Kieferbruch statt Barbiepuppen

23.5.2018, 16:37 Uhr
Kieferbruch statt Barbiepuppen

Der Samstag vor Pfingsten war nicht irgendein Samstag. Es war der große Tag, auf den die Football-Frauen der Erlangen Sharks ein ganzes Jahr lang hingefiebert haben. An den sie gedacht haben, jedes Mal, wenn sie im Winter auf den gefrorenen Nebenplatz der Spielvereinigung Erlangen an der Kurt-Schumacher-Straße gefallen sind. Der ihnen durch den Kopf ging, wenn im Hochsommer der Schweiß wie in Bächen unter dem Helm übers Gesicht lief und die Wahrnehmung, den Blick, alles in ein fiebriges Flimmern tauchte.

Kieferbruch statt Barbiepuppen

"Darauf bin ich eigentlich am meisten stolz", sagt Johanna Frankenberg, "dass wir es als Trainerteam geschafft haben, die Mädels immer bei Laune zu halten. Über zwei Jahre lang." Im August 2016 war die 32-Jährige, die in Eichstätt arbeitet und in Weißenburg wohnt, über Freunde zu den Sharks gelangt. "Es hieß, dort haben sie eine Frauenmannschaft aufgemacht." Doch als Frankenberg das erste Mal zum Training kam, da hatten sie das Team eben wieder zugemacht.

"Der Kader war zu klein und wir hatten nach zwei Spielen zu viele Verletzte. Außerdem waren die Fahrten zu weit, das Wochenende bestand nur noch aus Football", sagt Lisa Schwarz, die damals noch zum Team gehörte und mittlerweile in ihrer Abschlussarbeit an der Uni steckt.

Erst nur trainiert

Also haben sie eben erst einmal nur trainiert – und Johanna Frankenberg ist trotzdem geblieben, "weil die Liebe zum Football einfach zu groß ist". Erwischt hat es sie ganz klassisch und fast ein wenig kitschig: Auf den ersten Blick. Als Austauschstudentin 2002 in den USA hat sie irgendjemand mit zum Football geschleppt, fortan war sie jeden Freitag unterwegs: Heimspiele, Auswärtsspiele – "Es war einfach mega geil, wie die Leute dort ausgerastet sind, das Feld gestürmt haben, wenn kurz vor Schluss dem Special Team noch der entscheidende Punkt gelungen ist."

Kieferbruch statt Barbiepuppen

Zurück in Deutschland hat sie dann dem Fußball den Rücken gekehrt – als der Trainer einst meinte, sie solle sich fallen lassen, wenn im Sechzehner eine Gegnerin den Fuß hinhält. Johanna Frankenberg ist aber nicht so jemand, bei ihr muss es vielmehr krachen. "Jemand, der Football spielt", erklärt Alexander Zeh, an diesem großen Samstag Trainer des Gegners, der Nürnberg Rams, die ihre Mannschaft auch erst gegründet haben, "hat einen besonderen Charakter. Das sind keine Barbiepuppen." Man erkenne das schon im Kindesalter: "Das sind die, die wenn sie hinfallen nicht gleich weinen." So eine war auch Johanna Frankenberg, "ich hab’ immer zerrissene Hosen getragen", meint sie. Das gilt aber nicht für alle in ihrem Football-Team: Es ist ein Pool für verschiedene Frauen mit unterschiedlichsten Staturen. Es gibt die zierliche Studentin, die kommt, weil ihr Freund auch Football spielt. Es gibt die kräftige Arbeiterin, die kommt, um mal jemanden anzurempeln. "Es gibt einige Frauen bei uns", sagt Alexander Zeh, der seit über 15 Jahren Football spielt, "von denen würde ich mich eher nicht tacklen lassen. Das tut zu sehr weh".

Kieferbruch im Tackle

So wie am Samstag dann, als sein Quaterback sich in der allerersten Aktion, auf die auch die Rams zwei Jahre hintrainiert haben, den Kiefer im Tackle brach. "Das hat uns aus dem Konzept gebracht", sagt der 33-Jährige – und Erlangen auf die Siegerspur: 30:0 stand es am Ende, ein Kantersieg zum Saisonauftakt in der 2. Bundesliga. "Dabei kennen noch nicht einmal alle die Regeln", sagt Frankenberg. Sie selbst war Nationalspielerin, ihren Nebenleuten muss sie erklären, dass das Spiel mit einem Münzwurf beginnt, ein Kickoff folgt sowie ein Kickoff-Return. Warum tut sich jemand wie sie so etwas an? "Weil die Liebe zu diesem Sport so groß ist."

Die soll nun möglichst anhalten bei den 34 Frauen, die die Sharks durch aufwendige Aktionen zum Football gelockt haben. Noch einmal jedenfalls soll es nicht in der Auflösung enden, "ich glaube", sagt Frankenberg, die Spielertrainerin, "diesmal sind wir alle bereit dafür". Aus vier Teams besteht die Liga, neben den Rams gibt es noch ein Team aus dem Allgäu und aus Regensburg. "Natürlich waren wir alle ein wenig aufgeregt vor dem ersten Spiel", sagt Johanna Frankenberg, "aber das ist mit den ersten Punkten schnell verflogen." Die Aufregung hat Platz gemacht – für die Liebe zu diesem besonderen Spiel.

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