Tiefe Theatereinblicke

26.9.2016, 12:00 Uhr
Tiefe Theatereinblicke

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Ist das eine optische Täuschung oder Wirklichkeit? Wenn man am Bühnenrand steht, wirkt der Bühnenhintergrund bis zur hintersten Wand genauso groß wie der Zuschauerraum vorne. „Die Bühne ist meistens größer als der Zuschauerraum“, bestätigt Beleuchtungsmeister Günther Neumann. 740 Plätzen im Auditorium stehen (oder besser hängen) 37 Zugstangen für gemalte Hintergründe und 600 bis 650 Scheinwerfer entgegen.

Dazwischen prangt der Eiserne Vorhang, der tatsächlich aus Stahl besteht. „Der saust aber nicht herunter wie eine Guillotine“, beruhigt Bühnenmeister Heino Ziegler-Martin, „da gibt es erst ein akustisches Signal, und bevor er auf den Boden aufkommt, bremst er noch ab, damit sich kein Schauspieler den Fuß zerquetscht.“

Im Nachtschwärmerfoyer macht der Dramaturg Matthias Heilmann den Gästen bereits Lust auf die nächsten Produktionen. Sunna Hettinger ist die „Jüdin von Toledo“, aber nicht nach Grillparzers Stück, sondern nach Lion Feuchtwangers dramatisiertem Roman. Ihr zur Seite sitzt Henry Arnold als ihr Vater Jehuda, der seine Tochter dem kriegslüsternen spanischen König Alfonso erst in die Arme und dann ins Himmelbett treibt, denn schon lange vor den Beatles wusste er: Alles was du brauchst, ist Liebe!

Spannender Mix

Indem Alfonso seine Energie in Kissenschlachten austobt, bleibt der Friede im Spanien des 12. Jahrhunderts zwischen moslemischen Mauren, fanatischen Christen und den Juden zwischen den Fronten gewahrt. Bloß, wie lange noch? Die Mischung aus Diplomatie, stillem Heroismus und eiskaltem Zweckdenken ist genau das, was Henry Arnold an der Figur des Jehuda reizt. Sunna Hettinger hingegen interessiert die Mischung aus Naivität und Leidenschaft der erst 17-jährigen Titelheldin, die nicht Irgendeinen, sondern den König höchstpersönlich bezirzt.

Und sogleich folgt das nächste Historiendrama, diesmal als Musical: Für „Luther — Rebell Gottes“ stehen sein Komponist Christian Auer und Navina Heyne als des Reformators Gespons Katharina von Bora Rede und Antwort. Das Stück weicht von der Historie ab: 1530, wenn alle Entscheidungen gefallen sind, steht der Reformator vor einem katholischen Tribunal und lässt alle Ereignisse Revue passieren. „Den Luther hatte ich schon lange auf meiner Liste“, bekennt Christian Auer. „Er war unglaublich vielseitig und vielschichtig: Choleriker, Sprachkünstler, Liederdichter. Bloß muss man bei einem Musical auch die heiteren Seiten zeigen.“ Darum legen die Kardinäle flotte Steptanz-Einlagen hin, kracht der Heavy-Metal-Hammer Luthers beim Thesenanschlag, und pflegt Kurfürst Friedrich der Weise beatlesartige Harmonien.

Der Lack ist ab

Und Katharina? Die ist bereits seit zehn Jahren mit ihrem Martin verheiratet, da ist der romantische Lack abgeblättert, da sprechen die realistischen Tatsachen. Und dennoch schwärmt Navina Heyne in ihrer Ballade: „Ich gehör zu dir.“

Kein Theaterfest ohne Versteigerung. Diesmal ist die Garderobe besonders nobel, es gibt wunderschöne Roben aus Bühnen-Barock und -Renaissancezeit, die „Herzogin von Gerolstein“ gibt ihr Ballkleid für schlappe 25 Euro her, desgleichen der „Kleine Prinz“ seine Uniformjacke. Und wer Haus und Garten schon immer mal ausgefallen möblieren wollte, hat nun die Wahl zwischen einem überlebensgroßen Stalin-Denkmal und einem barocken Pappkavalier, der einen Blumenstrauß überreicht.

Bildergalerie im Internet unter www.nordbayern.de/fuerth

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