Horsepark Sprehe: Auf der Suche nach dem Wunderpferd

27.5.2017, 16:35 Uhr
Horsepark Sprehe: Auf der Suche nach dem Wunderpferd

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Die Geschichte des "Flughafens Nürnberg-Fürth" im Fürther Stadtteil Atzenhof beginnt im Ersten Weltkrieg. Wo anfangs noch Zelte die Flugzeuge schützten, entstand bis Mitte der 1920er-Jahre der viertgrößte Flughafen auf deutschem Boden. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die US-Army das Gelände.

In einer für die Soldaten produzierten Zeitung kündigten die Amerikaner eine neue Ära an mit der Überschrift: "Let’s make Fürth better". Sie installierten in einem Hangar ein Kino und legten einen Golfplatz an. Bis der Nürnberger Flughafen 1955 fertig war, landeten Passagierflugzeuge in Fürth. 1993 wurden die "Monteith Barracks" geschlossen. Seither hat die Stadt das ehemalige Militärgelände Stück für Stück verändert: Wohnungen und Unternehmen siedelten sich an – und neben dem immer noch existierenden Golfplatz betreibt die Familie Sprehe eine Reitanlage, den "Horsepark by Sprehe".

Die "Tante Ju", das legendäre Flugzeug, das dort ab 1932 viele Male abhob, wurde von drei Motoren mit jeweils 600 PS angetrieben. Jörne Sprehe reicht 85 Jahre später eine einzige Pferdestärke, um durchzustarten. Genauer gesagt sind es neun Springpferde, mit denen sie abwechselnd an Turnieren teilnimmt. Ihr Trainingsplatz ist wohl deutschlandweit einmalig: Ihre Reithalle ist ein ehemaliger Hangar.

Jörne Sprehe war einmal so etwas wie das Wunderkind des deutschen Reitsports. Als kleines Kind saß sie in der pferdebegeisterten Familie schon auf einem Pony, als Teenager sammelte sie acht Medaillen bei Europameisterschaften im Springreiten ein. "Mit 17 holte sie als damals erste Reiterin der Welt zehn Medaillen und das Goldene Reiterabzeichen", schwärmt ihr Vater Josef. An seine Herkunft Cloppenburg erinnert das plattdeutsch rollende "R" und der norddeutsche Singsang.

Ein Feinkost-Imperium

Sein Vater betrieb in Niedersachsen eine Pferdezucht. Josef Sprehe verschlug es nach dem Physik-Studium zu Siemens nach Franken, wo er in Fürth 2004 den Reitstall, pardon, die Reitanlage, darauf legen die Sprehes Wert, gründete.

"Wir sind eine Pferdefamilie", erklärt er den Enthusiasmus für das Tier. "Wir waren sieben Kinder und sind auf einem Bauernhof aufgewachsen. Mein Vater war Pferdezüchter und vor lauter Arbeit war wenig Zeit zum Reiten", erinnert er sich. Seine beiden Brüder bauten später das Imperium "Feinkost Sprehe" auf, das unter anderem im Stadion von Borussia Dortmund prominent wirbt. Erst die Kinder der Brüder betrieben das Reiten als Leistungssport. Jörnes Cousine Kristina Sprehe holte als Dressur-Reiterin jüngst bei Olympia in London die Silbermedaille, sie trainiert im alten "Gestüt Sprehe" in Cloppenburg. Auch Jörnes Schwester Mareen holte im Alter von 15 Jahren schon Edelmetall bei Europameisterschaften im Springen, opferte die Karriere aber für das BWL-Studium. Dafür hatte sich auch Jörne angemeldet, erinnert sich die 34-Jährige heute. "Nach dem Abitur wollte ich wirklich nur ein Jahr reiten", sagt sie und nimmt lachend ihre Sonnenbrille ab. Dort, wo das dunkle Glas ihre Augen schützte, ist die Haut ganz weiß, der Rest des Gesichts hat für die wenigen warmen Tage dieses Jahres schon erstaunlich viel Bräune abbekommen.

Verantwortlich dafür war aber nicht nur die deutsche Sonne. Seit Februar ist sie beinahe jede Woche in einem anderen europäischen Land unterwegs gewesen. Erst am Montag kam sie aus Spanien zurück – mit einem bewohnbaren Lkw, den sie liebevoll "mein Schneckenhaus" nennt. Solche fernen Ziele kann sie nur in mehreren Etappen ansteuern.

Lenkzeiten müssen eingehalten werden und die Tiere müssen sich regelmäßig die Beine vertreten. Denn mit dabei sind vier ihrer neun Pferde und eine Pflegerin, die im Anhänger neben den Heuballen ihre Kabine hat, während sie selbst hinter dem Cockpit nächtigt. So elitär dieser Sport auch sein mag, spartanischer kann man nicht reisen.

Es gibt auch wenig, das dramatischer als Jörnes Werdegang ist, erinnert sich der Vater, der nicht lachen muss, als die Tochter von der Zeit nach dem Abitur erzählt. "Ich wollte, dass sie erst mal BWL studiert, bevor sie sich in den Sport stürzt", sagt er nachdenklich. Doch statt jemals auch nur einmal in einer Vorlesung für Sportmanagement gewesen zu sein, ist sie schon mit 21 Jahren eigentlich genau das: eine Sportmanagerin. Eine sehr spezialisierte sogar.

Der Blick des Vaters

Denn der "Horsepark", den ihr Vater zu jener Zeit auf acht Hektar des ehemaligen Flughafens gebaut hat, ist als Wirtschaftsunternehmen angelegt – und schon nach kurzer Zeit ein funktionierendes, über das Josef Sprehe sagt: "Wir sind froh, den Sprung geschafft zu haben und wirtschaftlich eigenständig zu sein." Das Prinzip erklärt der Rentner mit einem Vergleich zum Fußball: "Im Grunde funktioniert das hier wie bei der Spielvereinigung. Wir suchen junge Talente, entwickeln sie und verkaufen sie gewinnbringend weiter."

Konkret heißt das: Vater und Tochter sind auf der Suche nach Pferden im Alter von etwa vier Jahren, hören sich in der Szene, am Rande von Turnieren, um, wo ein neuer Star heranwachsen könnte. Klingt ein Pferd interessant, reitet Jörne es vor den Augen ihres Vaters. "Ich muss Jörne auf dem Pferd sehen. Jedes Pferd reagiert auf jeden Reiter anders." Die Kunst sei es, in diesem Moment "das Talent des Pferdes zu erkennen". Ein Indikator sei dabei, wie das Tier ein niedriges Hindernis überspringt. Muss es sich plagen oder schafft es die knapp über einen Meter hohe Hürde locker? Die besten Pferde überspringen dann mit acht Jahren, auf dem Zenit ihres Könnens, 1,60 Meter.

Diese Höhe hat am vergangenen Wochenende zum ersten Mal Jörnes Pferd Clueso übersprungen. Damit beginnt jetzt eine Phase der Ausbildung, in der er "ins Geld reitet", sprich: Preisgelder einbringt. Jörne hat in ihrer Karriere bereits zweimal einen Mercedes und einige Euros gewonnen. Gute Pferde, rechnet sie vor, können in der Zeit, in der sie bei ihr sind, bis zu 50.000 Euro einholen. Auf dem Weg dahin aber "schlucken sie nur Geld", die Turnierteilnahmen sind teuer. Bei Clueso, dem einzigen Hengst im Gestüt, wendet sich dieses Verhältnis gerade. "Von High-End-Pferden sind wir aber ein Stück entfernt", erzählt Josef Sprehe und benutzt wieder den Vergleich mit dem Fußball, "aber Clueso hat die Chance, ein Messi zu werden."

Noch reitet Jörne mit ihm in der "1. Bundesliga", die in ihrem Sport "Riders Tour" heißt und in der sie regelmäßig auf die vorderen Plätze kommt. Doch schon bald könnte Clueso interessant werden für eine Zielgruppe, die in der Champions League ihres Sports antritt: in der "Global Champions Tour". "Das sind Reiter, die geben sich nicht mit der Ausbildung ab wie wir, sondern die wollen mit fertigen Pferden Erfolge feiern", sagt Josef Sprehe.

Nachwuchs fehlt

Dass Jörne selbst, bei aller technischen Beschlagenheit, einmal in der "Champions League" reiten wird, ist eher ungewiss. Zum einen ist da die kleine Tochter, die sie mit ihrem Lebensgefährten, einem Schweizer, der in der Anlage als "Mann für alle Fälle" mitarbeitet, aufzieht. Zum anderen fehlen für diese Ambitionen potente Sponsoren in Fürth – und einfach die Zeit. Wenn Jörne zu Wochenbeginn von ihren Europareisen nach Fürth zurückgekehrt ist, stehen junge Reiter Schlange, um von ihr trainiert zu werden.

Dieses Privileg genießt aber nur, wer sein Pferd bei den Sprehes gekauft und eingestellt hat. Das dürften nach Josef Sprehe gerne mehr sein, "uns fehlt der Nachwuchs. Wenn sie den Sport suchen und den guten Unterricht, dann ist die Offenheit da, auf diesem Gebiet mehr zu tun", ist seine Botschaft.

 

Jörne Sprehe startet vom 2. bis 5. Juni bei der Riders Tour in Wiesbaden. Der "Horsepark by Sprehe" spendiert drei Eintrittskarten für einen Tag nach Wahl. Wer gewinnen will, mailt bis Dienstag, 12 Uhr, an: redaktion-fuerth@pressenetz.de unter dem Stichwort "Horsepark". Name, Telefonnummer und Adresse nicht vergessen.

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