"Tim hat jetzt den nötigen Bums"

17.7.2012, 11:45 Uhr

© Zink

Herr Rieger, sprechen wir über Tim Schleicher...

Bernhard Rieger: Moment. Sie wissen aber schon, dass ich gar nicht mehr sein Trainer bin.

Ja, schon. Aber wir dachten, Sie könnten uns etwas über ihn erzählen, weil Sie ihn ja lange trainiert haben.

Rieger: Ach so. Das können wir probieren.

Gut. Also: Sprechen wir über Tim Schleicher. Wie lange kennen Sie ihn?

Rieger: Oh, sehr lange, schon seitdem er klein ist. Aber da gab es noch nicht so viele Berührungspunkte. Ich kenne auch seinen Vater gut.

Wie alt war er dann, als er zum ersten Mal in Ihr Training kam?

Rieger: Ungefähr 14. Und dann bis zu dem Zeitpunkt, als er zur Bundeswehr ging. Beim Ringen haben viele Vereine das Problem, die untersten Gewichtsklassen mit Männern zu besetzen — weil es nur wenige so leichte Ringer gibt. Daher müssen die Jugendlichen dann einspringen.

Können Sie sich ans erste Training erinnern?

Rieger: Oh ja, da habe ich ganz viele Erinnerungen. Ich denke, er war anfangs wie viele andere auch sehr überrascht von der heftigen Intensität. Aber es hat auch sofort angeschlagen, er hat sehr tüchtig mitgezogen.

Also haben Sie das Talent gleich entdeckt?

Rieger: Da musste man nicht viel suchen, das hat jeder gleich gesehen. Ich meine: Er hatte als Schüler schon was weiß ich wie oft den deutschen Meistertitel geholt.

Hat er sich besonders schnell entwickelt?

Rieger: Na ja, alle Gleichaltrigen hat er natürlich weggefegt. Gegen die gestandenen Männer aus Rumänien oder Bulgarien hat er kein Land gesehen. Aber er hat so gut es ging dagegengehalten, das hat ihn schnell weitergebracht.

Also der klassische Kämpfertyp.



Rieger: Er hat einen unglaublichen Siegeswillen, ist immer für eine Überraschung gut, auch wenn ihm keiner mehr irgendwas zutraut.

So wie im Kampf zur Olympia-Qualifikation: In den letzten drei Sekunden hat er die Entscheidung noch rumgerissen.

Rieger: Ja, genau, das ist ein Spiegelbild seines Charakters. Er hat so ein starkes Bewegungstalent, dass er stets Unerwartetes einstreuen kann.

Hat er sich das hart erarbeitet?

Rieger: Natürlich ist da viel in die Wiege gelegt worden, er ist koordinativ sehr stark. Aber er hat auch den nötigen, das soll jetzt nicht martialisch klingen, „Killerinstinkt“. Er hat eingesehen, dass man hart trainieren muss, um ganz hoch zu kommen. Auch zusätzlich zum Vereins- und Stützpunkttraining.

Das klingt fast so, als hätte er gar keine Schwächen.

Rieger: (überlegt) Nö.

Wie jetzt? Keine einzige?

Rieger: Nö. Na ja, vielleicht ist da doch was.

Na also.

Rieger: Er hätte vielleicht ein, zwei Jahre eher den Sprung in die 60-kg-Klasse machen sollen. Jetzt stimmt das Verhältnis zwischen Körpergröße, Kraft und Hebel. Er hat jetzt den nötigen, wie soll ich sagen, Bums?

...um eine Medaille zu holen?

Rieger: Wie gesagt: Ich traue dem Tim wirklich alles zu. Er hat überhaupt keinen Respekt vor Namen, er ist unberechenbar.
 

Keine Kommentare