Surf-Ass Steudtner: "Ich habe keine Zeit für Angst"

1.2.2017, 10:54 Uhr
Der 31-jährige Sebastian Steudtner ist in Esslingen am Neckar geboren und wuchs in Nürnberg auf.

Der 31-jährige Sebastian Steudtner ist in Esslingen am Neckar geboren und wuchs in Nürnberg auf.

Herr Steudtner, können Sie sich daran erinnern, wann Sie zum letzten Mal Angst hatten?

Sebastian Steudtner: Hm, da muss ich kurz nachdenken ... Ja, doch, eigentlich ist das noch gar nicht lange her. Da ist ein Kumpel von mir von einer Klippe ins Wasser gesprungen. Da hatte ich schon beim Zusehen Angst, weil ich Höhenangst habe.

Kann man sich Angst abgewöhnen?

Steudtner: Ich finde, ja. Angst ist nichts Reales, sie findet nur im Kopf statt, egal, wie klein oder groß sie ist. Es gibt Angst vor einer Gefahr oder Angst vor irgendwelchen Dingen, die keine Gefahr mit sich bringen. Und bei denen, die keine Gefahr mit sich bringen, kann man sich die Angst abgewöhnen oder abtrainieren, indem man sich damit auseinandersetzt, darüber nachdenkt und auch aktiv ist. Wenn man sich bewegt, geht die Angst meist vorbei.

Hat Ihre Familie Angst um Sie?

Steudtner: Meine Familie hatte früher Angst, aber nicht, dass mir etwas passieren könnte, sondern was einmal aus mir wird, ob ich vom Surfen leben kann. Aber Gott sei Dank ist alles gut gegangen. (lacht) Eine Zeit lang habe ich als Bauarbeiter und Türsteher gearbeitet oder Vorträge vor Führungskräften gehalten, um den Sport finanzieren zu können. Ich selbst hatte aber nie Zukunftsängste und werde auch nie welche haben.

Woher nehmen Sie diese Ruhe?

Steudtner: Für mich stand immer fest, dass ich alles für meine Leidenschaft tue und meinem Traum nachgehe. Ich will mein Bestes geben. Ich war mit meinen Erfolgen sehr beständig und zusammen mit meiner Medien- und Lobbyarbeit habe ich es geschafft, davon leben zu können. Dass Surfen ein Trend ist, trägt aber auch dazu bei.

Höher, schneller, weiter

Big Waves werden bis zu 30 Meter hoch. Sie surfen mit 70 Kilometer pro Stunde auf den Wellen. Was geht einem da durch den Kopf?

Steudtner: Da geht einem gar nichts durch den Kopf, das ist ja das Schöne. Das ist ein Moment höchster Konzentration. Das heißt, ich konzentriere mich nur auf das, was vor mir ist, ansonsten denke ich an nichts.

In welchem Moment sind Sie ängstlicher: Wenn Sie in die Welle fahren und sehen, sie wird richtig groß? Oder wenn Sie nach einem Sturz unter Wasser sind und nicht wissen, wo oben und unten ist?

Steudtner: Wenn die Welle sich aufbaut und man erkennt, da geht jetzt irgendwas schief – das ist ein Schreckmoment. Und das ist auch definitiv der unangenehmere Moment. Unter Wasser bin ich in Aktion und habe ganz einfach keine Zeit, Angst zu haben oder nachzudenken. Da setzen Reflexe ein, man verhält sich ganz instinktiv.

Surf-Ass Steudtner:

© oh

Wie lange können Sie die Luft unter Wasser anhalten?

Steudtner: Ich schaffe es so lange die Luft anzuhalten, bis ich ohnmächtig werde. Ich habe Kurse in Apnoetauchen, also Freitauchen, belegt. Da holt man einmal tief Luft und geht dann so lange wie möglich unter Wasser. Einmal habe ich ungefähr fünf Minuten und fünfzig Sekunden geschafft. Aber im Ruhezustand. Wenn man einen hohen Puls hat, wäre es weniger. In den Kursen habe ich verschiedene Techniken gelernt, den Atemreflex zu unterdrücken. Wenn man das mal gelernt hat, ist das relativ einfach. Technisch ist es nicht schwer, aber man muss willensstark sein. Und es ist gar nicht leicht, den Kopf so zu kontrollieren. Das ist die Schwierigkeit dabei.

Andere gehen im Sommer surfen, da ist bei Ihnen die Saison vorbei. Welche ist die ideale Wetterlage fürs Big Wave Surfen?

Steudtner: Wir brauchen immer einen großen Sturm. Nicht den Sturm an sich, aber was daraus wird. Erst dann entstehen die großen Wellen. In Strandnähe brauchen wir wenig Wind und eine ganz bestimmte Richtung, aus der die Wellen kommen. Das heißt, die Wellen brechen dann am Strand besonders gut.

Auf Weltrekordkurs

Klingt kompliziert.

Steudtner: Deshalb schauen wir uns genaustens die Wetterkarten an und entscheiden je nach Wetterlage, ob wir weiterfliegen. Da surfen wir dann ein paar Tage, je nachdem, wie lange die Wellen da sind. Meistens sind das zwei oder drei Tage, maximal eine Woche. Und dann reisen wir wieder weiter.

Wie oft kehren Sie eigentlich noch in Ihre Heimat Nürnberg zurück?

Steudtner: Vier bis fünf Monate im Jahr bin ich in Portugal, ein paar Monate auf Hawaii und in Australien und ein paar Monate reise ich noch so herum. In Nürnberg bin ich vielleicht noch zehn Tage im Jahr. Aber es ist meine Heimat, meine Familie und Freunde leben in Nürnberg und ich habe viele schöne Erinnerungen an die Stadt.

Vielleicht gibt es in absehbarer Zeit einen Grund, öfter herzukommen. Die Planungen für die Pegnitzwelle schreiten voran.

Steudtner: Das ist eine tolle Sache für das Surfen, für die Stadt Nürnberg und die Jugend. Das unterstützen ja auch viele Menschen seit langer Zeit. Wenn es so weit ist, werde ich wohl nicht zu viel Zeit dort verbringen, weil mir das Meer dann doch lieber ist. Aber es ist toll, so etwas in der Nähe zu haben. Ich erinnere mich daran, als ich 14 Jahre alt war. Ich habe aus Sperrholz und einem alten Kinderwagen einen Anhänger gebaut und den ans Fahrrad hinten dran montiert. Dann habe ich versucht am Kanal entlang an den Rothsee zu kommen, weil ich Windsurfen wollte. Ich habe es bis zur Hälfte geschafft, dann ist die Sonne untergegangen, weil ich zu lange gebraucht habe. (lacht) Da hätte ich mir gewünscht, dass ich nur mein Surfbrett unter den Arm klemmen muss und mit der U-Bahn da hinfahren kann, um surfen zu gehen.

Welche Ziele verfolgen Sie für das neue Jahr?

Steudtner: Diese Saison ist auf Weltrekordkurs. Ende Oktober bin ich eine sehr große Welle gesurft, die könnte bei den Big Wave Awards 2017 gewinnen und Rekord werden. Insgesamt versuche ich am Ball zu bleiben und mich weiterzuentwickeln. Ich möchte, dass es stetig nach vorne geht. Wovor ich wirklich Angst habe, ist, dass meine Leistung stagniert oder mir Surfen irgendwann keinen Spaß mehr macht.

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