisere schreckt Vereine auf

© Foto: Jens Wolf/dpa

Am Rande des All-Star-Games in Nürnberg haben sich Manager und Trainer der meisten Erst- und Zweitliga-Klubs auf einer Tagung Gedanken darüber gemacht, wie die Belastung für die Spieler reduziert werden kann. HC-Geschäftsführer Stefan Adam, der auch Geschäftsführer beim THW Kiel war, war dabei: "Die Belastung für die Spieler in den Spitzenclubs ist enorm. In einem Olympiajahr wie 2016 haben sie in Liga, Pokal, Champions League, Europameisterschaft und Olympia sowie den dazugehörigen Qualifikationen bis zu 100 Spiele zu bestreiten", rechnet er im Gespräch mit den Erlanger Nachrichten vor.

Der Lösungsansatz ist einfach: In den beiden deutschen Bundesligen könnte die erlaubte Kaderstärke pro Spiel von 14 auf 16 Spieler angehoben werden. Dann wären während der Begegnungen mehr Verschnaufpausen für die einzelnen Akteure möglich. Im internationalen Vergleich ist die HBL ohnehin die einzige Liga, die mit nur 14 Spielern auskommen muss, selbst in der Champions League sind 16 erlaubt.

Diese Idee versuchen die Topklubs der 1. Bundesliga schon seit Jahren durchzusetzen, doch wie Adam sagt, sei das immer an der Befürchtung gescheitert, dass die finanzstarken Vereine dann noch mehr Spitzenspieler in ihren Reihen konzentrieren. Die Grundidee, dass der 15. und 16. Spieler jeweils unter 23 Jahre und aus der eigenen Jugend stammen soll, ist aus rechtlichen Gründen nämlich nicht verpflichtend regelbar.

Jetzt sieht der Erlanger Geschäftsführer angesichts der großen Verletztenmisere rund um die Europameisterschaft eine neue Chance für eine Reform. "Es ist sinnvoll, das jetzt intensiv zu diskutieren. Die Gefahr, dass sich junge Spieler dadurch eher den Topklubs anschließen sehe ich nicht. Das ist auch gar nicht das Ziel dieser Vereine." Die Kluft solle nicht noch größer werden, sondern die Spielbelastung auf mehrere Schultern verteilbar sein.

Das große "Problem" ist laut Adam die extreme Stärke der deutschen Bundesliga selbst im unteren Drittel. "Barcelona wird sicher nie Gefahr laufen, gegen ein Team aus dem Keller der spanischen Liga zu verlieren, in Deutschland kann das immer passieren." Der HC Erlangen hat das mit seinem Sensationssieg gegen die Rhein-Neckar Löwen eindrucksvoll bewiesen. Doch auch die Mannheimer waren damals geschlaucht vom Champions-League-Einsatz wenige Tage zuvor in der Arena angetreten. "Wenn man seine Spieler schonen will ist derzeit die Alternative nur die Rotation", sagt Adam. "Aber dann verliert man halt ein Spiel."

Der Erlanger sieht in der Kadererweiterung auch einen Vorteil für die Nachwuchsspieler: "Selbst beim HCE ist es so, dass der eigene Nachwuchs eine größere Chance auf einen Einsatz hat, wenn er schon mal auf dem Spielberichtsbogen steht. Wenn der Trainer sich aber vorher entscheiden muss, dann wird er eher bewährte Spieler aufstellen."

Direkten Vergleich werten

Zur Entlastung der Spieler wird auch eine Modusänderung in der Ligawertung diskutiert. So könnte bei Punktgleichheit statt der Tordifferenz künftig der direkte Vergleich entscheiden. Damit müssten etwa die Meisterschaftsfavoriten gegen die schwächeren Teams nicht immer Vollgas geben, nur um ein möglichst großes Torekonto anzuhäufen, erklärt Adam. Entscheidend seien dann die direkten Duelle der Konkurrenten, in anderen Partien könnten Spieler geschont werden. Das wäre eine kleine Einzelmaßnahme, die auch zusätzlich zur Kadererhöhung denkbar sei. Eine Entscheidung könnte im Juli bei der Ligaversammlung fallen.

Er selbst befürworte die Reformen, sagt Adam weiter, auch wenn der HCE erst einmal nicht spürbar davon profitieren werde: "Eine Kadererhöhung wäre kein Muss, man hat ja auch nicht automatisch ein höheres Budget. Bei uns werden aber schon immer 16 bis 17 Spieler eingesetzt, auch wenn der Kernkader bei 14 liegt. Uns würde es mehr Flexibilität bringen, wichtig wäre eine Neuregelung aber für die Spitzenklubs und damit für den deutschen Handball, der international erfolgreich bleiben soll. Die Nationalmannschaft ist da ein Beschleuniger. So eine Euphorie kann keine andere Mannschaft transportieren. Doch die Verletzungen von Gensheimer, Groetzki, Dissinger und Weinhold sind laut Fachleuten ganz klar Überlastungsverletzungen. Deshalb muss die Liga jetzt solidarisch sein."

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