Maly: "Der Club passt zu Nürnberg, die Stadt passt zum Verein"

8.5.2018, 14:59 Uhr
"Freuen tun wir uns gleich, nur die äußere Erscheinungsform ist unterschiedlich": Petra und Ulrich Maly (Archivbild) sind in Nürnbergs Stadionachteck gern zu Gast.

"Freuen tun wir uns gleich, nur die äußere Erscheinungsform ist unterschiedlich": Petra und Ulrich Maly (Archivbild) sind in Nürnbergs Stadionachteck gern zu Gast.

Gerüchteweise, Herr Oberbürgermeister, hört man, dass im Hause Maly die Gattin der noch größere Fußballfan sei.

Maly: Sie ist auf jeden Fall der lautere und leidenschaftlichere, aber ich bin auch seit Jugendzeiten dabei. Ich neige nur nicht so zum Gefühlsausbruch, weder positiv noch negativ. Meiner Frau hingegen ist es auf der Haupttribüne manchmal zu ruhig. Freuen tun wir uns gleich, nur die äußere Erscheinungsform ist unterschiedlich. 

 Wie ging das denn los mit Ihnen und dem Club? Haben Sie erste Erinnerungen aus der Kindheit?

Maly: Ich weiß nichts mehr über die Meisterschaft 1968, da war ich erst acht Jahre alt, und auch nichts mehr über den ersten Abstieg. Als Kind ist man zu weit weg. Der Club hat bei uns zu Hause nicht die Hauptrolle gespielt, aber mein Vater hat immer "Heute im Stadion" gehört und man hat sich mitgefreut. Bei mir ging es los Mitte der siebziger Jahre: Stehplatz, Dauerkarte. Ich müsste, nach meiner Rechnung, auch alle acht Aufstiege mitgemacht haben. Die ersten noch mit Aufstiegsrunden und oft schrecklichen Ereignissen. Es ist also eine Leidenschaft, die nicht dienstlich geheuchelt ist, sondern innen drin sitzt.

War das vielleicht ein Beschleuniger für die Liebe zu Frau Maly? Dass auch sie diesen Club sehr mag?

Maly: Nein. Aber es macht Spaß, wenn man das Hobby teilt. Oder, besser: diese Leidenschaft. Schöner, als wenn einer zum Fußball geht und der andere traurig zu Hause hockt - egal, in welcher Kombination. Meine Frau ist es auch, die dafür sorgt, dass unwichtige Termine abgesagt werden, wenn der Club spielt. Da ist sie sehr nachhaltig.

Geraten Sie manchmal in Streit über das Thema 1. FC Nürnberg?

Maly: Wir sind nicht immer einer Meinung, das heißt aber nicht, dass man deshalb gleich streiten muss. Im Großen und Ganzen sehen wir es schon ähnlich.

Frotzeln ja, Streiten nein 

Passiert Ihnen das manchmal mit anderen Menschen: dass Sie über Fußball streiten müssen?

Maly: Über Fußball soll man nicht streiten. Das ist ein Thema, das mich bedrückt. Zum Beispiel beim Franken-Derby oder wenn jetzt die Bayern wieder nach Nürnberg kommen, da werden wir wieder viele Polizisten brauchen. Das, was eigentlich Sport sein soll, geht mitunter - mal mit, mal ohne den Einfluss von Alkohol - in blinde Aggression über. Das bekümmert mich wirklich. Es gehört sich nicht, über Fußball zu streiten. Frotzeln tun der Thomas Jung (Fürths Oberbürgermeister, die Red.) und ich uns immer, aber ich wünsche den Fürthern jetzt alles Gute, dass sie nicht absteigen. Das ist keine diplomatische Antwort, gerade wir, die wir wissen, wie schrecklich das Absteigen ist, wünschen es den Fürthern nicht, dass ihnen das widerfährt.

Sané, Pinola, Mintal

Sie sagen, dass Sie alle acht Aufstiege miterlebt haben. Gibt es da Unterschiede, gibt es einen schönsten?

Maly: Wahrscheinlich war der erste schon besonders, weil es das erste Mal erste Liga in der eigenen Zuschauer-Karriere war. Dann gab es natürlich die Zeit mit den jungen Wilden nach dem Mannschaftsaufstand, als der Club dann ja sogar mal bis in den Europapokal vorgedrungen ist. Diese junge Mannschaft hat bei den Heimspielen nicht Existenzängste produziert, sondern das Bewusstsein: Da geht was voran. Und viele von denen sind ja einen guten Weg gegangen. Es gibt viele Erinnerungen an beliebte Spieler. Sammy Sané war beliebt in der Familie Maly, Javier Pinola war beliebt in der Familie Maly, oder Marek Mintal, den ja sowieso jeder liebt.

In der ganzen Familie? Man hört ja oft, dass Vater oder Mutter zum Club halten, aber die Kinder zu einer Zeit aufgewachsen sind, in der mit dem 1. FC Nürnberg kein Staat zu machen war. Sind Ihre Kinder ebenfalls Club-Fans?

Maly: Ja. Die Haupterziehungsarbeit lag berufsbedingt bei meiner Frau, und damit ist das schon erklärt.

 Und damit müssen manchmal alle auch leiden. Sie haben vor Jahren einmal diese schöne Geschichte erzählt: Sie waren im Urlaub und nur mal kurz einkaufen - und, zack, war der Club abgestiegen.

Maly: Genau, das war damals mit Freiburg, als am Ende das Torverhältnis entschied. Wir haben das im Radio gehört. Ich habe gesagt, das ist jetzt eigentlich entschieden, und bin schnell einkaufen gegangen. Da waren die Kinder noch klein, es muss also Ende der Neunziger gewesen sein. Dann komme ich zurück und alle sitzen mit leichenbitterer Miene in den Campingstühlen. Da wusste ich, das Unmögliche ist passiert.

"Abstiege sind einfach immer scheiße" 

Das Drama von 1999, ja. Trifft einen das dann immer noch persönlich, dieses Auf- und Absteigen?

Maly: Ein Aufstieg trifft einen immer persönlich wegen des hohen Glückshormonspiegels. Und Abstiege sind einfach immer scheiße. Dafür fällt mir jetzt auch kein schöneres Wort ein.

 Wie bewahrt man sich denn angesichts solcher Erlebnisse die Leidenschaft für diesen Verein? Ist das nicht manchmal schwierig?

Maly: Nein. In der Politik gibt es den Spruch: Mit Geld kann es jeder. Und im Fußball ist es auch so. Mit Geld und freier Verfügbarkeit über die Stars dieser Welt kann es jeder. Wenn man sich dagegen die Rolle des Clubs als - blödes Wort und den Fans fällt es schwer, das zu hören - Ausbildungsverein anguckt, dann ist das ja eigentlich keine schlechte Rolle. Das bedeutet zwar, dass, wenn Spieler wie Ilkay Gündogan durchstarten, du sie verlierst. Aber wenn sie durchstarten, dann weißt du, der hat in seinen jungen Jahren bei uns gespielt – und unsere Talentsichtung funktioniert.

Der Club, Nürnberg, als glückliche Karrierebeförderer?

Maly: Ich wähle einen gewagten Vergleich, der es aber trifft: Der junge Christian Thielemann war bei uns Generalmusikdirektor. Der verdient jetzt ein Vielfaches, den könnten wir uns gar nicht mehr leisten, aber er hat bei uns dirigiert. Das zeigt, dass du damit leben musst als die Großstadt, die nicht das meiste Geld hat, dass dich manchmal jemand verlässt. Aber wenn jemand hier Spuren hinterlassen hat, dann ist das nichts Schlechtes. Das ist die Kunst, und für den Club geht es jetzt darum, sich ein bisschen festzusetzen in der Bundesliga.

Künstlerisches mit Gündogan und CR7 

Das ist eine schöne Vorlage mit Christian Thielemann und Ilkay Gündogan, zwei Genies auf ihren jeweiligen Spielfeldern. Kann man Fußball und Kunst vergleichen?

Maly: Ja, schöner Fußball hat schon etwas Künstlerisches. Wenn man sich zum Beispiel den Seitfallzieher Cristiano Ronaldos kürzlich angesehen hat, mit dem Fuß in einer Höhe, wo normale Menschen eine Leiter brauchen. Oder wenn es sich sogar bei uns in Nürnberg jetzt erahnen lässt, wie schön gelungene Kurzpasskombinationen aussehen können. Das ist dann ein Spielzug, der auch ohne Torabschluss Ästhetik zeigen kann. Fußball ist ästhetisch, als Einzel-, aber mehr noch als Mannschaftskunstwerk.

 Also hat Ihnen der Club richtig Freude gemacht in dieser Saison?

Maly: Ja, weil alles mit viel Überraschung verbunden war. Vor der Saison hätte niemand im Aufsichtsrat und niemand von meinen Fan-Freunden gesagt, wir haben eine reele Chance auf den Aufstieg. "More than you expect" - der alte Spruch der Metropolregion hat in diesem Fall zugetroffen, das macht es besonders schön. Ich glaube, dass das in der Gefühlsebene mehr wert ist, als wenn der FC Bayern München zum siebten Mal in Folge Deutscher Meister wird. Weil da das Erwartbare eintritt. Bei uns ist eher das Unerwartete eingetreten.

Waren Sie eigentlich dabei am Sonntag in Sandhausen?

Maly: Nein.

Auswärtsspiele eher selten? Liegt wahrscheinlich am Terminkalender?

Maly: Meistens liegt es am Terminkalender, diesmal liegt es an dem Schuh da. Ich muss das Bein häufig hochlegen, das mache ich jetzt auch, wenn es Sie nicht stört. Wir haben privat geguckt, dann bin ich kurz im Gutmann vorbei und habe da mitgefeiert. 

Wäre natürlich perfekt, wenn das jetzt eine Fußballverletzung wäre mit Ihrem Bein.

Maly: Ist es aber nicht, nein.

Hoffentlich auch keine Politikverletzung?

Maly: Auch nicht. Das ist bei der Gartenarbeit passiert. Ein großer Blumentopf ist kaputtgegangen und hat entlang der Achillessehne eine Wunde geschlagen. Aber das wird wieder.

Balldepp und Strahlkraft 

Spielen Sie eigentlich selbst gelegentlich Fußball?

Maly: Habe ich nie. Ich bin eher Einzelsportler - und vor allem auch Balldepp.

Ein hübsches Wort. Geht es Ihnen als Oberbürgermeister dann manchmal auch auf die Nerven, dass in einer vitalen, attraktiven Großstadt immer wieder der Club so eine große Rolle für die Wahrnehmung spielt?

Maly: Überhaupt nicht. Das hat seinen Ursprung ja darin, dass der Club einer der Vereine ist, auf die man immer noch in ganz Deutschland schaut. Ich habe diese markante Erinnerung an die Pokalsiegersaison 2007. Ein Treffen des Präsidiums des Deutschen Städtetages, im Grunde sind das die Oberbürgermeister der Bundesligastädte. Es stand das Pokal-Halbfinale gegen Eintracht Frankfurt an, Petra Roth war da, Frankfurts Oberbürgermeisterin, und ich. Fast das ganze Präsidium kam irgendwann vorbei, um uns Glück zu wünschen gegen die Frankfurter an diesem Abend. Diese Grundsympathie, die auch Schalke genießt oder Mönchengladbach - und die Leipzig oder Hoffenheim, diese Plastikklubs, nie haben werden -, diese Grundsympathie führt natürlich dazu, dass dich jeder auf den Club anspricht. Wenn dich keiner mehr auf den Club anspräche, dann gehörte der Verein zu den Bedeutungslosen.

Geht das Menschen aus anderen Sparten des Lebens manchmal auf die Nerven, auch Ihre Liebe zum Fußball?

Maly: Nein, ich quäle ja niemanden damit. Man spricht mal fünf Minuten über Fußball, dann ist es aber auch gut. Es muss wohldosiert sein. Die Club-Fahnen hier am Rathaus hängen jetzt gut. Für ein paar Tage.

In drei Minuten weht's

Wann wurden die aufgehängt?

Maly: Das war am Sonntag ungefähr drei Sekunden nach dem Abpfiff. Normalerweise ist hier sonntags ja kein Betrieb, aber es hat sich ein Kollege freiwillig gemeldet.

Das ist jetzt vielleicht etwas konstruiert, Herr Oberbürgermeister, aber gibt es Ähnlichkeiten zwischen der Stadt Nürnberg und dem Club?

Maly: Nein, glaube ich nicht. Oder ja, das hören halt die Nürnberger immer nicht gerne, wir sind eben die zweite Stadt in Bayern, München ist größer und reicher und berühmter. Der Club wird hoffentlich dauerhaft wieder der zweite Fußballverein in Bayern sein. Ansonsten gibt es keine Ähnlichkeiten. Man sollte nicht versuchen, im Sport zu viel Tiefenpsychologisches zu finden. Der Club passt zu Nürnberg und die Stadt passt zum Verein.

Haben Sie sich jemals schwergetan mit dieser Liebe zum 1. FC Nürnberg? Gab es Zeiten, in denen Sie sich geärgert haben, dass Sie es nicht doch mit dem FC Bayern halten?

Maly: Es gab sicher Zeiten, als die Vereinsführung schwierig war. Im Aufsichtsrat finden manchmal Ersatztrainerdebatten statt. Aber die emotionale Grundbeziehung zum Verein wird dadurch nicht tangiert.

Vertrauen in Valentini und Co. 

Sie haben es angesprochen: In die Freude über den Aufstieg mischen sich jetzt immer Bedenken, ob man das noch schafft, im Profifußball aktueller Prägung mitzuhalten. Ist es trotzdem erstrebenswert, bei diesem Millionenspiel mitzumachen? Oder kann man den Gedanken haben: In dieser Geschäftsform, die der Fußball inzwischen annimmt, will man vielleicht gar nicht mehr unbedingt unter den besten Vereinen sein?

Maly: Nein. Dann müsste man sich abmelden. Es muss das Ziel für den 1. FC Nürnberg sein, oben mitzuspielen. Wenn man in der Bundesliga drin ist, wird mit jedem Jahr die Wahrscheinlichkeit, drinzubleiben, größer. Dafür müssen wir diesmal auch nicht zehn neue Spieler holen. Ich vertraue dem Gerüst um die "erwachsenen" Spieler wie Behrens, Valentini und Margreitter. Man wird sich noch jung und talentiert verstärken - und dann braucht man vielleicht noch zwei, drei erfahrene Spieler. Damit kann man schon bei den Mainzens und Augsburgs der Liga bestehen - mit der Euphorie des Aufstiegs.

Wie erleben Sie dabei den Ober-Euphoriker des Vereins, den Trainer Michael Köllner?

Maly: Eigentlich nur selten. Ich treffe ihn manchmal mit seiner Frau in der Stadt, habe aber nicht so viel mit ihm zu tun. Er ist, so wie er ist. Und er hat Erfolg.

Spargelsalat und glückliche Bettruhe  

Und wie haben Sie den Abend nach dem jüngsten Erfolg verbracht? Haben Sie ein kleines Bier getrunken?

Maly: Nein, ich habe zwei große Biere getrunken und dann zum Spargelsalat einen sehr guten Weißwein. Spätnachts haben wir dann noch Sport im dritten Programm angeschaut mit Live-Schaltungen an den Valznerweiher. Und dann sind wir glücklich ins Bett. 

 

 

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