Nach Ärger: Fürth-Coach Leitl und Fans finden "eine Basis"

27.3.2019, 05:47 Uhr
Nach Ärger: Fürth-Coach Leitl und Fans finden

© Sportfoto Zink / WoZi

Herr Leitl, wie erobert man eine Kabine?

Stefan Leitl (überlegt): Wie macht man das? Einfach authentisch sein und den Jungs vermitteln, was man möchte. Klare Ansagen sind das Allerwichtigste zu Beginn. Einzelgespräche führen, um die Spieler kennenzulernen. Aber ein Rezept gibt es nicht.

Wenn man Ihren Spieler zuhört, scheinen die gerade neu zu entdecken, dass Fußball Spaß machen kann.

Leitl: Das ist schön zu hören, aber es macht ja auch mir Spaß, sie Fußball spielen zu sehen. Wichtig ist, dass man einen Weg hat, von dem man überzeugt ist. Diese Philosophie müssen die Jungs verinnerlichen und auf dem Platz umsetzen.

Ein guter Draht zu den Spielern ist Ihnen offenbar wichtig. Ist es schwierig, ein ausgewogenes Verhältnis von Nähe und Distanz zu finden?

Leitl: Man sollte den richtigen Weg finden. Nähe bedeutet ja nicht, dass wir permanent etwas mit den Spielern machen. Sondern, dass wir im Austausch sind und unsere Tür immer offen ist. Wir geben ihnen aber immer ganz klare Aufgaben an die Hand, was wir Trainer von ihnen sehen wollen.

Nach Ärger: Fürth-Coach Leitl und Fans finden

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Sie haben eine genaue Vorstellung von Ihrer Spielweise. Wie wichtig war es vor Ihrer Zusage, dass diese mit dem Team möglich ist?

Leitl: Wir hatten wenig Zeit, aber Andre (Mijatovic, Anm. d. Red.) und ich haben sie genutzt, um uns ein Bild von der Mannschaft zu machen. Für diese Art Fußball müssen bestimmte Parameter passen. Und das haben sie. Die Mannschaft ist körperlich in sehr gutem Zustand. Das ist auch ein Verdienst von Damir Buric.

"Wichtig, alle Jungs kennenzulernen"

War der Sieg in Regensburg ein entscheidender Schritt zum Klassenverbleib?

Leitl: Nein. Die Liga ist sehr ausgeglichen und wir müssen in jeder Partie an die Leistungsgrenze gehen, um zu gewinnen. Wir müssen uns jetzt auf eine enorm wichtige Woche vorbereiten. Physisch werden uns die drei Spiele in acht Tagen alles abverlangen.

Gibt es in der Länderspielpause Gespräche mit Rachid Azzouzi darüber, wie man den Kader künftig Ihren Wünschen anpassen kann?

Leitl: In dieser Woche werden die ersten Gespräche stattfinden. Für mich war es wichtig, alle Jungs kennenzulernen und mir ein Bild zu machen. Über die vertragliche Situation der Spieler habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht.

Gerade unter den Profis, die in Ihrem System als Flügelspieler wichtig sind, sind Leihspieler wie David Atanga oder Fabian Reese, deren Zukunft noch offen ist.

Leitl: Über diese Dinge werden wir sprechen, final liegt die Kaderplanung dann aber natürlich bei Rachid Azzouzi.

"Das ist in Deutschland ein gesellschaftliches Problem"

Sie setzen sehr auf eine Stammelf. Kann man da langfristig auch die Stimmung bei denen hochhalten, die nicht spielen?

Leitl: Es ist immer möglich, sich über Trainingsleistungen zu empfehlen, darauf achten wir sehr. Dass wir in den ersten Wochen nicht permanent rotieren, war jedem bewusst. Man braucht Stabilität, gerade in der Viererkette. Die Spieler müssen ein Gefühl füreinander bekommen. Auf den offensiven Positionen kamen schon mehr Spieler zum Zug. Ein paar wurden aber leider auch durch Verletzungen zurückgeworfen.

Sie kommunizieren, jedes Spiel gewinnen zu wollen. Ist in Fürth Kompromissfähigkeit gefragt, weil man junge Spieler einbauen muss, die häufiger noch Fehler machen?

Leitl: Mit jungen Spielern kann man auch gewinnen. Mit Paul Jaeckel hat einer den Sprung geschafft, der seine Sache sehr gut macht. Mit David Raum haben wir einen hochtalentierten Spieler, der noch Pech mit der Grippe hatte. Daniel Steininger hat gespielt. Wir wissen, dass das eine Vereinsphilosophie ist. Das ist ein Grund, warum wir hier sind. Wir wollen diese jungen Spieler fördern.

Es gibt viel Kritik an der Ausbildung junger Fußballer. Die Nachwuchsleistungszentren würden keine Charaktertypen mehr hervorbringen. Teilen Sie diese Einschätzung?

Leitl: Das ist in Deutschland ein gesellschaftliches Problem, nicht nur im Fußball. Wir lasten schon unseren Kleinkindern einen Druck auf, der total ungerecht ist. Ich bin selbst Papa von drei Kindern. Die können nicht den Rucksack in die Ecke stellen und mal mit Freunden im Käfig Fußball oder Basketball spielen. Die müssen um sechs aufstehen und kommen abends um acht heim.

Sie haben zu spüren bekommen, dass Identität ein Thema unter den Fürther Fans ist. Hat Sie die Wucht der Kritik aufgrund Ihrer Vergangenheit und der von Andre Mijatovic überrascht?

Leitl: Wir wussten natürlich, dass das am Anfang ein Thema sein kann. Aber meine Vergangenheit liegt hauptsächlich in Darmstadt und vor allem in Ingolstadt. Für mich war das Nürnberg-Thema also nicht so präsent wie für manchen Fan. Wir wissen aber sehr wohl, was Identifikation bedeutet und werden das auch leben. Wir können uns voll und ganz mit dem Kleeblatt identifizieren, sonst wären wir ja nicht gekommen.

Sie hatten sich (nach dem Banner auf der Nordtribüne, Anm. d. Red.) ein klärendes Gespräch mit den Fans gewünscht – hat es das gegeben?

Leitl: Wir hatten ein sehr gutes Gespräch, die Fans haben uns dazu eingeladen. Und wir haben eine gemeinsame Basis gefunden. Das ist wichtig. Entscheidend ist, dass unsere Fans die Mannschaft unterstützen, und das haben sie bislang sensationell gemacht.

Als Spieler in Ingolstadt galten Sie als Identifikationsfigur – kann man das auch als Trainer werden?

Leitl: Ja. Wenn ich mich mit dem Verein und seinen Werten identifizieren kann und wenn ich über einen längeren Zeitraum da bin. Ich habe das als Spieler auch in drei Jahren Darmstadt geschafft und ich kann das auch als Trainer schaffen.

Sie haben eine enge Verbindung zu Ihrem Co-Trainer. Sind Sie Freunde?

Leitl: Ja. Als Fußballer bist du in deiner Karriere nur mit einer Handvoll Spieler wirklich befreundet. Dass das noch im Trainerteam funktioniert, ist umso erfreulicher. Wir diskutieren sehr kontrovers und oft auch sehr laut (lacht). Andre hat als Innenverteidiger auf höchstem Niveau gespielt und eine ganz andere Sichtweise auf das Spiel. Ich war eben Offensivspieler. In der Summe ist unsere Philosophie aber identisch.

Sie kennen in Fürth Leute wie Rachid Azzouzi oder Benno Möhlmann schon lange. Ist so viel persönlicher Bezug nicht schwierig, weil man sich als Profi auch mal unangenehme Dinge ins Gesicht sagen muss?

Leitl: Das macht die Sache einfacher. Man muss einen offenen Umgang haben. Den habe ich mit Rachid Azouzzi, so habe ich ihn schon als Spieler kennengelernt. Er ist einer, der eine klare Meinung und Ansprache hat. Das erwarte ich von ihm, das erwartet er auch von mir.

Sie haben gesagt, Benno Möhlmann habe Sie in Ingolstadt als Trainer am meisten inspiriert. Warum?

Leitl: Benno Möhlmann kam für mich eigentlich zu spät. Ich hätte ihn gerne mit 20, 22 zum Trainer gehabt. Dann hätte ich vielleicht schneller begriffen, was im Fußball wichtig ist. Er hat mir den Schubser in Richtung Trainerberuf gegeben. Der Hauptgrund, warum ich ihn so schätze: Er hat mir direkt ins Gesicht gesagt, was er denkt. Ich bin so ein ähnlicher Mensch, ich kann damit gut umgehen.

Dass Sie als Spieler als schlampiges Talent galten war also auch eine Frage der Trainer?

Leitl: Zu dem Zeitpunkt wäre ein Coach wie Möhlmann für mich sicherlich wichtig gewesen. Einer, der einem einen gewissen Halt gibt. Ich bin aber zufrieden mit dem, was ich als Spieler erreicht habe. Ich konnte mein Hobby zum Beruf machen.

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