Kleeblatt-Saisonfinale wird zum Schneckenrennen

23.4.2018, 05:56 Uhr
Kleeblatt-Saisonfinale wird zum Schneckenrennen

© Sportfoto Zink

Friedrich Nietzsche und die Abseitsregel? Platon und der Videobeweis? Auch Kants kategorischer Imperativ dürfte im Profifußball kaum Verwendung finden. Lediglich Schopenhauers Erkenntnistheorie birgt womöglich Ansätze, die Methodik und die Zweifel an der Überzeugung im Abstiegskampf erklären könnten.

Fußball ist ein einfaches Spiel. Das finden die Engländer, zumindest immer dann, wenn sie mal wieder ein Elfmeterschießen bei einem großen Turnier gegen die Deutschen verloren haben. Doch so simpel, wie es etwa Gary Linekers landläufig bekannte Analysen vermuten lassen, ist es dann doch nicht. Natürlich: Wer mehr Tore schießt, gewinnt. Aber warum verliert ein Team plötzlich den Glauben an sich selbst – gerade dann, wenn es sich eigentlich eines psychologischen Vorteils bewusst sein müsste? Schwierig. Genau dieser Fall dürfte die SpVgg Greuther Fürth in dieser Woche beschäftigen. Wenn in der Mühle Profifußball und der wachsenden Unsicherheit im Klassenkampf der zweiten Liga überhaupt Zeit für tiefschürfende Erkenntnisse bleibt.

Auf der Suche nach dem Matchplan

Das 1:1 am Freitagabend gegen den VfL Bochum wirft jedenfalls mehr Fragen auf, als es Antworten liefert. Einen Teilerfolg konnten die Protagonisten unmittelbar nach Spielschluss nicht in dem einen Punkt sehen. "Das fühlt sich wie eine Niederlage an", befand etwa Khaled Narey zu dem späten Ausgleich der Westdeutschen – wobei gerade Narey großen Anteil daran hatte, dass Fürth nicht als Sieger den Platz verließ.

Die zwei Großchancen des Deutsch-Kongolesen hätten dem Kleeblatt im besten Fall bereits vor der Pause ein komfortables Polster ermöglicht – und womöglich auch den Rückenwind im Abstiegskampf verschafft, den man 45 Minuten später nach der Punkteteilung lange und letztlich vergebens suchte. Alles suchte nach Erklärungen und schien teilweise sogar fassungslos. Auf "ein absolut geiles Spiel unserer Mannschaft vor der Pause" hatte Fürths Sportdirektor Rachid Azzouzi vehement verwiesen und spitzte die vorherrschende Unsicherheit in einer emotionalen Rede zu: "Ein, zwei Tore zur Nervenberuhigung wären gut gewesen."

Doch der Kampf um ein weiteres Jahr im Unterhaus ist für den derzeit dienstältesten Zweitligisten längst zu einem Kampf ums Überleben geworden. Einen Abstieg und die womöglich daraus resultierenden Konsequenzen mag sich am Laubenweg niemand ausmalen – die Schuldenlast durch den Stadionumbau, die von zehn auf knapp eine Million Euro fallenden Zuwendungen aus dem TV-Vertrag, der drohende radikale Schnitt. Fraglos eine Horror-Vision. "Existenzspiel" hatte Trainer Damir Buric das Duell mit Bochum im Vorfeld auch unter diesen Eindrücken genannt.

Ohne Angst auf den Rasen

Diesem Druck und nicht dem, den Bochum nach der Pause vermeintlich erzeugte, hielt Fürth nicht stand. Schopenhauers irrationales Prinzip, wonach rationales Denken gegenüber subjektiven Anschauungen hintenansteht, brach sich Bahn. Fürth versuchte nur noch, etwas krampfhaft zu verteidigen, anstatt die aus dem Spielstand resultierenden eigenen Möglichkeiten zu sehen. "Das ist Abstiegskampf, da spielt der Kopf eine Rolle. Da wirst du zu passiv", versuchte sich Azzouzi an einer Erklärung für das Rückzugsverhalten der Gastgeber nach der 1:0-Führung zur Halbzeit. "Wenn du hintendrin stehst, hast du immer Angst."

Nur ist Angst im Sport bekanntermaßen ein schlechter Ratgeber. So würde sich der Abstiegskandidat in den laut Azzouzi nun anstehenden "drei Endspielen" beim FC St. Pauli, gegen Duisburg und in Heidenheim nur selbst im Weg stehen. Trainer Buric findet die Ursachen dafür "nur menschlich" und sagt: "Stress und Druck haben wir, seitdem ich in Fürth bin. Woche für Woche." Die Stressresistenz wird aber nicht zunehmen, wenn vermeintliche Haudegen wie ein Roberto Hilbert und Jurgen Gjasula genau in solchen Situationen weit unter ihren Möglichkeiten bleiben. "Wir werden unsere Lehren ziehen", versprach der Trainer: "Wir sind bisher mit Druck gut umgegangen und werden das auch weiter tun."

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