Im Ziel entsteht ein kleines Krankenhaus

8.7.2012, 07:00 Uhr
Im Ziel entsteht ein kleines Krankenhaus

© Michael Langguth

Ab 3.30 Uhr bauen Helmut Köhler, der Vorsitzende der Kreiswasserwacht, und ein Teil seiner rund 200 Helfer am Main-Donau-Kanal die Bojen auf, ab 6 Uhr patrouillieren sie auf der Schwimmstrecke des Langdistanz-Triathlons mit 13 Booten. Darunter sind zwei Boote, auf denen jeweils ein Notarzt und ein Rettungsassistent zu Hilfe kommen können. Auf zwei weiteren Booten der Wasserwacht beobachten Fernsehteams die ersten 50 Athleten.

Während sich Helmut Köhler um die Rettung zu Wasser kümmert, ist Michael Langguth mit seiner Mannschaft für das Land zuständig. Der 42-jährige Rother ist Kreisbereitschaftsleiter beim Roten Kreuz und kümmert sich um die Organisation der medizinischen Versorgung beim Triathlon. Sechs DIN-A4-Seiten ist die Einsatzliste für seine ehrenamtlichen Helfer lang, knapp 210 Namen stehen darauf.

Das Herzstück des Roten Kreuzes ist die Zentrale Medizinische Versorgung beim Rother Festplatz. „ZMV“ kürzen sie die BRKler ab. Im Massage- und Endversorgungszelt haben Gesamteinsatzleiter Gerd Gruber, Wettkampfleiter Michael Langguth und ihre Kollegen ein kleines provisorisches Krankenhaus  mit rund 50 Betten und einer kleinen Apotheke aufgebaut. „Wir haben sogar drei Intensivbehandlungsplätze mit Beatmungseinheiten, EKG und auf dem dritten Platz die Möglichkeit, kleinere chirurgische Eingriffe, wie nähen oder Blasen aufschneiden, vorzunehmen“, erklärt Langguth. Acht Ärzteteams kümmern sich um jeweils acht Betten. Hinzu kommt ein ärztlicher Leiter und ein EDV-Team mit fünf bis sechs Mitarbeitern. „Die Krankenversichertenkarte muss bei uns aber keiner vorzeigen“, sagt Langguth.

Am Ufer steht alle 50 Meter ein Wasserretter

Aufgebaut wird die ZMV ab Samstagabend. Um 1 Uhr nachts wollen sie damit fertig sein. Die Einrichtung stammt aus Ersatzgeräten des BRK, Leihgeräten und ganz neuen Geräten, die im täglichen Betrieb noch gar nicht eingesetzt werden. Neben der ZMV im Zielbereich ist das BRK an der gesamten Wettkampfstrecke, bei den 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und 42,195 km Laufen, vor Ort. „Am Ufer steht zum Beispiel alle 50 Meter beidseitig des Kanals ein Wasserretter“, erklärt Helmut Köhler, der Einsatzleiter der Wasserwacht. Athleten mit Problemen schwimmen eher an den Rand als zu den Booten. Dann werden sie von den Wasserwacht-Mitarbeitern direkt angesprochen.

Wenn der letzte Schwimmer der 3000 Einzelstarter und 600 Staffeln aus dem Kanal gestiegen ist, baut die Wasserwacht wieder ab. „Ab 11 Uhr ist der Kanal dann wieder frei“, erklärt Köhler. Die Arbeit ist damit allerdings noch nicht beendet. „Wir haben vor Jahren begonnen, auf der Laufstrecke am Kanal die ganze medizinische Versorgung vom Wasser aus zu machen.“ Neun Boote sind dort im Einsatz. Schräg gegenüber der Lände Roth hat dann Michael Langguth, dessen Mitarbeiter sich neben der medizinische Versorgung mit einem Küchentrupp auch selbstständig um die Verpflegung, die Technik und die Logistik kümmern, mit seinem Team wieder ein Zelt für bis zu zehn Patienten aufgebaut.

„Hier ist es manchmal schwieriger mit den Patienten als im Ziel“, erklärt der 61-jährige Köhler, im Hauptberuf Lehrer in Georgensgmünd. Der Grund: Die Athleten wollen meist am liebsten sofort weiterlaufen und nicht aufgeben, da sie ein Jahr auf den Challenge trainiert haben. Helmut Köhler erzählt beispielsweise von einem Japaner, der bewusstlos war, aber danach darauf bestanden hatte, wieder an dieselbe Stelle gebracht zu werden, um weiterzulaufen. „Nach 200 Metern ist er dann wieder zusammengebrochen – und dann auch noch ein drittes Mal.“ Ein Arzt musste geholt werden, der ihn aus dem Rennen nehmen konnte.

Dies ist kein Einzelfall. „Vor ein paar Jahren habe ich eine Frau gesehen, die barfuß auf dem Schotterweg gelaufen ist“, erinnert sich Köhler. „Sie hatte keine Füße mehr, sondern blutige Klumpen.“  Sie wollte aber weiterlaufen und hatte den BRK-Helfern zugerufen: „Jetzt bin ich schon 3,8km geschwommen, 180km Rad gefahren und muss nur noch 10km laufen! Da werde ich nicht aufgeben!“

Das BRK versorgt an diesem Tag nicht nur die Triathleten, sondern ist auch für die rund 120000 bis 150000 Zuschauer zuständig. Sechs Fahrzeuge sind an neuralgischen Punkten an der Radstrecke fest stationiert. Beispielsweise am Solarer Berg in Hilpoltstein gibt es zusätzlich eine Unfallhilfsstelle mit zehn Kollegen. „Hierher kommen hauptsächlich Besucher“, sagt Langguth, der hauptberuflich in der Verwaltung eines Industriebetriebs in Hilpoltstein arbeitet. „Dort ist immer gut zu tun.“

Die meisten Patienten kommen aber in die ZMV im Zielbereich: in ruhigen Jahren sind es mal nur 260, es waren aber auch schon über 600. „Das ist auch sehr stark wetterabhängig“, erklärt Langguth. Bei schlimmeren oder spezielleren Erkrankungen bringen die Helfer die Athleten und Zuschauer ins Krankenhaus, teils sofort in Spezialkliniken. Die Rother Kreisklinik arbeitet am Sonntag auch mit doppelter Besetzung.

90 Prozent der Athleten sind aber lediglich dehydriert, ihnen fehlt Flüssigkeit. „Mit Infusionen sind sie schnell wieder aufgepäppelt“, meint Langguth. Muskel- und Magenkrämpfe sowie ein Kreislaufkollaps – das größte Problem ist ein akuter Erschöpfungszustand. Und beispielsweise Schürfwunden oder andere kleinere Verletzungen werden behandelt. „Die Athleten haben im Ziel nicht selten weiße Turnschuhe, die dann rot sind.“

Die witzigste Geschichte, die Michael Langguth erlebt hat, würde aber vor allem einen Zahnarzt freuen: „Ich bin einmal hinter dem Schlussfahrzeug hergefahren. Der letzte Athlet hat nach jedem Riegel, den er gegessen hat, seine Zahnbürste ausgepackt und sich immer die Zähne geputzt. Und er hat sehr viele Riegel gegessen...“

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