Schach-WM: Carlsens Ehrfurcht ist zurück

13.11.2014, 09:22 Uhr
Magnus Carlsen gegen Viswanathan Anand - eine Jahrhundertschlacht am Schachbrett.

© afp Magnus Carlsen gegen Viswanathan Anand - eine Jahrhundertschlacht am Schachbrett.

Schach ist ein wenig wie das Weltall. Beides kann die Vorstellungskraft überfordern. So soll es – rein rechnerisch – annähernd so viele Möglichkeiten geben, eine beliebige Schachpartie zu beenden, als Atome durchs All fliegen. Bereits nach nur zwei Zügen können nicht weniger als 72 084 Stellungen entstehen.

Stellungen, die es alle so schon irgendwann einmal gegeben hat. Konstellationen, aus denen sich geniale Züge und schlimme Fehler entwickelten, Partien also, die einen schier unermesslichen Erfahrungsschatz bieten, so groß, dass man es halten kann, ja, wie mit Schach und dem Weltall.

Große Spieler zeichnet es auch aus, auf alle Schach-Probleme eine Antwort zu kennen — oder zu erkennen. Exakt so ein Duell gab es kürzlich zwischen dem 44 Jahre alten Viswanathan Anand und dem Schach-Wunderkind Magnus Carlsen in Sotschi: ein Schlagabtausch eines bis ins Detail vorbereiteten Inders gegen einen Instinkt-Zocker aus Norwegen.

Im konkreten Fall ging es um eine Variante des Damengambits, die zuletzt bei verschiedenen Großmeisterturnieren erprobt wurde. Anand und Carlsen kannten beide natürlich diese Stellungen, bis zu Zug 17 sprudelte alles sehr flüssig aus dem Gedächtnis hinunter aufs Brett — dann stockte Carlsen. Anand hingegen zog weiter so zügig, rund und unbeeindruckt, wie ein Gebirgsbach ins Tal fließt. Das verunsicherte Carlsen, der hektisch wurde, dem die Zeit davonlief nachzudenken. Beim 34. Zug gab der 23 Jahre alte Wunderknabe auf.

Es war der erste Sieg im 13. WM-Duell, den Anand überhaupt gegen Carlsen feierte. Perfekt vorbereitetes Angriffsschach hatten seine Berater ihm empfohlen - Carlsen schien überrascht und ohne Konzept.

Seine Fassung hatte der jüngste Weltmeister aller Zeiten gestern zwar wieder, doch die Ehrfurcht vor seinem Gegner war zurück. Carlsen spielte ruhig, risikoarm — bis zum Damenendspiel. Die Partie war ausgeglichen, Carlsen tüftelte Probleme aus, Anand konterte mit Dauerschach. Nach fast fünf Stunden einigten sich beide auf remis. Damit steht es vor dem Ruhetag am Donnerstag 2:2 unentschieden.

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