„Ich habe die Rede nicht mit erhobener Faust gehalten“

8.10.2010, 14:28 Uhr
„Ich habe die Rede nicht mit erhobener Faust gehalten“

© Wolfgang Zink

Ein Fan im Aufsichtsrat: In Hamburg hat das für einen Sturm der Empö­rung gesorgt. In Nürnberg nahm man es gelassen – was vielleicht auch an Ralf Peisls entspannter Art liegt.

 Herr Peisl, wie fühlt man sich denn so als Teil des Establishments?
  Ralf Peisl:
Oh je, Teil des Establish­ments werde ich ja wohl hoffentlich durch diese Wahl nicht werden. Ich habe ja schon im Vorfeld klargestellt, dass ich auf jeden Fall meinen Sitz­platz in der Kurve behalten will, ich brauche auch keinen Parkplatz hin­ter der Haupttribüne. Das ist nicht meine Welt. Ich gehe nicht zum Club, um „Meet-and-greet“ zu machen, sondern weil ich seit Kindesbeinen diesen Verein toll finde und Fußball erleben will. Das geht auf der Haupt­tribüne nicht.
  Sie wollen aber offensichtlich Fuß­ball nicht mehr nur erleben, sondern auch ein bisschen bestimmen?
 
Peisl: Bestimmen ist wahrschein­lich der falsche Begriff, mit einer Stimme im Aufsichtsrat ist man noch nicht an dem Punkt, an dem man et­was bestimmen kann. Aber ich hoffe, dass ich Ideen in den Aufsichtsrat ein­bringen kann — und Leute von diesen Ideen auch überzeugen kann. Und dann kann man vielleicht gemeinsam die Dinge umsetzen, die mir von der Basis zugetragen werden.
 
Soll das heißen, dass der Aufsichts­rat die Basis, also die Fans, bislang vernachlässigt hat? Der wurde aber doch auch von der Mitgliederver­sammlung demokratisch gewählt.
 
Peisl: Man hat es vielleicht zu lange als selbstverständlich angese­hen, dass dort Wirtschaftsbosse oder Politiker sitzen müssen. Nur um noch mehr Ämter anzuhäufen? Da wird es mir etwas mulmig.
 
Was soll er denn genau machen, der Aufsichtsrat beim Club?


  Peisl: Grundsätzlich sollte er erst einmal zuhören. Die anderen sollen ihren Leuten auf der Haupttribüne zuhören, ich will den Fans zuhören.
 
Der Aufsichtsrat soll sich also nach den Menschen in der Kurve richten?
 
Peisl: Das ist jetzt eine provokante Frage. Natürlich soll er nicht nur auf die Fanmeinung hören. Man braucht in diesem Gremium auch Menschen, die Kontakte zu Sponsoren besitzen. Das ist in der heutigen Zeit unabding­bar. Wenn man einen modernen Fuß­ballverein hat, muss man sich diesem System auch in irgendeiner Form beu­gen. Aber grundsätzlich bin ich der Meinung, dass zu wenig auf die Basis geachtet wurde. Ich höre ständig, dass der Verein von Anhängern ehren­amtliche Angebote bekommt, diese dann aber nicht umsetzt.
 
Angebote welcher Art?
  Peisl:
Zum Beispiel gibt es Men­schen, die sich zusammensetzen und sich Fanutensilien einfallen lassen, die man dann vielleicht im Fanshop verkaufen lassen könnte. Diese Men­schen werden aber bislang sträflich vernachlässigt. Da braucht man jemanden, der den notwendigen Kon­takt hat, und der vor allem erreich­bar ist. Jemand, der in der Kurve sitzt, sieht eben einen Herrn Söder maximal einmal: zur Jahreshauptver­sammlung.
 
Soll heißen, der Aufsichtsrat Peisl wird bei Sitzungen auch einmal neue Strickwaren für den Fan vorführen?
 
Peisl: Nein.
 
Gut, grundsätzlich wollen Sie den Fan aber näher an den Aufsichtsrat heranbringen.
 
Peisl: Ja.
 
Aber den Kontakt gab es doch auf den Mitgliederversammlungen? Wa­rum will die Basis plötzlich mehr?
 
Peisl: Ich habe das Gefühl, dass es ganz einfach eine breite Masse gibt, die sich da missverstanden fühlt. Man darf nicht vergessen, dass dieje­nigen, die gestern gewählt haben, nur die Vereinsmitglieder sind. Aber die Anhängerschaft ist ja noch sehr viel breiter aufgestellt.
 
Die müssten ja nur Mitglieder wer­den, statt im Internet zu schimpfen.
 
Peisl: Und da muss der Club sich in Acht nehmen, dass es nächstes Jahr nicht die große Palastrevolu­tion gibt.
 
War das jetzt eine kleine?
  Peisl:
Zumindest haben die Fans dem Verein gezeigt, dass sie kein Stimmvieh sind. Jeder, der mir seine Stimme gegeben hat, tat das aus freien Stücken, weil im Vorfeld Über­zeugungsarbeit geleistet wurde.
  Nur auf die Stimmen in der Fan­kurve zu hören, damit ist, mit Ver­laub, die Arbeit eines Aufsichtsrats nicht getan. Was kann man denn darüber hinaus von Ihnen erwarten?
 
Peisl: Ich bin ja nicht auf der Brot­suppe dahergeschwommen. Ich bin Anwalt, ich bin nicht nur Fanvertre­ter, es gibt ja auch in der Kurve viele intelligente Menschen. Ich glaube, dass ich wirtschaftliche Vorgänge verstehe und Beschlüsse, die dieses Gebiet betreffen, diskutieren kann. Zumindest nicht schlechter als einige andere, die momentan im Aufsichts­rat sitzen. Außerdem habe ich meine Antrittsrede auch nicht mit gehobe­ner Faust gehalten.
 
Sie wollen den Aufsichtsrat „erden“, sagen Sie. Glauben Sie, dass das umgekehrt auch passieren kann?
 
Peisl: Natürlich, es erwartet ja nie­mand von mir, dass ich innerhalb von zwei Tagen den Verein umkrempeln kann. Das will auch keiner. Es geht nicht darum, den Club neu zu definie­ren, sondern er soll in der Nähe derer gehalten werden, die ihn ausmachen. Es will keiner eine Veranstaltung, wie bei Red Bull in Leipzig, wo es keine Anhänger gibt, aber Zuschau­er, die zusammengekauften Qualitäts­fußball sehen wollen.
  Das heißt, Sie wollen die Verant­wortlichen auch daran erinnern, dass es in Nürnberg noch Fans gibt und nicht nur Konsumenten?
 
Peisl: Ja, und daran, dass man sich nicht gänzlich dem Kommerz ver­schreiben muss. Es gibt Leute, deren Leidenschaft für den Verein nicht davon abhängt, ob er in der ersten oder in der dritten Liga spielt.
 
Ist dieser mündige Fan, wie Sie es sein wollen, eine Modeerscheinung?
 
Peisl: Ich weiß nicht, ob das nur Mo­deerscheinung ist. Ich glaube, dass es früher nicht die Gremien gab, in de­nen Mitsprache möglich war.
 
Haben Sie keine Angst davor, dass Sie gegen sieben andere Aufsichts­räte wenig ausrichten können?
 
Peisl: Nächstes Jahr werden noch einmal sechs Mitglieder gewählt.
  Ist Ihre Wahl als Kritik an der Arbeit von Martin Bader und Ralf Woy zu verstehen? Hätte es mit Ihnen im Aufsichtsrat die 10,6 Millionen Euro Schulden nicht gegeben?
 
Peisl: Das zu behaupten, wäre sehr kühn. Aber ich habe während des Wahlkampfs schon oft Stimmen ge­hört, die meinten, man müsse es „de­nen da oben“ einmal zeigen. Das war auch eine Protestwahl. Es wurde Zeit, dass einmal ein unabhängiger Fanver­treter in so ein Gremium gewählt wird.
 
Unabhängig ist Herr Maly auch.
  Peisl:
Jein, denn wer würde ihn wählen, wenn er nicht Oberbürger­meister wäre. Dann wäre er doch für den Aufsichtsrat nicht interessant.
 
Interessant an Ihnen ist, dass Sie beruflich Fans vertreten, die im Sta­dion auffällig geworden sind. Sind Sie der erste Ultra im Aufsichtsrat?
 
Peisl: Nein, ich mache nur als Rechtsanwalt meine Arbeit. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht, da bleibt es nicht aus, dass Menschen zu mir kommen, die Straftaten begangen haben. Aber Fußballfans machen nicht den Großteil meiner Klientel aus.