Rugby: Viel Spaß mit Nürnbergs Raufbolden

17.9.2014, 09:27 Uhr
Rugby: Viel Spaß mit Nürnbergs Raufbolden

© Weigert

Etwa zehn Minuten sind noch zu spielen, als sich an der Seitenlinie ein rechtschaffen verschwitzter Mann in rotgelb geringelten Kniestümpfen und einer kurzen Hose, auf deren Rückseite schwungvoll "Ciao" geschrieben steht, materialisiert. Er stellt sich als Martin Deinzer vor, Pressesprecher der Rugby-Abteilung des TSV 1846, und übernimmt sofort die Kommentierung der Schlussminuten. Wichtig sei jetzt, sagt er, dass sie die Konzentration hochhalten. Aber anders als zuletzt sollte das eine Qualität dieser Mannschaft sein. Prompt legt einer seiner Kollegen den dritten Versuch an diesem Nachmittag, Olaf Will verwandelt die Erhöhung. Nürnberg führt 21:14 gegen Bad Reichenhall. Martin Deinzer grinst.

Viel scheint sich hier inmitten des Erlenstegener Forsts nicht verändert zu haben. Ein paar mehr kleine Kinder schleppen am Rand Rugby-Bälle wie Umzugsveteranen kleine Kühlschränke. Sehr viel mehr Frauen in den schicken Hoodies des Ladies’ Teams sorgen sich um das Wohl der kleinen und der großen Ballträger oder brüllen Anerkennung oder Missfallen aufs Spielfeld. Und Nico Chirico, Leonid Golysev und Peter Smutna, alle einst Spieler und Trainer dieses Vereins, sind nurmehr Zuschauer. Aber die Stimmung auf diesem herrlichen Waldspielplatz ist noch immer dieselbe. Wie Pilger ziehen dasselbe Publikum aus anglophilen Rugby-Freunden und Freunden von Spielern, die nie glauben wollten, dass dieser nette, gebildete Mann tatsächlich Rugby spielt, den Gedrängen und Gassen hinterher. Es gibt Bratwürste und Kuchen. Und natürlich hat das Spiel nicht um 14.30 Uhr, sondern traditionell ein wenig früher angefangen. Erfahrene Zuschauer haben natürlich damit gerechnet, dass die kommunizierte Kick-off-Zeit nur ein Vorschlag ist.

Rugby: Viel Spaß mit Nürnbergs Raufbolden

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Dass man auch auf dem tiefen Geläuf keinen Unterschied erkennen kann, mag an mangelnder Fachkenntnis liegen, offensichtlich aber auch an der Erscheinung der Gegner. Reichenhaller Raufbolde nennen sich die mit keinesfalls zarter Ironie – und wenn sich jede Mannschaft aus der Regionalliga derart austrainiert in Nürnberg vorstellt, dann war es keine gute Idee, sich zwei Ligen herunterstufen zu lassen. Allein Tom Howell, Reichenhalls Nummer zehn, die bärtige Idealbesetzung für die Rolle eines schweigsamen Bond-Bösewichts, sieht nicht so aus, als würde es sich um einen Spieler aus Bayerns zweiter Liga – von unten – handeln. Howell fintiert perfekt, ist schnell, hat Übersicht und kurz vor Nürnbergs drittem Versuch, tackelt er einen leichtfüßigen Angreifer so heftig kurz vor der Mal-Linie, dass der Nürnberger erst wieder in einer tiefen Pfütze auf der verwitterten Aschenbahn zu Sinnen kommt.

Nürnberg hat auch solch einen herausragenden Spieler. Olaf Will trägt zwar keinen Bart, tritt dafür aber die Erhöhungen mit der Sicherheit Jonny Wilkinsons durch die Malstangen. Will war einst das erste Eigengewächs in der ersten Mannschaft, er begann als schmaler, aber schneller Flügelstürmer, wurde kräftiger, zum Kapitän ernannt, wechselt mittlerweile zwischen den wichtigen Positionen des Verbinders und des Schlussmanns und ist neuerdings auch noch Trainer. Allerdings tut er alles dafür, das alsbald nicht mehr sein zu müssen. Die Abteilung ist im Umbruch, nachdem sich die Spieler im Sommer dazu entschlossen hatten, nicht mehr in der zweiten Liga antreten zu wollen.

Die Motivation in der früh um fünf selbst nach Düsseldorf fahren zu müssen, dort eine hohe Niederlage zu kassieren und um Mitternacht heimzukehren, hatte nachgelassen, diese Saison hätten sie nach Luxemburg fahren müssen – "Strecken wie in der zweiten Fußballbundesliga", sagt Deinzer, "das ging aber nicht mehr". Die Mannschaft brauchte eine neue Motivation und fand sie, indem sie zwei Schritte zurück machte. Jetzt spricht Deinzer von "einer Hauruck-Stimmung" im Verein und gesteht ein, dass sich die Männer auch von der Gründungseuphorie der Frauen, die am Samstag an selber Stelle ihr Turnier ausrichten, hatten anstecken lassen. "Nachhaltiger, das ist so ein Modewort, aber es beschreibt ganz gut, wie wir hier künftig arbeiten wollen." Obwohl zehn Spieler verhindert sind, funktioniert das auf dem Platz erstaunlich gut – bis sich vor Tom Howell zu dessen Erstaunen die Nürnberger Verteidigungslinie öffnet.

Ein Spitzenspiel?

Den letzten Versuch legt an diesem schönen Nachmittag ein Raufbold, Howell hatte sogar die Zeit, um seinem Kicker eine bessere Position zu verschaffen. Die letzte Erhöhung dieses ersten Spiels gelang also auch einem Raufbold. Wie war das gleich mit Nürnbergs neuer Qualität, die Konzentration bis zum Ende hochzuhalten? Martin Deinzer grinst.

Lange nach dem 21:21, kurz vor Beginn der vielbeschworenen dritten Halbzeit, gehen Will und Deinzer durch die Furchen zurück zu ihren Fans und rätseln darüber, ob dieses intensive Spiel gegen den bayerischen Meister im 7er-Rugby nun exemplarisch für das Niveau in der Regionalliga war oder ob sie künftig endlich auch mal wieder hoch gewinnen werden. Deinzer winkt ab. „Egal. Da draußen hat es sich großartig angefühlt.“

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