Nur einer schießt den Fürther Vogel ab

16.7.2017, 21:00 Uhr
Nur einer schießt den Fürther Vogel ab

© Foto: Budig

Die organisierten Schützen hatten einst in der Stadt als Wache und Schutzmacht eine wichtige Aufgabe. Kardinal Luigi d’Aragona hat in einem Reisebericht 1517 festgehalten, dass "alle Männer in Deutschland von klein auf Waffen tragen, und jede Stadt und jedes Dorf hat seinen Schießplatz, wo man sich an Festtagen im Armbrust- und Büchsenschießen übt".

In der zivilen Gesellschaft ist diese Hochachtung heute einem latenten Misstrauen gegenüber den Schützen gewichen. Armin Sieber, als Schützenmeister der Geschäftsführer der Gesellschaft, die aus historischen Gründen kein Verein ist, hat etliche Argumente für seinen Sport parat: "Wer erfolgreich schießen will, muss sich zunächst auf eine lange Lehrzeit einlassen. Er wird bei uns sehr gründlich ausgebildet, bevor er selbstständig an den Schießstand darf. Es gibt detaillierte Regeln, damit auf keinen Fall eine Gefahr besteht."

Wochenlang würden Interessenten in der Gruppe der erfahrenen Schützen begutachtet. Der Schützensport – allein im Raum Nürnberg-Fürth gibt es 16 Vereine – da sind sich die am Schießstand in der Kapellenstraße Trainierenden einig, käme gerade Menschen heute sehr entgegen: "Man muss sich auf den Punkt konzentrieren können. Zum erfolgreichen Schießen gehört außerdem eine sehr gute Körperspannung, die einen trainierten Gesamtzustand voraussetzt", fasst Sieber zusammen.

Rund 190 Mitglieder haben Fürths "Königliche Schützen", seit 2004 sind auch Frauen zugelassen. Neben der Luftpistole und dem -gewehr wird auch mit Kleinkaliber geschossen, Bogen- und Armbrustschießen angeboten. Unter den Sportschützen sind etliche Polizeibeamte, die auf diese Weise ihren Trainingszustand verbessern .

Kürzlich endete die einjährige Amtszeit für Hans Reif als Schützenkönig, die 177. insgesamt. "Es ist eine Familientradition", sagt der Getränkehändler Reif. "Vor 28 Jahren war mein Vater Schützenkönig, damals 62 Jahre alt – so wie heute ich". Reif hat ein griechisches Buffet und Getränke für etwa 100 Gäste spendiert, diese Bewirtung ist alter Brauch unter den Schützen.

19 Kilogramm schwere Kette

Morgens wurde er festlich mit Böllerschützen zu Hause abgeholt. Zum letzten Mal legte er die mit zahllosen Anhängern versehene, inzwischen 19 Kilogramm schwere Amtskette an. Dann ging es ins Schützenheim, wo Oberbürgermeister Thomas Jung und der 1. Gauschützenmeister Thomas Stelzig ein Grußwort sprachen.

"Die Königlich privilegierte Schützen­Gesellschaft ist der Verein mit der längsten Tradition in Fürth, und ich wünsche Ihnen, dass diese Tradition weiterhin so erfolgreich fortgesetzt werden kann. Der erfreulich hohe Zulauf junger Mitglieder ist dafür ein positives Zeichen", lobte Jung.

Jedermann, das ist den Schützen wichtig, kann hier Mitglied werden, das Sportschießen erlernen und betreiben. "Eine geliebte Tradition, auch ein riesiger Spaß, aber kein ernsthafter Schießsport", so beurteilt Armin Sieber das Vogelschießen. Am Ende des 50 Meter-Schießstandes war ein selbstgebauter, hölzerner Vogel befestigt, etwa 20 Schützen traten an. "Nun geht es darum, den Vogel abzuschießen", erklärt Armin Sieber und hat sichtlich Vergnügen am Doppeldeutigen dieses geflügelten Wortes.

Geschossen wird stets mit einer historischen Jagdwaffe, "Steyr Mannlicher Stutzen" genannt. Jörg Brands, der von Beruf Kriminalbeamter ist, ist dafür zuständig, die stattliche Patrone mit dem Kaliber 7,57 in den Lauf geben. Auf diese Entfernung genau zu zielen und zugleich den Rückstoß gut zu verkraften, das erfordert viel Übung. Der Vogel kann entweder Stück für Stück weggeschossen werden oder durch gezielte Treffer auf die Befestigungsschraube. Sobald er fällt, ist der letzte Schütze der neue Schützenkönig.

"Ab Schuss 50 wird es langsam spannend", weiß Schützenkönig Reif aus Erfahrung. Er selbst hat allerdings im vergangenen Jahr erst beim insgesamt 154. Schuss den entscheidenden Treffer gesetzt. In diesem Jahr kommt es anders. Vier Stutzen liegen bereit und werden abwechselnd nachgeladen. Denn beim Schießen wird der Lauf schnell heiß.

Melanie Heinz – sie gehörte bereits dem Nationalkader an – führt Protokoll. Manch ein erfahrener Schütze munkelt schon, "dass es heute was Längeres wird", als plötzlich der Überraschungscoup gelingt: "Bei Schuss 63", notiert Heinz, "wurde der Vogel 2017 abgeschossen" – von Georg Rieder aus Stadeln.

Unter dem Lautgewitter vierer Böllerschützen wird dem Sieger die Kette umgehängt. Als erste Amtstat darf er gleich einen Umtrunk bezahlen.

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