Mit der großen Bühne kommt die Nervosität

22.1.2018, 18:00 Uhr
Mit der großen Bühne kommt die Nervosität

© Jürgen Rauh/Zink

Drei Minuten vor Schluss erzielen sie dann doch noch ein Tor, aber ausgelassen jubeln will bei Atlético natürlich niemand mehr. Zu frustrierend war dieser Nachmittag in der großen Turnhalle des Nürnberger Berufsbildungszentrums, die für die Fußballer aus Erlangen noch ein bisschen größer gewirkt haben muss. 0:1 verlieren sie ihr erstes Gruppenspiel um die Bezirksmeisterschaft gegen die Spielgemeinschaft aus Herrieden, gleich mit 0:7 geht das zweite gegen den Titelverteidiger ATSV Erlangen verloren, beim 1:5 gegen den TSV 1860 Weißenburg gelingt ihnen lediglich der Ehrentreffer.

"Ich bin von unserem Auftritt enttäuscht, ich weiß, dass wir mehr können", sagt Michael Hahn, der Trainer. Eine Partie liegt zu diesem Zeitpunkt noch vor ihnen, aber Hahn ahnt da bereits, dass der Nachmittag wohl nicht mehr viel besser wird. Vielleicht, überlegt er, haben sich seine Spieler von der zwar überschaubar gefüllt, aber eben doch sehr großen Bühne beeindrucken lassen, "sie waren gehemmt, hatten Angst, Fehler zu machen".

Dabei hatten die Fußballer von Atlético Erlangen ja eigentlich nichts zu verlieren. Sehr überraschend qualifizierte sich die Mannschaft, die auf dem Feld nur in der B-Klasse spielt, für das Bezirksfinale – die Gegner an diesem Tag: ein Landesligist und zwei Bezirksligisten, die dem Außenseiter vor allem körperlich überlegen sind. "Sie sind die Härte nicht gewöhnt", sagt Hahn, "absolutes Neuland" sei das alles für seine Kicker, die den deutschen Vereinsfußball ja gerade erst kennenlernen.

Atlético Erlangen ist nicht einfach nur ein neuer Fußballverein, der Klub ist viel mehr als das, sagt Bernd Thiele, der Vorstand und Gründungsvater. Vor eineinhalb Jahren kam ihm die Idee – "vielleicht bei einem Bier zu viel" – eines internationalen Fußballvereins. Thiele hat lange in Venezuela gelebt, vor allem aber hat er bei anderen Vereinen nicht die besten Erfahrungen gemacht. Deshalb also nun: Atlético Erlangen.

Vor einem Jahr haben sie sich gegründet, um Spielern eine Heimat zu sein, die auch neben dem Platz gerade eine neue Heimat suchen.

Aus 15 verschiedenen Ländern stammen die Fußballer von Atlético, viele kommen aus Lateinamerika, inzwischen haben sich aber auch Spanier, Italiener, Syrer und Deutsche angeschlossen. Beschränkungen gibt es keine, umgekehrt wollen die Verantwortlichen mehr bieten als nur die Möglichkeit in Dechsendorf zu trainieren und am Spielbetrieb teilzunehmen.

"Wir wollen uns intensiver um die Spieler kümmern", sagt Thiele. Absolutes Neuland – das gilt für viele im Team, das überwiegend aus Studenten besteht, ja in allen möglichen Lebensbereichen, weil sie nicht nur Vereinsfußball, sondern ein ganzes Land, eine andere Kultur neu kennenlernen. Also helfen Thiele und seine Mitstreiter bei der Wohnungssuche, beim Beantragen von Visa und leisten ganz praktische Integrationshilfe.

Mit dem Restaurant "Tacos" haben sie nicht nur einen Sponsoren, sondern auch eine Anlaufstelle, inzwischen haben sie aber auch Menschen gewinnen können, die weder Spanisch sprechen, noch mit mexikanischem Essen groß geworden sind. Menschen wie Michael Hahn, der viele Jahre beim Hammerbacher SV gespielt und trainiert hat. Während der Spiele gibt er zwar einige Kommandos auf Spanisch, die Sprache im Training und in der Kabine ist aber Deutsch. Es geht ja um Integration und dazu gehört als allererstes die Landessprache.

Bislang scheint die Verständigung sehr gut zu funktionieren, auch wenn davon beim Bezirksfinale wenig zu sehen ist. Auf dem Feld stehen sie nach der Hinrunde auf Platz 1, nun wollen sie auch gerne aufsteigen, wobei das nicht das wichtigste Ziel ist, wie Bernd Thiele betont. Sie wollen ja ein etwas anderer Verein sein.

 

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