Odonkor hört auf: Eine Flanke zum Abschied

25.5.2018, 15:20 Uhr
Hatte bei der WM 2006 seinen großen Moment: David Odonkor (li.), der gegen Polen das 1:0 durch Oliver Neuville vorbereitete.

© Michael Hanschke/dpa Hatte bei der WM 2006 seinen großen Moment: David Odonkor (li.), der gegen Polen das 1:0 durch Oliver Neuville vorbereitete.

Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass der Gefeierte bei Abschiedsspielen ein Tor schießen darf. Sollte es ihm nicht gelingen, schieben ihm die Kollegen in jeder erdenklichen Lage den Ball zu, die Gegner gehen aus dem Weg und zur Not gibt es Elfmeter, den der zu Verabschiedende ohne große Gegenwehr des Torhüters verwandeln darf.

Solche Sperenzchen können sich die alten Weggefährten von David Odonkor in dessen Abschiedsspiel am Samstag (15.30 Uhr/Sport1) in Aachen sparen. "Ich brauche nicht unbedingt ein Tor", sagt der 34-Jährige im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur: "Zur Not reicht mir am Ende wieder eine Flanke. Die ist genauso viel wert."

Wer wüsste das besser als David Odonkor? Denn vor inzwischen zwölf Jahren wurde er mit einer einzigen Szene, einem einzigen Ballkontakt, in der Fußball-Nationalmannschaft berühmt. Im zweiten Spiel der Heim-WM 2006 gegen Polen drängte und drückte Deutschland auf den Sieg. Es lief schon die Nachspielzeit, als Bernd Schneider den völlig überraschend für die WM nominierten und in diesem Spiel eingewechselten Odonkor steil schickte, dieser mit hohem Bein direkt nach innen weiterleitete und Oliver Neuville zum Siegtor vollendete.

"Der Jubel war so unglaublich laut, die Leute sind regelrecht ausgerastet. Dagegen kannst du sogar Barcelona vergessen", sagt Odonkor: "So etwas Lautes wird es nie wieder geben." Die Frage, ob dies der eigentliche Beginn des "Sommermärchens" war, stellt sich für ihn gar nicht. "Natürlich war es das. Das hat Herr Klinsmann ja neulich nochmal betont", sagt er.

One-Hit-Wonder

Obwohl er auch bei der EM 2008 im Kader stand und insgesamt 16 Länderspiele bestritt gilt Odonkor als One-Hit-Wonder, wird heute noch von vielen auf diese Szene am 14. Juni reduziert. Das grämt ihn aber nach eigener Aussage überhaupt nicht. "Ich bin glücklich, dass ich einen solchen Moment hatte", versichert er: "Ich wurde schon so oft danach gefragt, aber wenn ich 80 bin und immer noch gefragt werde, werde ich die Geschichte immer noch gerne erzählen."

Dass sich ein Hype um ihn entwickelte, sei dagegen nachvollziehbar. "Mich hatte ja niemand auf dem Zettel", sagt er: "Jeder dachte vor dem Spiel, wir schießen die Polen aus dem Stadion. Dann stand es bis zur 90. Minute 0:0. Und plötzlich kommt so ein junger Bengel rein, bei dem sich bei der Nominierung alle fragten: Was will der Klinsmann denn mit dem? Umso größer war dann die Überraschung."

Doch auch, wenn er sich am Samstag bei "Odonkors Sommermärchen" durch einen Kick mit Weggefährten wie Mario Basler, Tim Wiese, Kevin Großkreutz, Ailton, Dede, Kevin Kuranyi oder Torsten Frings verabschiedet: Sein letztes Profi-Spiel hat er bereits vor fünf Jahren absolviert, mit 29. Nach zwölf Knie-Operationen hat er bis heute Beschwerden, obwohl er sich fit hält.

Keine Lust auf "Bachelor"

Seine zweite Karriere als Funktionär betreibt er mit Eifer, doch über die vierte Liga ist er bisher nicht hinausgekommen. Aktuell trainiert er in Bad Pyrmont in der Landesliga Hannover, der sechsten Spielklasse. Zudem sah man ihn in zahlreichen TV-Formaten. Bei "Promi Big Brother" gewann er und kassierte 100.000 Euro. Auch bei "Dance Dance Dance" oder "Das große Backen" war er dabei. Weitere Auftritte sind möglich, nur nicht als "Bachelor": "Ich bin verheiratet." Und nur in Formaten, "die positiv gestaltet sind. Auch künftig bin ich für alles offen, bei dem man nicht vorgeführt wird."

Am Samstag will er noch einmal auf großer Fußballbühne zaubern. Trotz der Kniebeschwerden könne er "90 Minuten plus" spielen, versichert er. Und vielleicht gelingt ihm ja die standesgemäße Abschieds-Flanke.

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