Lacrosse: Eine Schlacht mit Schnelligkeit

1.7.2013, 12:46 Uhr
Martialisch steht der Lacrosse-Gladiator in der Nürnberger Abenddämmerung.

© Stefan Hippel Martialisch steht der Lacrosse-Gladiator in der Nürnberger Abenddämmerung.

Das Kriegsbeil ist ausgegraben. Die Stammesführer der Gelbhäute sitzen auf dem Gras, die Köpfe dicht zusammen. Sie murmeln im Verborgenen, gestikulieren wild und lachen dann laut auf. Der Plan, wie sie die Rothäute aus dem Süden besiegen wollen, steht.

Der Häuptling ist vollgepumpt mit Adrenalin; er schreit, feuert seine Männer an. Alle Krieger tragen einen Helm mit Visier, haben Schulter- und Brustpanzer übergeworfen. Sie sind bereit für den Kampf. Ihre Waffen: Stöcke mit einem Fangnetz.

Auch wenn es der Wahrheit entspricht, dass diese Sportart von amerikanischen Ureinwohnern zur Vorbereitung auf Kriege mit anderen Stämmen gespielt wurde, so dürfte doch spätestens jetzt auffallen, dass dieser Kampf nicht mit Toten auf dem Schlachtfeld endet.

Der Häuptling, das ist Mathis Dollinger. Die Gelbhäute, das sind seine „Tribesman“ (englisch für Stammesangehörige) mit gelben Trikots aus Erlangen. Sie sind nach Nürnberg gekommen, um gegen die Männer von „Nürnberg Lacrosse“ zu spielen.

Rennen bis zum Lungenkollaps

Wie zwei Sprinter in den Startblöcken stehen sich die Spieler Kopf an Kopf gegenüber. Die Schläger liegen am Boden, mit beiden Händen fest umklammert. Wenn der Schiedsrichter pfeift, dann kracht es. Aus dem Gerangel kommt irgendwie und irgendwo ein weißer Ball zum Vorschein — die Schlacht ist eröffnet.

Diese Beschreibung reicht eigentlich aus, um die Sportart grob zu umreißen. Etwas mehr ist es dann doch: Beim Lacrosse spielen zwei Mannschaften à zehn Spieler gegeneinander. Ziel ist es, mit dem Schläger, an dem ein taschenartiges Netz befestigt ist, den Ball im zwei mal zwei Meter großen Tor unterzubringen. Eine Partie auf dem fußballfeldgroßen Platz dauert viermal 20 Minuten. Feldspieler rennen, bis die Lunge fast kollabiert. Dann wird ausgewechselt.

Lacrosse: Eine Schlacht mit Schnelligkeit

© Stefan Hippel

Bei Männern ist harter Körperkontakt erlaubt. „Vom Körper bis zur Hüfte kann ich meinen Gegner checken“, erklärt Mathis Dollinger. Seinen Schläger, den Stick, hält er mit beiden Händen quer vor dem Körper — das ist die Abwehrhaltung eines Defenders. Der 26-Jährige ist groß gewachsen, mit dem Schulterpanzer sieht er noch breiter aus. Schubser von hinten sind nicht erlaubt, erklärt er, Hiebe auf den Stick schon.

Berkay Bekler juckt es in den Fingern. Seine Augen folgen dem Hartgummiball, der von Netz zu Netz geschleudert wird. Nervös schreitet er am Spielfeldrand auf und ab. Heute kann er nicht mit Trikot und Stick auf dem Platz stehen, sein Semester-Stundenplan hat es nicht zugelassen. Der 21-Jährige will Bauingenieur werden, seine Freizeit widmet er Randsportarten. Im Internet ist er auf Lacrosse gestoßen, das bei den Olympischen Spielen 1904 sogar Wettkampfdisziplin war. Kurz darauf stand er das erste Mal bei der DJK BFC in Nürnberg auf dem Platz. Er beschreibt es so: „Eine Mischung aus Hockey, American Football und Fußball.“

Die Mannschaft hat ihn sehr gut aufgenommen. „Sie waren sehr offen und haben mich als Fremden toll empfangen“, sagt Bekler und hat schnell festgestellt, dass jede Statur und körperliche Verfassung beim Lacrosse gefragt sind. Einen Tipp gibt er den Zuschauern noch mit: „Wenn der Ball angeflogen kommt, schnell ausweichen.“ Der Versuch, das Hartgummi-Geschoss mit der nackten Hand zu fangen, würde mindestens mit einer Prellung enden — Profis beschleunigen den Ball auf über 100 Kilometer pro Stunde.

Für die Spieler sind (neben Helm, Tiefenschutz und Trikot) deshalb dick gepolsterte Handschuhe Pflicht. Der Torwart trägt zusätzlichen Schutz an Hals, Brust und Beinen. Blaue Flecken und Prellungen „können schon vorkommen“, sagt Nürnbergs Kapitän Philipp Lind (28). Größere Verletzungen gibt es allerdings kaum.

Furchtlos trotz Unterzahl

Die Nürnberger sind den Tribesman zahlenmäßig hoffnungslos unterlegen. Nicht, weil sie den Gegner aus Erlangen fürchten. Mehr gibt ihre Aufstellung einfach nicht her. 17 Männer haben sich seit der Gründung im Oktober 2012 angemeldet, ein Dutzend erscheint regelmäßig zum Training.

Die Tribesman übernehmen für die Nürnberger die Rolle eines Paten. Mit ihrer Starthilfe und laufender Unterstützung hat sich die Nürnberger Gruppe aufgebaut. Seitdem wächst das Team und sucht nach Sponsoren für Trikots und Ausrüstung.

Die Akteure geben keinen Zentimeter preis.

Die Akteure geben keinen Zentimeter preis. © Stefan Hippel

Weil Lacrosse kaum bekannt ist, fehlt es der Mannschaft an Nachwuchs. „Für ein Probetraining haben wir alles da“, sagt der Kapitän und betont: „Jeder, egal ob groß oder klein, schnell oder langsam, ist herzlich willkommen.“ Erst, wenn feststeht, dass man ein Krieger werden will, lohnt der Kauf einer Ausrüstung. Die nämlich kostet, Schläger und Protektoren inklusive, über 200 Euro.

Am Ende des Tages sind sich die Häuptlinge beider Teams einig: Die Übungsschlacht (das Ergebnis war an diesem Tag Nebensache) soll zu einer Regelmäßigkeit werden. Das Kriegsbeil ist also begraben und die temporär verfeindeten Stämme sitzen im schwachen Licht der Dämmerung am Spielfeldrand beisammen, reichen einheimisches Bier und plaudern über die Partie. „War’s hart für euch?“, fragt der Erlanger Häuptling. „,Ungewohnt’ trifft es eher“, antwortet der Nürnberger.

„Nürnberg Lacrosse“ sucht noch Spieler. Das Training findet montags von 19 bis 21 Uhr und donnerstags von 19.30 bis 21.30 Uhr in der Hofer Straße 30 statt.
 

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