Radokis Rückblick: "Einige sehen sich als Ich-AG"

24.5.2017, 17:22 Uhr
Cheftrainer Janos Radoki hat in der neuen Saison einiges vor mit der Sp Vgg Greuther Fürth.

© Sportfoto Zink / WoZi Cheftrainer Janos Radoki hat in der neuen Saison einiges vor mit der Sp Vgg Greuther Fürth.

Herr Radoki, kurz nach dem Schlusspfiff der Saison zeigten Sie sich mit der Ausbeute halbwegs zufrieden. Bleiben Sie auch mit ein paar Stunden Abstand bei dieser Einschätzung?

Janos Radoki: Ja, halbwegs zufrieden. Aufgrund der Situation, die wir hier vorgefunden haben mit einer sehr verunsicherten Mannschaft. Die Leistungen in den vier Spielen vor der Winterpause haben uns auch ziemlich beschäftigt, wir mussten in mehrere Richtungen denken. Demnach hätte es auch bis zum letzten Spieltag eng werden können. Insgesamt war das in der Rückrunde leistungs- und ergebnistechnisch schon sehr gut. Das Durchatmen in den letzten Wochen war mir zu lang. Unter dem Strich bleiben Höhen und Tiefen mit einer durchschnittlichen Platzierung.

Im Vorjahr holte Fürth einen Punkt mehr und stand nur einen Platz schlechter da. In der öffentlichen Wahrnehmung wurde die Vorsaison aber wesentlich kritischer gesehen als diese Saison mit Ihnen. Wie ist das zu erklären?

Radoki: Wir hatten nach 14 Spieltagen nur 14 Punkte, ein Schnitt wie ein Absteiger. Da hatten die Fans Angst, und die war auch im Umfeld, auch im näheren Umfeld zu spüren. Wie wir da rausgekommen sind, hat einen guten Eindruck hinterlassen. Bei der ausgeglichenen Liga hätte alles passieren können, von daher war es wichtig, eine sorgenfreie Saison zu spielen. Trotzdem gehen wir kritisch mit unseren Leistungen um.

Ist der von Ihnen beschriebene Spannungsabfall ein signifikantes Problem dieses Kaders gewesen?

Radoki: Man kann das so sehen. Vielleicht war man aber immer auch zufrieden, vielleicht wurde genau das vom Umfeld suggeriert. Man hat alles geschafft, es kann einem nichts passieren. Das nimmt man als Spieler dankend an. Jetzt kommt aber jemand und will uns vom Gegenteil überzeugen, dann geht das nicht von jetzt auf gleich. Diesen Willen und Biss muss man aber haben.

Kritik an der Spielergeneration

Herrschte in Fürth zu viel Wohlfühlatmosphäre?

Radoki: Zu dem Zeitpunkt ja, man war in diesem Modus drin. Nach Erfolgen hat man durchgeatmet und dann den Spannungsbogen nicht mehr aufbauen können, den du unbedingt brauchst.

Hat es Sie überrascht, diesen Leistungsgedanken erst etablieren zu müssen?

Radoki: Dieses Thema haben wir doch nicht alleine. So ist diese Spielergeneration, das sehen auch viele Kollegen so. Es gibt wenig Spieler, die bereit sind, jeden Tag, jede Trainingswoche Schmerzen zu erleiden. Die Ziele als Mannschaft sind nicht mehr so entscheidend, einige sehen sich als Ich-AG. Das dann zusammenzufügen ist die Aufgabe. Sich Hammer und Nägel zu nehmen, um ein Schiff zu bauen, ist gut und schön. Das Fernziel muss aber doch sein, mit diesem Schiff die Meere zu bereisen und die Weite zu sehen. Weil dieses Ziel aber häufig fehlt, fehlt auch die Bereitschaft, hart dafür zu arbeiten.

Da scheint die Einschätzung noch wichtiger zu werden, welche Charaktere man sich ins Boot holt. Kann es in einem kurzen Kennenlerngespräch überhaupt gelingen, Spieler zu durchschauen?

Radoki: Wir versuchen es zumindest. Wenn du einen Spieler zu uns auf die Anlage holst, auch wenn er noch so ein großes Pokerface aufsetzt, zeigt er irgendeine Regung: Wie sitzt er dir gegenüber, gelangweilt oder wissbegierig? Fängt er an, wegen 2,50 Euro zu verhandeln? Dann wären wir der falsche Verein. Aber solche Leute mit der richtigen Einstellung suchen auch andere Vereine, deswegen müssen wir hier einen anderen Horizont bieten.

Kader soll verkleinert werden

Halten Sie den von Ihnen versprühten Ehrgeiz auch für den Gesamtverein für elementar wichtig, um nicht irgendwann als graue Maus dazustehen?

Radoki: Grundsätzlich ja. Ob wir die Phantasie, die wir momentan haben, in die Realität umsetzen können, wird man sehen. Bekommen wir die Spieler, die wir brauchen? Kommen wir gut durch die Vorbereitung? Gehen die Spieler unseren Weg mit? Aber als Ziel müssen wir uns das setzen. Platz zwölf, dreizehn oder der Nichtabstieg – das ist alles kein Ziel.

Spannen wir den Bogen zum letzten Jahr. Standen mit den verletzungsanfälligen Mathis Bolly und Sercan Sararer nicht zu viele Fragezeichen im Kader?

Radoki: Man ist ganz bewusst das Risiko gegangen. Beide sollten Rosinen sein, die einen Mehrwert für Verein darstellen. Monetär, was die Leistung und dann den Erfolg angeht. Dass sich das so lange hinzieht, damit hat keiner gerechnet. Auch nicht mit der Häufigkeit der gesundheitlichen Rückschläge. Als Verein wie Fürth musst du so einen Weg mal gehen.

Werden Sie diese Kröte für die neue Saison auch schlucken?

Radoki: Insgesamt wollen wir den Kader der Feldspieler verkleinern. Das müssen wir uns also gut überlegen. Es wird in der Nachbetrachtung ein Thema werden.

Welchen Stellenwert hat Fürths vielzitierte familiäre Komponente für Sie?

Radoki: Das Drumherum ist unheimlich familiär, die Zusammenarbeit zwischen allen Schnittstellen, der Geschäftsstelle, dem NLZ, dem Trainingszentrum, dem Fanwesen. Die Spieler haben kein besonders enges Verhältnis, das ist ein Märchen, sie sind Berufsfußballer. Diesen Geist wieder stärker in die Kabine zu kriegen, muss aber ein Ziel sein. Diesen gemeinsamen Geist zu leben, hat Fürth immer ausgezeichnet. Auch und gerade in schlechten Phasen.

Wie erklären Sie sich Ihre große Akzeptanz bei den Fans?

Radoki: Das kann ich nicht beurteilen. Ich bin wie ich bin, ich verstelle mich nicht. Wenn ein Spiel schlecht ist, sag ich das auch. Einerseits ist das ein bisschen einfach, aber ich liefere ja auch Begründungen. So bin ich erzogen worden, so war ich als Spieler und so bin ich auch im Jugendbereich als Trainer groß geworden. Willst du Spieler ausbilden, muss Ehrlichkeit und Gemeinsamkeit entstehen. Da ist es auch mal laut, und dann wieder leise. Die Spieler merken, dass sie dazulernen.

Eckt man mit Ihrer sehr konsequenten Haltung nicht an im Verein?

Radoki: Bestimmt, bestimmt. Wir pflegen einen offenen Dialog, ich spreche Dinge ehrlich an. Negative wie positive. Kritik muss nicht immer negativ sein. Als kleiner Verein können wir es nicht laufen lassen, sonst sind wir eine Mannschaft unter vielen. Wir müssen an Kleinigkeiten arbeiten, fleißig sein und Kritik umsetzen, um besser zu werden. Dass hat die SpVgg in den letzten zwei Jahrzehnten ausgezeichnet.

Das Kleeblatt soll in aller Munde sein

Haben Sie sich im Verein erst Freiräume schaffen müssen?

Radoki: Die Not war zu diesem Zeitpunkt so groß, dass ich diese Freiräume bekommen habe, dann haben wir Ergebnisse gebracht, und alle haben gemerkt, dass die Freiräume nicht missbraucht, sondern gut genutzt werden.

Klingt alles ein wenig nach Aufbruchsstimmung, richtig?

Radoki: Wir müssen diesen Geist reinbringen, die Menschen im Stadion müssen wissen, dass wir es ehrlich meinen. Sie müssen wissen, dass wir immer versuchen, alles auf dem Platz abzurufen. Dass es nicht immer hundert Prozent funktioniert, weiß jeder. Es muss wieder eine Diskussion um den Verein entstehen, am Arbeitsplatz, in der Kneipe, die Menschen müssen über uns reden.

Wäre ein erneuter Umbruch für Sie automatisch negativ?

Radoki: Es hat ja einen Grund, warum Verträge von Spielern nicht verlängert werden. Wir wollen uns auf diesen Positionen verstärken. Gelingt uns das, müsste ja rein theoretisch eine bessere Platzierung als in der Vorsaison rauskommen. Jetzt ist es die Frage: Bekommen wir genau die Spieler oder scheitert es daran, dass finanzkräftigere Vereine die gleiche Idee mit diesen Spielern haben.

Müsste der Verein den Geldbeutel mal aufmachen?

Radoki: Selbst wenn wir den Geldbeutel aufmachen und ans Festgeldkonto gehen, wäre ein Spieler wie Polter von Union Berlin nicht zu finanzieren. Aber wir haben ja auch in der Vergangenheit Spieler wie Marcel Franke von uns überzeugt, dessen Wert bei uns deutlich gestiegen ist.

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