Schlagkräftige Argumente gegen Fußballfans

27.2.2010, 00:00 Uhr
Schlagkräftige Argumente gegen Fußballfans

© Zink

Im Blickpunkt steht dabei das Unterstützungskommando der Polizei, kurz USK. Diese Beamten werden vor allem bei Fußballspielen und Demonstrationen herangezogen. Also immer dann, wenn Unruhe droht. Dem USK eilt der Ruf voraus, eigene Emotionen und Skrupel abzustellen, auf der anderen Seite Angst zu schüren. Auf Diskussionen lässt man sich gar nicht erst ein. Eine sogenannte Deeskalationsstrategie, wie sie in heiklen Situationen oftmals von der Polizei verfolgt wird, dient der vornehmlich in dunklem Blau gekleideten Einheit nicht als Prämisse: agieren statt reagieren. «Das USK ist dazu da, die Lage zu beruhigen», bezieht Wolfgang Wenger von der Polizei-Pressestelle München eindeutig Stellung für eine offensive Herangehensweise.

«Tätlichkeiten seitens der Beamten»

In vielen Stadien scheint diese Taktik zu funktionieren. In München offenbar nicht. Immer wieder gibt es Vorfälle, die die Arbeit des USK in einem schlechten Licht erscheinen lassen. Im Dezember 2007 kam es beim Spiel zwischen den Amateuren des FC Bayern und des Lokalrivalen 1860 München zu handfesten Auseinandersetzungen, wobei USK-Beamte nach Zeugenaussagen zuerst «wahllos und ohne erkennbaren Grund» mit Schlagstöcken auf die Zuschauer im Block der «Löwen» eingeprügelt hätten. Die Staatsanwaltschaft hatte ermittelt und war zu dem Schluss gekommen, dass es «zu Tätlichkeiten seitens der eingesetzten Polizeibeamten» gekommen sein muss.

Eingestellt wurde das Verfahren trotzdem, weil die USK-Beamten nicht zu identifizieren waren und sind: keine Dienstnummer, kein Namensschildchen. Weil man die Beamten ja schützen müsse vor möglichen Veröffentlichungen im Internet, lautet die lapidare Begründung. «Das ist ein Skandal», wetterte deshalb Grünen-Politiker Siegfried Benker. Das ist über zwei Jahre her. Geändert hat sich nichts. Im Gegenteil, sagen viele Fußballfans, die seitdem ein Spiel ihrer Mannschaft in der Münchner Allianz Arena besucht haben.

Der Abend des 10. Februar muss, gemessen an den Reaktionen, einen Höhepunkt der polizeilichen Arbeit des USK markieren. Helmut Ell kann es noch immer nicht fassen, was ihm beim Pokalspiel des fränkischen Zweitligisten gegen den FC Bayern widerfuhr. Auf die Frage an einen USK-Beamten, wie er denn am schnellsten in seinen Block käme, wurde er sofort zu Boden geschlagen. Ohne Vorwarnung, ohne Grund. Ein Mann in den besten Jahren, kein C-Fan, wie gewaltbereite Fans von der Polizei kategorisiert werden. «Ich sehe bestimmt nicht aus wie ein Hooligan», sagt Ell. Auf seine Frage nach den Personalien des Beamten wurde dem 48-jährigen Geschäftsmann sofort mit der Festnahme gedroht. «Wenn man höflich und normal ist, habe ich bisher gedacht, passiert einem nichts», sagt Ell: «Das denke ich jetzt nicht mehr.»

Tags darauf sprach die Pressestelle der Polizei von «massiver körperlicher Gewalt» – gegen die Beamten. «150 stark alkoholisierte und aggressive Ultra-Fans» sollen die eingesetzten Polizeikräfte angegriffen haben. Wobei alkoholisierten Personen in Deutschlands Stadien per se der Zutritt verboten wird. Wie die also in die Münchner Arena gelangt sein sollen, ist ebenfalls noch ungeklärt. Betroffene berichten von völlig überzogenen Reaktionen und von verbalen Entgleisungen der Beamten auf unterstem Niveau.

«Diese Aggressivität ist Fakt», behauptet PR-Polizist Wenger auf NZ-Anfrage nach wie vor und ist sich sicher: «Der Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray war berechtigt.» Dabei ist die Fanszene in Fürth überschaubar und bestimmt nicht als gewaltbereit bekannt. In München muss sich das schlagartig geändert haben, wenn die Polizeiberichte stimmen. Helmut Ell ist noch immer fassungslos. Statt wie geplant einen lustigen Abend im Stadion gemeinsam mit seinen drei Kindern zu verbringen, bekam er die dunkle Seite des Fußballs zu spüren. Mit voller Härte. «Das ist ein Skandal hoch zehn», schimpft Ell so aufgebracht wie viele andere Zeugen, die der Redaktion namentlich bekannt sind, sich aber nicht öffentlich äußern wollen.

«All Cops are Bastards» heißt es in der Szene der Ultras immer wieder. Bislang wollte und konnte Helmut Ell diese Einstellung der Hardcore-Fans nicht nachvollziehen. Jetzt hat er seine Meinung geändert und erhebt schwere Vorwürfe. «Die USKler sind Schläger in Uniform. Das erinnert mich an die SA im Dritten Reich. So müssen sich die Juden gefühlt haben, wenn ihnen die SA gesagt hat, du bist der letzte Dreck!» Der zuständige Münchner Einsatzleiter wollte sich auf NZ-Anfrage nicht dazu äußern und verwies lediglich auf die Zuständigkeit der Pressestelle. «Diese USK-Einheit ist für bestimmte Bereiche zuständig. Da gibt es nicht immer schöne Bilder», sagt Pressesprecher Wenger und erklärt eindeutig: «Gegen Gewalt muss man sich wehren. Argumentativ hat das keinen Zweck.»

Erst schlagen, dann nachdenken lautet also die Devise. Zumindest in München, meinen alle Zeugen unisono. So berichtet Daniel Kirchner, verantwortlich beim 1. FC Nürnberg für die Bereiche Stadion und Spielbetrieb, von «einer besonders niedrigen Hemmschwelle» der Beamten in München. Einer Stadt, die sich gerne als «die Metropole mit Herz» bezeichnet. «Hier hat man immer das Gefühl, schlechter als überall sonst behandelt zu werden.» In Nürnberg gebe es keinerlei Probleme bei der Zusammenarbeit mit der Polizei, versichert Kirchner, in München aber werde man «schikaniert, wo es nur geht. Für alle Beteiligten ist es das unschönste Auswärtsspiel der ganzen Saison».

Innenminister prüft in aller Ruhe

Dringenden Handlungsbedarf, die Münchner USK-Aktionen näher unter die Lupe zu nehmen, sehen die Verantwortlichen derzeit aber nicht. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann gibt sich abwartend. «Ich will mir in aller Ruhe anschauen, was da abgelaufen ist, und mir dann ein Bild darüber machen», ließ Herrmann Verständnis für die USK-Beamten durchblicken: «Der massive Aufwand, den wir betreiben, ist wohl berechtigt. Das sind keine Dinge, die die Polizei erfindet. Die sind nicht darauf aus, sich ins Gewühl zu stürzen», nimmt Herrmann die Position eines Hardliners ein. Ein Polizeibeamter, der ungenannt bleiben will, vermutet genau das Gegenteil: «Die Jungs trainieren ein Jahr lang für ihre Einsätze. Sie wollen dann eben auch ausprobieren, was sie geübt haben.»

Dem Vorwurf, die Vorkommnisse vertuschen zu wollen, will man sich in den bayerischen Behördenzimmern aber keinesfalls aussetzen. «Wir werden jedem Vorwurf nachgehen. Da wird nichts unter den Tisch gekehrt», verspricht Herrmann.  Derweil mehren sich die Stimmen, dass die schwarzen Schafe im USK zur Verantwortung gezogen werden müssen. So hat der SPD-Landtagsabgeordnete Horst Arnold, selbst lange Jahre Schnellrichter im Fürther Stadion und deshalb bestens mit der Materie vertraut, Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Körperverletzung im Amt gestellt. Auch Helmut Ell hat seinen Anwalt eingeschaltet. «Pro forma» sagt er. Das Vertrauen in den Rechtsstaat hat er verloren. «Derjenige, der zuerst zuschlägt, der gewinnt. Dieses Signal wird unseren Kindern vermittelt.»

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