Laporte: "Warum soll ich ein Drecksack sein?"

10.3.2008, 00:00 Uhr
Laporte: "Warum soll ich ein Drecksack sein?"

© Bauer

Nach dem letzten Finalspiel in Mannheim soll sich die Mannschaft in der Kabine etwas geschworen haben.

Benoit Laporte: Wirklich? Da von weiß ich gar nichts. Das müssen sie ohne mich gemacht haben. Aber für mich ist es eine normale Reaktion, sich zusammenzusetzen, dass wir nächstes Jahr zurückkommen, um alles besser zu machen.

Letztes Jahr kam die Finalteilnahme überraschend. Jetzt träumen die Fans vom Titel. Für Sie zu voreilig?

Laporte: Es ist gut, große Erwartungen zu haben. Aber man sich bewusst machen, dass, wenn man verliert, auch die Enttäuschung sehr groß sein wird. Wir starten wieder bei Null. Und, wenn ich mir die Kader der anderen Mannschaften anschaue, weiß ich, dass mein Team vom Talent her nicht die beste Mannschaft ist. In Mannheim, Berlin, Köln, Hamburg und Düsseldorf gibt es sechs, sieben Spieler, die weit mehr als 100000 Euro verdienen. Wir haben keinen einzigen.

Aber ein großes Gehalt ist nicht gleichbedeutend mit großem Talent.

Laporte: Genau. Ich denke, wir haben komplette Spieler. Die anderen mögen sehr gute eindimensionale Spieler haben. Wir haben Spieler, die in beide Richtungen denken.

Mit Ahren Spylo als Ausnahme...

Laporte: Das ist wieder eine andere Geschichte. Ahren ist kein schlechter Mensch – ganz im Gegenteil. Er ist sehr feinfühlig, hat sehr viel Leidenschaft. Und ich habe erst spät erkannt, dass ich mich am Anfang der Saison ohne Grund mit ihm angelegt hatte. Er hat es nur nicht besser gelernt. Das ist das Problem mit außergewöhnlichen Spielern, die schon als Siebenjährige in ihrer Liga dominieren und von denen der Trainer Tore verlangt, damit er gewinnt. Nur lernen diese Spieler dabei nicht zu passen, für die Mannschaft zu spielen.

Zurück zu den Erwartungen...

Laporte: Wir müssen bescheiden und realistisch bleiben – aber wir wissen auch, dass wir eine sehr große Chance auf den Titel haben, wenn jeder Spieler zuerst an die Mannschaft und dann an sich selbst denkt.

Als Sie hierher kamen, haben Sie die Mentalität beklagt. Den Pessimismus. Das Image der Ice Tigers. Den «Viertelfinalfluch«. Jetzt hat neues Selbstbewusstsein Einzug gehalten, die Mannschaft eine Siegermentalität entwickelt. Ist das Ihr Verdienst?

Laporte: Nein, das kommt alles aus der Gruppe. Ich gebe nur die Linie vor. Wenn wir den Titel gewinnen sollten, dann wegen des Zusammenhalts.

Haben Sie einen solchen Zusammenhalt schon einmal zuvor erlebt?

Laporte: Nur so viel: Wir trainieren so oft, sehen uns jeden Tag. Aber das ist das erste Mal in meiner Karriere, dass der Großteil der Mannschaft gemeinsam nach Österreich gefahren ist, als ich ihnen vier Tage frei gegeben hatte. Das zeigt die außergewöhnliche Stimmung in dieser Mannschaft.

Aber das muss doch etwas mit Ihrem Einfluss zu tun haben.

Laporte: Naja, mich haben sie nicht eingeladen. Viel scheine ich damit nicht zu tun zu haben.

Gab es ein spezielles Spiel, das diesen Zusammenhalt ausgelöst hat?

Laporte: Nachdem sich Shane Peacock verletzt hatte, haben wir acht von elf Spielen gewonnen – und das obwohl auch Dimitrij (Kotschnew) krank wurde. Aber Patrick (Ehelechner) hat übernommen und die Mannschaft hat gemerkt: Verdammt nochmal, dieses Jahr haben wir eine echte Chance. Das war ein ungeheurer Vertrauensschub. Außerdem haben wir in dieser Zeit realisiert, dass es dieses Jahr keinen echten Favoriten gibt und wollten uns für diese Rolle bewerben.

Zu Beginn der Siegesserie hat Günther Hertel damit gedroht, sich als Hauptgesellschafter zurückzuziehen.

Laporte: Ich glaube nicht, dass sich das ausgewirkt hat. Otto (Sykora) und ich haben dem Team erklärt, dass er das gemacht hat, um Sponsoren zu motivieren. Ehrlicherweise hatten wir damit gerechnet, dass es sich negativ auswirkt. Aber wir haben so gute Spieler, dass sich keiner Sorgen machen musste, seinen Job zu verlieren.

Aber normalerweise werden doch sofort andere Manager hellhörig.

Laporte: Ja, aber das unterscheidet Otto eben von anderen Managern. Er denkt und handelt schneller. Im Herbst hat er (Geschäftsführer Christian) Riedle schon nach dem neuen Etat gefragt, um mit Ahren zu verlängern. Damals wäre alles erledigt gewesen. Dann hat Hamburg das Doppelte von dem geboten, was Spylo hier verdient. Die Höhe des Etats kennen wir auch heute noch immer nicht.

Auch nach großen Siegen wie gegen Berlin und Mannheim hatten Sie immer etwas zu meckern. Fehlt Ihnen es Ihnen dann nicht am Ziel, sollten Sie tatsächlich den Titel gewinnen?

Laporte: Wer gewinnt, neigt dazu zufrieden zu sein. Kleine Fehler schleichen sich ein und werden immer größer. Und dann verlierst du ein Spiel und kannst das Ruder nicht mehr herumreißen. Und wenn ich zufrieden bin, wie kann ich von meiner Mannschaft verlangen, niemals zufrieden zu sein. Ab dem 18. März werde ich ein neuer Benoit Laporte sein. Warum soll ich in den Play-offs ein Drecksack sein, wenn ich zuvor sieben Monate hatte, um das Team vorzubereiten?

Was wäre dann Ihr nächstes Ziel?

Laporte: Elf Mal in meiner Karriere habe ich einen Titel gewonnnen, Meisterschaften, Europa-Cup und so weiter – aber ich trage nur den italienischen Meisterring. Nur der Titel mit Asiago bedeutet mit etwas, weil ich da etwas geschafft habe, was noch niemandem gelungen ist. Das werde ich auch meinen Spielern sagen. Wir leben 2008 und sagen Sie mir, wer auf dieser Welt sagen kann, dass er etwas geschafft, was noch niemandem zuvor gelungen ist. Sagen Sie es mir! Nürnberg hat noch keinen Titel gewonnen, wir haben dazu die Möglichkeit. Sollte es soweit sein, heißt es für mich, wieder zu einem Team zu gehen, das noch nie Meister wurde. Ich bin kein Trainer, der vier, fünf Jahre an einem Ort bleiben kann. Das habe ich auch Otto schon gesagt, als er meinen Vertrag um drei Jahre verlängern wollte. Was bleibt einem noch, wenn man Meister wird? Ich werde nach einer neuen Herausforderung suchen. Noch fühle ich die Kraft in mir. In fünf Jahren, wenn ich vielleicht an Energie verloren habe, kann ich mich immer noch darauf beschränken, mit jungen Spielern zu arbeiten oder eine Nationalmannschaft zu übernehmen.

Heißt das, Sie sagen «Auf Wiedersehen« wenn Nürnberg Meister wird?

Laporte: Die Wahrscheinlichkeit ist groß, ja.

Wie bitte?

Laporte: Sie haben mich gefragt, was ich machen werde, wenn Nürnberg Meister wird. Ich denke, ich war immer aufrichtig. Und das ist nunmal meine Karriere und mein Plan.

Sie haben in Frankreich und Italien gelebt, verbringen den Sommer in Quebec. Aber ist Nürnberg mittlerweile auch so etwas wie Heimat für Sie?

Laporte: Nürnberg ist eine tolle Stadt mit viel Geschichte. Das erste, was ich gemacht habe, als ich hierher kam, war, mir den Gerichtssaal 600 anzuschauen. Als ich nach Frankreich kam, habe ich zunächst nicht verstanden, wie die Menschen nach dem Grauen des Zweiten Weltkriegs so friedlich nebeneinander leben konnten. Ich kam aus Quebec und wusste nichts. Als ich dann mit der französischen Nationalmannschaft gegen Deutschland gespielt habe ich mich über die fehlende Aggressivität gewundert. Mittlerweile habe ich in Nürnberg zwei gute Freunde gefunden. Mit Deutschen eine tiefe Freundschaft aufzubauen, ist nicht einfach, weil sie wissen, dass du irgendwann wieder gehen wirst. Sie schützen sich da mehr vor der Enttäuschung als Italiener. Oder wenn in Quebec jemand an der Ecke steht und ein ratlos schaut, wird er sofort gefragt, ob er Hilfe braucht oder einen Kaffee trinken will. Oder als ich alleine in Italien war, habe ich keinen Tag alleine essen müssen. In Augsburg war ich zwei Jahre und wurde nicht einmal von meinem Manager zum Mittagessen eingeladen. Hier in Nürnberg hingegen war das anders. (Der damalige Präsident Herbert) Frey hat mich eingeladen, Otto lädt mich oft zum Grillen ein. Im ersten Jahr in Deutschland ist es schwer, sich daran zu gewöhnen. Und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass Nürnberg meine zweite Heimat ist. Meine zweite Heimat nach Quebec ist Briancon. Aber nach drei Jahren fühle ich mich hier sehr wohl. Aber wie gesagt, immer, wenn man sich wohl fühlt, wird es gefährlich.

In Nürnberg regiert der Fußball...

Laporte: Sie haben sogar mich gekriegt. Fünf Europacup-Spiele habe ich mir angesehen. Das Spiel habe ich aber immer noch nicht verstanden. Im Eishockey bieten wir auf 50 Meter weniger wesentlich mehr Action und Geschwindigkeit. Ich kann nicht verstehen, warum wir um 5000 Zuschauer kämpfen und deren Stadion immer voll ist, selbst wenn sie auf einem Abstiegsplatz stehen.

Dann machen Sie doch mal Werbung: Drei Gründe, warum man die Ice Tigers dem Club vorziehen sollte?

Laporte: Bekomme ich dann nicht Probleme? Egal, sie sollten uns vorziehen, weil unsere Show besser ist.

Eine bessere Show?

Laporte: Okay, kein guter Grund. Eine Show rund um das Eishockey bieten wir wirklich keine. In Amerika habe ich einen Freund besucht, der für das Marketing eines AHL-Klubs zuständig ist. Die Mannschaft ist Letzter und trotzdem ist die Halle jedes Spiel ausverkauft. Da werden T-Shirts in die Menge geschossen, Mädchen im Bikini aufs Eis geschickt. In jeder Unterbrechung wird das Publikum auf dem Videowürfel unterhalten. Das ist unglaublich. Seit zwei Jahren bitte ich ihn, dass er hierherkommt, er müsste nur das Flugticket zahlen – aber die Show hier ist ja noch nicht einmal ein Grund, vom Franken-Stadion in die Arena zu kommen.

Kümmern Sie sich als Eishockey-Purist tatsächlich um diese Dinge?

Laporte: Es gehört dazu. In jedem Spiel gibt es einen Zeitpunkt, in dem das Team müde wird. Dann kann die Stimmung helfen, aber nicht nur in der Arena. In der ganzen Stadt müssen Poster hängen. Eishockey muss präsent sein. Wir können Fußball nicht als Gesprächsthema Nummer eins ablösen. Aber versuchen müssen wir es wenigstens.

Und Pucki?

Laporte: Pucki ist cool. Das ist ein Grund, zum Eishockey zu kommen.

Und zwei weitere?

Laporte: Eishockey ist hart, schnell, es gibt keine Schauspieler, die sich zwei Minuten auf dem Rasen wälzen, weil jemand ihre Frisur berührt hat.

Ihre Mannschaft scheint perfekt auf die Play-offs vorbereitet zu sein, was machen Sie, um sich vorzubereiten?

Laporte: Ich? Nichts! Ich habe viele Schwächen. Aber eine große Stärke. Ich bin nie nervös und kann auch in den Play-offs gut schlafen. Ich genieße diese Zeit einfach.

Seit fünf Jahren sind Sie DEL-Trainer. Sind Sie zufrieden mit der Liga?

Laporte: Die DEL ist nicht schlecht. Ich bin wirklich gerne Coach in dieser Liga. Sollte ich Deutschland verlassen, kann ich nur nach Finnland, Schweden, Russland oder in die Schweiz gehen, um mich zu verbessern. Aber ich denke, ein großes Problem ist der ungleiche Spielplan. Dieses Jahr haben zwei Mal drei Heimspiele in Folge gehabt. Wer soll sich das leisten können? Ein weiteres großes Problem, ist die Disziplin. Wegen einer Kleinigkeit hat man unsere Beschwerde nach dem Foul an Peacock nicht berücksichtigt. Der Frankfurter Manager hat auf Premiere rumgebrüllt und damit eine Sperre erwirkt. Je mehr du brüllst, desto mehr bekommst du. Wenn sie das Foul an Peacock auf Premiere gezeigt hätten, wäre (Martin) Hlinka für den Rest der Saison gesperrt worden. Die DEL sollte eine unabhängige Diszplinarkomission gründen.

Wie die Trainer und Manager, so auch die Spieler auf dem Eis?

Laporte: Genau. Die Schwalben sind unerträglich. Wenn sie das lösen, wird sich das Spiel zum Besseren verändern. In Deutschland verurteilt man die Faustkämpfe in Nordamerika. Aber dort trauen sich die Spieler nicht, sich hinfallen zu lassen, oder nach Fouls nicht zu schauspielern, um große Strafen zu erwirken, weil sie es später im Spiel spüren würden.

Zurück zu den Play-offs: Gibt es ein Team, dass die Ice Tigers in drei von fünf Spielen besiegen kann?

Laporte: Ich kann Ihnen sieben Teams nennen. Zumindest auf dem Papier. Du musst vor allen Mannschaften Respekt zeigen. Wenn zum Beispiel Hamburg das Eishockey spielen anfängt, sind sie sehr gefährlich.

Sie haben den italienischen Meisterring erwähnt. Was würden Sie sich hier wünschen? Noch einen Ring?

Laporte: Eine Uhr wäre besser. Aber ich kenne einige Spieler, die auch mit einem Ring zufrieden wären.