HCE-Kreisläufer Gorpishin trifft mit Russland aufs deutsche Team

14.1.2019, 08:31 Uhr
Handball-Experte Sascha Staat (rechts) interviewt den HCE-Kreisläufer Sergej Gorpishin.

© Sascha Staat Handball-Experte Sascha Staat (rechts) interviewt den HCE-Kreisläufer Sergej Gorpishin.

EN: Herr Gorpishin, die Anfragen für Interviews scheinen sich bei Ihnen momentan sehr zu häufen. Sie sind derzeit extrem gefragt...

Sergej Gorpishin: Ja, das stimmt. Es ist natürlich schön, wenn generell ein großes Interesse herrscht. Natürlich ist das dem Spiel gegen Deutschland geschuldet, dazu kommt mein persönlicher Hintergrund, dass ich in Deutschland geboren bin, aber russisches Blut in mir habe. Viele Jungs sagen spaßeshalber auch, dass es für mich eine Heim-WM ist.

EN: Ist es richtig, dass Berlin eine besondere Bedeutung für Sie hat?

Gorpishin: Richtig, das kann ich bestätigen. Berlin ist für mich bisher immer eine Turnierstadt in Bezug auf Handball gewesen. Selbst als ich noch in der Jugend bei Eintracht Hildesheim gespielt habe, sind wir zu Wettbewerben hier angetreten. Auch mit dem Handballverband Niedersachsen war das so. Außerdem verbinde ich mit Berlin eine schöne Klassenfahrt. Insgesamt verbinde ich mit der Stadt schöne Handballgedanken und daher passt es perfekt, dass die WM hier stattfindet. Daher schließe ich Berlin immer mehr ins Herz.

EN: Der Start war allerdings nicht so perfekt wie erhofft. War das Unentschieden gegen Serbien ein verschenkter Sieg?

Gorpishin: Das ärgert uns natürlich, aber vom Spielverlauf her war es ein gerechtes Resultat. Zwei Punkte wären uns selbstverständlich lieber gewesen, das würde uns auch die Rechnerei ersparen. Allerdings waren die Serben deutlich besser als im Vorfeld vermutet.  Brasilien mischt plötzlich auch mit und hatten die Franzose gut unter Kontrolle. Gestern kamen sie unter die Räder und haben Deutschland nicht vor eine allzu große Herausforderung gestellt. Das ist dann jetzt unsere Aufgabe.


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EN: War das direkt eine Kampfansage von Ihnen?

Gorpishin: Nein, aber wir wollen uns nicht einfach so geschlagen geben. Wir bereiten uns per Videostudium intensiv vor und ich kenne auch einige Spieler aus der Bundesliga. Unser Trainer ist erfahren genug, um ausreichend Analysen bereitzustellen und mit Sicherheit werden wir auch die ein oder andere Überraschung parat haben. Außerdem möchten wir es, falls wir sie erreichen, in der Hauptrunde ein wenig leichter haben und vorher schon den ein oder anderen Punkt Deutschland oder Frankreich abluchsen.

 

 

 

"Das ist unglaublich"

EN: Es ist ihr erstes Turnier, an dem Sie teilnehmen. Wie wurden Sie in der Mannschaft eigentlich aufgenommen?

Gorpishin: Ich war schon ein wenig perplex, als ich beim ersten Lehrgang in der Kabine plötzlich neben Spielern wie Timur Dibirov (Vardar Skopje, Anm. d. Red.) saß. Aber ich wurde super aufgenommen und die Jungs wissen ja auch selbst wie das früher war, wenn man am Anfang sehr aufgeregt ist. Aber das wird einem sofort genommen, man bekommt einen Spitznamen und  es werden Späße gemacht. Klar gibt es noch so eine Art Hierarchie, dass die Älteren etwas mehr zu sagen haben. Aber insgesamt fühle ich mich sehr wohl.

EN: Sie können auch von solchen Spielern mit viel Erfahrung enorm lernen...

Gorpishin: Genau. Das ist natürlich Gold wert. Eben habe ich auch Nikola Karabatic getroffen und vor ein paar Jahren kannte ich ihn nur aus dem Fernsehen. Jetzt kann ich ihn sogar mal fragen, ob wir kurz quatschen wollen. Das ist unglaublich.

EN: Stehen Sie gegen Deutschland so ein bisschen vor dem Spiel Ihres Lebens aufgrund Ihres privaten Werdegangs?

Gorpishin: Das kann ich nicht sagen, denn ich bin erst 21 Jahre alt und hoffe, dass noch einige Spiele dieser Art auf mich zukommen. Aber die ganze Weltmeisterschaft ist für mich bislang ein absoluter Höhepunkt. Ich habe dafür in der Jugend und den letzten Jahren viel entbehren müssen und es gibt immer zwei Seiten der Medaille. In der Jugend musste ich viel opfern. Aber in solchen Momenten weiß man ganz genau, dass sich das alles gelohnt hat.

EN: Nun ist Deutschland fraglos der Favorit im Duell mit Russland. Haben Sie die Stimmung beim deutschen Erfolg gegen Brasilien mitbekommen, waren Sie noch in der Halle?

Gorpishin: Ja, war ich, witzigerweise bei der Dopingkontrolle. Dort saß ich dann quasi unter der Tribüne in einer Kabine und habe das Spiel auf einem kleinen Monitor etwas zeitverzögert verfolgen können. Da wurde dann teilweise schon gejubelt, bevor ich das Tor oder die Parade sehen konnte. Das war sehr beeindruckend. Aber wir haben auch eine gute Mannschaft und die Deutschen werden uns sicherlich nicht unterschätzen. Mal gucken, ob es ein spannendes und enges Spiel wird. Das wäre auf jeden Fall Werbung für den Handball und darüber könnte sich niemand beschweren.

EN: Sie spielen hier deutlich mehr als beim HC Erlangen, zumindest auf die Bundesliga bezogen. Wie sehen Sie hier Ihre Rolle?

Gorpishin: Mir wurde gleich von Anfang an gesagt, dass wir hier nicht dabei sind, um einfach mal dabei zu sein. Wir sollen auch als junge Spieler schon Verantwortung übernehmen.  Uns wurde gesagt, dass wir die Mannschaft nicht im Stich lassen sollten und wir auch danach in den Spiegel schauen und sagen können, dass wir alles gegeben haben.  Wenn dann noch erfahrene Leute Tipps geben, dann ist das für mich eine sehr wichtige Erfahrung.

EN: Wie viele persönlichen Fans werden Sie heute in der Halle unterstützen?

Gorpishin: Es haben sich tatsächlich ein paar Leute gemeldet, aber leider zu spät. Wir hätten dem Verband schon Ende November eine Liste mit Ticketwünschen geben müssen. Zum Glück haben sich ein paar Freunde schon Karten besorgt und meine Eltern werden dabei sein. Mein alter Trainer aus Hildesheim und Rene Selke, der Geschäftsführer des HC Erlangen, waren auch schon da. Auch alte Jugendfreunde, mit denen der Kontakt etwas abgebrochen ist, sind hier gewesen. Es ist einfach schön, dass der Handball die Leute wieder zusammenbringt.

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